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Kulturelles Erbes: Tourismusentwicklung darf nicht über Kulturschutz stehen

Von Ma Huiyuan  ·   2015-10-29  ·  Quelle:China Heute
Stichwörter: Kulturerbe
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Es war in Frankreich, dass Moriniere erstmals von dem Restaurierungsprojekt im Südwesten Chinas erfuhr. Angetrieben durch seinen Wunsch, das Kulturerbe weltweit zu schützen, und auch durch seine Neugier gegenüber China entschloss er sich kurzerhand, der internationalen Arbeitsgruppe beizutreten. Als Mann im Team übernahm der Franzose dabei auch viele körperliche Arbeiten, half etwa beim Transport von Holzstücken sowie bei der Beseitigung von Abfall. Doch er sollte auch neue Eindrücke sammeln und zum Beispiel einige für ihn neue Holzbearbeitungstechniken lernen. „Es war das erste Mal, dass ich ein chinesisches Dorf besuchte“, erzählt er. „Ich hätte nie gedacht, dass in China eine so große Kluft zwischen den städtischen und den ländlichen Gebieten besteht. Chinas Städter streben nach Erfolg, Wohlstand und Fortschritt. Aber beim Besuch auf dem Land schienen sie noch perplexer als wir Ausländer.“

Überrascht zeigt sich der Franzose aber auch vom großen Umfang der infrastrukturellen Erschließung in China, selbst in entlegenen Landstrichen. „Die Straßen sind gut ausgebaut und allesamt von Laternen gesäumt. Dies unterscheidet sich stark von dem Bild, das ich im Kopf hatte, in dem die Menschen auf ganz natürliche Weise leben“, sagt Moriniere. „Zum Glück haben sich die Einheimischen in Malang aber ihre einfache Lebensweise im Grunde bewahrt. In Frankreich findet man das nur noch sehr selten.“ In Frankreich gebe es einige hundert Arbeitsgruppen zum Schutz von Altbauten, so dass es möglich sei, alle antiken Gebäude in gutem Zustand zu erhalten, sagt er. „Die klassische chinesische Architektur spiegelt die traditionelle Kultur des Landes wider. Der Baustil mit seinen Dachvorsprüngen erinnert uns an die chinesischen Schriftzeichen. Leider mangelt es in China aber vielerorts an einer ordnungsgemäßen Wartung und Pflege dieser Altbauten, so dass viele von ihnen von Zerfall bedroht sind und sie uns das traurige Gefühl geben, in Vergessenheit geraten zu sein“, sagt der Franzose.

Auf chinesischer Seite ist Su Chengfei mit im Team. Die 21-Jährige studiert Soziologie an der Nanjing-Universität und hat großes Interesse an klassischen chinesischen Holzbauten. Es war das erste Mal, dass sie sich als Freiwillige an einer derartigen Arbeitsgruppe beteiligte. „Ich hoffe, dass die Dorfbewohner durch unsere Restaurierungsarbeit die Schönheit und den Wert dieses alten Wohnhauses wieder entdecken und so den ländlichen Gebieten letztlich neue Dynamik eingehaucht wird.“

Auch Chen Hongmei, Studentin am Institut für Kultur und Geschichte an der Shandong-Universität, ist mit nach Malang gereist. Sie sagt: „Durch die Teilnahme hier vor Ort möchte ich meine an der Universität erworbenen Kenntnisse in die Praxis umsetzen.“ Viel wichtiger aber sei es, dass durch den Einsatz der Helfer das Bewusstsein der Einheimischen sowie der ganzen Gesellschaft für den Schutz antiker Bauwerke geweckt werde. „Hierin sehe ich die eigentliche Bedeutung unserer Arbeit“, sagt sie.

Wang Huiwen, Studentin im dritten Jahr im Fach Architektur, hat durch die Teilnahme an den Restaurierungsarbeiten ihre Fachkenntnisse erweitert. Am meisten beeindruckt hat sie dabei ihre Beschäftigung mit dem alten Tischlerhandwerk. „Eigentlich dachte ich, dass das Schlagen eines Einsteckloches für Zapfen kinderleicht ist. Aber ich sollte eines Besseren belehrt werden! Die Ausrichtung des Werkzeugs und die eingesetzte Kraft müssen genau aufeinander abgestimmt werden“, sagt sie. „Ob der Zusammenbau der Gitterfenster später gelingt, hängt letztlich von der präzisen Tiefe und Breite jedes einzelnen Einsteckloches ab. Jeder Schritt – vom Sägen und Hobeln über das Bohren bis hin zur Herstellung der Zapfen und der Montage, erfordert größte Geduld und Sorgfalt“, so die angehende Architektin.

Unter den Freiwilligen finden sich auch französische Studenten sowie chinesische Selbstständige und Ärzte. Alle sind fasziniert vom Charme der antiken chinesischen Bauten und verstehen die Dringlichkeit des Schutzes der alten Kulturgüter. Trotz der widrigen Umstände bei der Unterbringung vor Ort legte das gesamte Team bei seiner Arbeit großen Eifer an den Tag. 

Bildung als Schlüssel 

In China hat es mittlerweile insgesamt fünf derartige Arbeitsgruppen aus Freiwilligen gegeben, die sich für den Schutz des Kulturerbes engagierten. Alle gingen sie auf die Initiative der Ruan-Yisan-Stiftung zurück. Professor Ruan Yisan, Gründer und Namensgeber der Stiftung, lehrte vor seiner Pensionierung an der Shanghaier Tongji-Universität. Dank seiner Bemühungen wurde eine ganze Reihe von antiken Kulturstätten in verschiedenen chinesischen Städten und Kreisen wie Pingyao in der Provinz Shanxi, Dali in der Provinz Yunnan, Zhaohua in der Provinz Sichuan, Fenghuang in der Provinz Hunan und Zhouzhuang in der Provinz Jiangsu unter besonderen Schutz gestellt. Aufgrund seiner hervorragenden Verdienste wurde Ruan Yisan von der UNESCO zudem für den Schutz des Kulturerbes in der Asien-Pazifik-Region ausgezeichnet. Darüber hinaus verlieh man ihm die Insignien eines Ritters des Ordens für Kunst und Literatur der Französischen Republik. Trotz seines hohen Alters von 81 Jahren engagiert sich Professor Ruan bis heute aktiv im chinesischen Kulturerbeschutz.

„Eine meiner ursprünglichen Intentionen für die Gründung der Stiftung liegt in der Verbreitung der Kenntnisse über den Schutz antiker Bauten“, erklärt Ruan im Interview. Beim Schutz des kulturellen Erbes spiele Bildung eine zentrale Rolle. „Angesichts des riesigen chinesischen Territoriums ist der Schutz eines antiken Gebäudes oder einer Altstadt nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viel wichtiger ist es, dass wir Nachfolger finden, die unsere Arbeit fortsetzen. Sie sind unsere große Hoffnung“, sagt er. Deshalb nutzt Ruan jede Möglichkeit, Vorträge zu halten, damit sich auch immer mehr junge Menschen mit dem Kulturerbeschutz vertraut machen können.

Jedes Jahr gibt Professor Ruan rund 200.000 Yuan (rund 28.500 Euro) für die Erforschung der traditionellen chinesischen Architektur aus. Bei der Planung zur Gestaltung der Altstadt Pingyao beispielsweise lud er die lokalen Beamten zum Studium an die Tongji-Universität. So sollten sie den Wert der antiken Bauten besser einzuschätzen lernen. Dafür übernahm der Professor alle entstehenden Kosten aus eigener Tasche, von der Unterkunft bis zum Besuch des Ausbildungskurses. Zwischen 1984 und 1985 organisierte er insgesamt drei Kurse dieser Art, die große Erfolge erzielten. „Mir war klar, dass der Schutz des Kulturerbes der Unterstützung aus der gesamten Bevölkerung bedurfte. Auf Vorschlag eines Freundes gründete ich deshalb 2006 meine Stiftung. Ich hoffe, dass wir durch unsere Aktivitäten in Zukunft noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf den Schutz des städtischen Erbes lenken können.“

Das Bewusstsein schärfen  

In China schließen sich immer mehr Freiwillige Ruans Initiative an. Sie sind neben der Regierung zu einer wichtigen Kraft für den Schutz des Kulturerbes geworden. Und inzwischen hat auch die chinesische Regierung eine Reihe von neuen Gesetzen und Verordnungen in Bezug auf den Schutz alter Kulturdenkmäler ausgearbeitet. So trat beispielsweise im Jahr 1982 das Gesetz der Volksrepublik China über Denkmalschutz in Kraft. 2008 wurden zudem Vorschriften über den Schutz berühmter historischer Kulturstädte, -gemeinden und –dörfer verabschiedet. Bis zum Juni 2015 genehmigte der Staatsrat insgesamt 125 Anträge historischer Kulturstädte.

Auch die Lokalregierungen haben bei der Stadtplanung und dem städtischen Aufbau die Bedeutung des Schutzes der Altstädte erkannt und begonnen, von den Erfahrungen der entwickelten Länder zu lernen. Nehmen wir etwa Frankreich als Beispiel: Wie China verfügt das Land über zahlreiche historische Sehenswürdigkeiten und antike Bauten, von denen beinahe 40 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen wurden. Für die Instandhaltung dieser antiken Bauwerke gibt die französische Regierung jedes Jahr mehr als zwei Milliarden Euro aus. Emile Moriniere erklärt: „In Bezug auf den Kulturerbeschutz mangelt es den Chinesen bisher an ausreichender Sensibilität. Als wir zum Beispiel bei unseren Restaurierungsarbeiten in Malang eine Höhle zur Getreidelagerung entdeckten, war die erste Reaktion der chinesischen Freiwilligen, sie mit Erde zuzuschütten, anstatt sie instand zu halten. In Frankreich sind wir eher geneigt, das Antlitz antiker Bauten in seiner ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen.“ In China seien zwar gut erhaltene Tempelanlagen zu finden, es gebe aber auch historische Landschaftsgebiete, die aufgrund der touristischen Erschließung sehr chaotisch aussähen, so Moriniere. „Und noch etwas ist für mich völlig unverständlich: Viele Dorfbewohner mussten gegen ihren Willen ihren Wohnsitz von Malang in eine andere Gegend verlegen, damit das Dorf in Zukunft mehr Touristen anlocken kann. Hier wird Kulturerbeschutz mit Tourismusentwicklung verwechselt, Unbedeutendes wird über Bedeutendes gestellt“, so Morinieres Kritik.

Viele chinesische Freiwillige teilen Morinieres Ansicht. Wohnhäuser als praktische Einrichtung könnten besser erhalten werden, wenn sie auch tatsächlich bewohnt würden, so der einstimmige Tenor. Die starke Förderung des Tourismus unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen könne sich letztlich negativ auswirken. Dazu erklärt auch Professor Ruan: „Die Entwicklung des Tourismus und die Erhaltung des Kulturerbes sind an sich kein Widerspruch. Aber im Vergleich zur wirtschaftlichen Effizienz ist die Fortsetzung der traditionellen Kultur viel wichtiger. Wenn sie einmal verloren ist, wird es keine Möglichkeit mehr geben, sie wiederzuerlangen.“

Seit Tausenden von Jahren verkörpert die antike chinesische Architektur mit ihren traditionelle Holzkonstruktionen die Weltanschauung der Chinesen, die großen Wert auf die Harmonie zwischen Mensch und Natur, Familienangehörigen und ihren Nachbarn legen. Heute bemühen sie sich auch darum, das gemeinsame Bewusstsein für den Schutz des Kulturerbes zu fördern, damit die Weisheit der Vorfahren, die sich unter anderem in der architektonischen Kunst spiegelt, sowie die traditionelle chinesische Kultur eine Fortsetzung finden.

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