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Die Guiyu-Kinderakademie: Heimweh und Ideal eines Ehepaars |
· 2020-08-12 · Quelle:Beijing Rundschau |
Stichwörter: Kultur;Konfuzius | Druck |
Das Dorf Jiangbian befindet sich tief in den Bergen der Gemeinde Xiaoshajiang des Kreises Longhui in der zentralchinesischen Provinz Hunan. In diesem abgelegenen Dorf wuchs Huang Yongjun auf, der jetzt außerordentlicher Professor an der Pädagogischen Universität Hunan ist und in seinen Vierzigern ins Dorf zurückkehrte.
Seine Frau Mi Li war seine Mitstudentin an der Universität, die beiden studierten Politikwissenschaft. Seit vielen Jahren forschen sie auch über Konfuzianismus und ländliche Kultur. Derzeit ist Mi Li außerordentliche Professorin an der Universität Zentral- und Südchinas.
Anfang letzten Jahres hat das Ehepaar ihr Stammhaus im Dorf Jiangbian abgerissen und eine Akademie des klassischen Lernens namens „Guiyu“ aufgebaut. Der Name stammt aus dem Buch Gespräche des Konfuzius und bedeutet auf Deutsch „Rückkehr“.
Auf den Wunsch, in seine Heimatstadt zurückzukehren, um junge Menschen zu erziehen, hatte Konfuzius vor Tausenden von Jahren seine Nostalgie gesetzt.
„Diese Akademie trägt auch unser Heimweh“, sagte Huang Yongjun.
Heimweh trifft Ideal
Als Huang Yongjun mit Mi Li im Jahr 2003 in seiner alten Heimat akademische Feldforschung betrieb, entdeckten die beiden im Kreis Longhui eine kleine Privatschule. „Wenn es in Zukunft eine Chance dazu gibt, bauen wir auch eine solche Schule, oder?“ Die beiden, die zu dieser Zeit noch Masterstudenten waren, pflanzten einen Samen in ihre Herzen.
Mehr als zehn Jahre später keimte dieser Samen in den goldenen Weizenfeldern Südfrankreichs.
2014 ging das Ehepaar, das bereits Universitätslehrer geworden war, als Gastwissenschaftler nach Europa. Ihr Mentor brachte sie zu einem Bauernhaus, wo sie tagsüber mit einheimischen Bauern Kartoffeln ausgruben, Trauben pflückten, Marmelade machten und Rotwein herstellten, während man abends das eine oder andere Bierchen trank und unter dem Sternenhimmel plauderte.
„Dieses Leben hat uns verstehen gelehrt, dass die ländlichen Gebiete keine rückständige Welt sind, sondern ein Lebensraum zum Wachsen.“ Nach ihrer Rückkehr nach China beschlossen Huang Yongjun und Mi Li, im abgelegenen Dorf ihrer Heimatstadt „etwas Sinnvolles zu tun“.
Sie glauben, dass „nur in einer Ära der Aufschwungs der ländlichen Gebietes wir dieses Ziel erreichen können“.
Ein unbezahlbares Geschenk für Kinder in den Bergen
Im Juli 2019 wurde die Guiyu-Akademie des klassischen Lernens offiziell eröffnet.
Die Klassen der Akademie sind grundsächlich in zwei Teile gegliedert: Zum einen gibt es kostenlose Kurse für Kinder im Dorf nach der Schule und in den Winter- und Sommerferien und zum anderen gibt es Projekte für FaMi Lien aus der Stadt, bei denen Grundkosten wie Unterkunft und Verpflegung berechnet werden.
Die Schülerinnen und Schüler der Akademie kommen aus allen Altersgruppen, vom Kindergarten bis zum Gymnasium. Für eine so gemischte Klasse ist kein Lehrbuch geeignet.
Daher hat das Lehrerkontingent aus jungen Freiwilligen von Universitäten seine besonderen Fähigkeiten eingesetzt. Filme, Animationen, Musik, Gedichte, Blumenarrangements... Sie haben eine Welt geschaffen, die kaum ein Kind in den Bergen gesehen hat.
Huang Yongjun sagte, dass er die Kinder in den Bergen auch darin unterrichtet, wie man sich vor Betrug schützt, mit der U-Bahn fährt und sogar, wie man an einer Kreuzung sicher die Straße überquert. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie ratlos und panisch er selbst war, als er zum ersten Mal in die Stadt kam.
„Das Ziel unserer Klasse ist es, den Horizont der Kinder in den Bergen zu erweitern und sie wissen zu lassen, wie es in der Stadt aussieht, was die Kinder in der Stadt tun und wie man in der Stadt lebt“, sagte Huang Yongjun, „wir wollen nur, dass sie alles sehen“.
„Sehen“ ist ein Geschenk, das nicht in Geld gemessen werden kann. Huang Yongjun und Mi Li beschlossen deshalb, dass alle Kurse für Kinder in den Bergen kostenlos sind.
Der beste Kurs für Kinder aus der Stadt
Für die städtischen Kinder hat Guiyu-Akademie eine ganz andere Bedeutung.
Die Landschaft in den Bergen ändert sich mit den Jahreszeiten, damit geht die Änderung des Kursplans einher. Einige Eltern haben ihren Zweifel geäußert: „Die Projekte hier sind sehr gut und die Gebühren sind niedrig. Aber es gibt einen Nachteil: es fehlt ein fester Kursplan.“
Dagegen wendet Huang ein: „Die Guiyu-Akademie ist kein Lern- und Nachhilfeinstitut. Die Landschaft ist genau hier und die Berge und Flüsse sind genau hier. Dies ist der beste Kursplan.“ Er gibt ein Beispiel: „Wenn wir unsere Kinder mitnehmen, um das Ernten von Reis zu beobachten und wir die arbeitende Bauern antreffen, dann haben wir diesen Kurs. Wenn wir sie nicht antreffen, beobachten wir etwas anderes. Wie können wir da einen festen Kursplan erstellen?“
Der sechsjährige Paopao stammt aus der Stadt Guangzhou und verbrachte fünf Tage mit seiner Mutter Li Hua in der Guiyu-Akademie. „Paopao lebt seit seiner Geburt immer in der Stadt. Ich habe das Gefühl, dass seine Lebenserfahrung unvollständig ist“, sagte Li Hua. Sie erzählte, dass sie einmal einen Bauern getroffen hätten, der Reis erntete. Er benutzte eine Windmühle, um das Unkraut im Reis wegzublasen. Paopao blieb lange stehen, um diesen Vorgang zu beobachten. „Zu verstehen, wie eine Schüssel Reis hergestellt wird, gehört zum Erwachsenwerden von Paopao.“
Nach Ansicht von Huang Yongjun seien viele städtische Kinder der Last der „Übererziehung“ ausgesetzt. In der heutigen schnelllebigen Lern- und Ausbildungswelt ist das Streben nach Effizienz weitaus größer als die Freude am Lernen selbst.
Daher möchte das Ehepaar nicht nur, dass die Kinder in den Bergen alles „sehen“, sondern auch, dass die Kinder in den Städten wissen, dass es eine Art lang anhaltende Freude auf der Welt gibt, genau wie das Pflanzen von Samen im Frühling und das Ernten im Herbst.
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