Im Gespräch mit anderen deutschen Expats in Asien stellte Schwarze schnell fest, dass sie mit ihren Erfahrungen alles andere als alleine dastand. Mehr noch, für viele brachte das Leben im Ausland  psychische Belastungen mit sich, mit deren Hartnäckigkeit sie nicht gerechnet hatten. „Kaum hatte sich herumgesprochen, dass ich Psychologin und Psychotherapeutin bin, wurde ich bei jeder Art von Get-Together regelmäßig angesprochen: „Dürfte ich Ihnen unter vier Augen mal kurz eine Frage stellen?"", erzählt sie. Und so nahm die Idee, kulturschockgeplagten Deutschen eine professionelle therapeutische Unterstützung anzubieten, allmählich Gestalt an. 

In ihre Online-Praxis kommt ein breit gestreuter Klientenkreis. Männer und Frauen sind gleich häufig vertreten. „Rund 40 Prozent von ihnen leben in China", erläutert sie. Einige sind Singles, andere leben in Fernbeziehungen, wieder andere sind verheiratet und kommen mit ihrem Partner und Kindern nach Asien. Allen gemeinsam ist ein hoher Ausbildungsstand. 

Problem Nummer eins: der Asienschock 

Natürlich importieren manche Expats psychische Problemen wie Ängste, Depressionen oder Beziehungsprobleme von zu Hause, die dann durch die neue Lebenssituation unter Umständen eher an die Oberfläche gelangen. Doch auf Platz eins des Problemrankings stehen ihrer Erfahrung nach eindeutig die zahlreichen Facetten des Kulturschocks, beispielsweise in der Arbeitswelt. 

„Der Kulturschock am Arbeitsplatz und im Alltag ist doch oft größer, als ihn sich viele trotz sehr guter Vorbereitungskurse vorgestellt haben. Neben einer 60-Stunden-Woche sorgt die Mentalität asiatischer Mitarbeiter oder Partner für zusätzliche Belastung. Es entsteht der frustrierende Eindruck, dass alle eigenen Werte nichts gelten: Qualität, Zuverlässigkeit, Organisiertheit, Transparenz, Pünktlichkeit, Offenheit, Lösungsorientierung. Es entsteht das Gefühl, ständig gegen eine Wand zu rennen", erläutert Schwarze. Hinzu kommt in bestimmten Positionen die Pflicht, einen Teil der knappen Freizeit mit Kollegen und Geschäftspartnern verbringen zu müssen, was häufig mit großen Mengen Alkohol verbunden ist. „Viele Männer empfinden das als problematisch", sagt sie. 

Ehefrauen im goldenen Käfig 

Für die Partnerinnen bzw. Ehefrauen der Expats bringt der Umzug nach Asien ganz andere Probleme mit sich. Sie leiden nach Schwarzes Angaben unter dem Verlust der Privatsphäre, weil sie ständig von Personal, Nachbarn und der kleinen deutschen Community umgeben sind. Oft fehlen echte Freundinnen und ein befriedigendes Sozialleben. In Deutschland standen die Frauen dagegen sozial und beruflich meist auf eigenen Beinen. „Im häufig sehr luxuriösen neuen Zuhause in Asien leiden sie darunter, keine verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen zu können und fühlen sich wie im goldenen Käfig. Das stößt bei den Ehepartnern und bei Freunden in Deutschland oft auf Unverständnis", beschreibt Schwarze die Situation der Frauen. Die fehlende Eigenständigkeit sei oft schwer zu ertragen. Die Folgen: Einsamkeit und Langeweile, Beziehungsstress bis hin zu Depressionen. 

Lebt der Partner weiterhin in Deutschland, entstehen wiederum häufig Beziehungskonflikte durch  die räumliche Distanz und lange Abwesenheiten. Für Singles, besonders für Frauen, stehen nach Erfahrung der Therapeutin Probleme mit Einsamkeit und Fragen zur familiären Perspektive im Vordergrund, auch traditionelle Geschlechterrollen können ihnen Schwierigkeiten bereiten. 

Darüber hinaus löst die Überlegung, wieder nach Deutschland zurückzukehren, häufig großen Beratungsbedarf aus. „Wie wichtig ist die Karriere? Was kann ich meiner Partnerschaft noch zumuten? Wäre ich ein Versager, wenn ich gehen würde? Würde ich zu Hause abstürzen? Würde ich Asien nicht doch vermissen? Wo bin ich denn nun zu Hause?" Das sind die Fragen, mit denen Expats in ihre Beratung kommen.