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Wie ein ungebetener „Gast“ China und die ganze Welt in Atem hält

Von Marc-Stephan Arnold  ·   2020-02-04  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Frühlingsfest;Coronavirus
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In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal mit meinen chinesischen Schwiegereltern das chinesische Neujahrsfest gefeiert. Das wäre Grund genug für mich, einen Bericht über die Feierlichkeiten zum Frühlingsfest zu schreiben, gespickt mit einigen fröhlichen Fotos. Ganz so fröhlich wird dieser Bericht dann leider doch nicht.  

Warum nicht? Nun, ein widerlicher, winzig kleiner und äußerst unerwünschter „Gast“ hätte uns fast das Frühlingsfest versaut. Dieser kleine Fiesling hält inzwischen die ganze Welt in Atem. Die Rede ist natürlich von „2019-nCoV“, dem neuen Coronavirus, von dem inzwischen jeder gehört haben dürfte. 

Mittwoch, 22. Januar 2020 

Voll bepackt mit kleinen Geschenken und Knabberzeug geht es um drei Uhr morgens mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Nanyang in der Provinz Henan. In der Wartehalle Nummer 13 des Beijinger Westbahnhofs herrscht für chinesische Verhältnisse Totenstille, obwohl hier Hunderte Menschen auf den Zug warten. Alle haben Atemschutzmasken auf. Junge Männer sitzen auf Plastiktüten auf dem Boden und spielen mit ihren Smartphones. Junge Mütter treten von einem Bein aufs andere und versuchen, ihre quengelnden Kinder zu beruhigen, ältere Frauen und Männer sitzen auf den Bänken und schauen Ihnen lächelnd dabei zu. Reden tut kaum jemand. Endlich beginnt die Fahrkartenkontrolle.  

Mit über 300 Kilometern pro Stunde rasen wir unserem Ziel entgegen. Kaum vier Stunden später werden wir am Bahnhof von Xiao Hu, dem kleinen Bruder meiner Frau, abgeholt. „Habt ihr keine Atemschutzmasken dabei?“, fragt Xiao Hu erstaunt. Für den kurzen Weg zum Auto haben wir sie nicht aufgesetzt. Das bereuen wir jetzt. Um uns herum tragen alle eine. „In der Stadtverwaltung wird derzeit wohl diskutiert, ob eine Ausgangssperre empfohlen werden soll. Lass‘ mal, ich mache das“, sagt er, als ich Anstalten mache, unser Gepäck in den Kofferraum des Autos zu heben.   

Gegen Mittag geht die ganze Familie in ein Restaurant. Wir essen Hui-Mian, eine leckere Nudelsuppe, für die die hiesige Region wohl in ganz China bekannt ist. Was wir zu dieser Zeit noch nicht wussten, war, dass dies unser letzter Restaurantbesuch an diesem Frühlingsfest sein würde. Mehr noch: der Restaurantbesuch war das erste und zugleich letzte Mal, dass wir das Haus meiner Schwiegereltern für mehr als zehn Minuten verlassen würden.  

Donnerstag, 23. Januar 2020 

 

Obligatorische Dekoration: zum Frühlingsfest hängt jede chinesische Familie am Eingang ihres Hauses oder ihrer Wohnung die sogenannten 对联 (Duilian, dt. „Reimpaare, Spruchpaare“) auf, die Glück bringen und die Bewohner des Hauses schützen sollen. [Foto: MSA/BR] 

Die Zahl der mit 2019-nCoV Infizierten sowie der Verdachtsfälle steigt immer schneller.  

Trotz der wegen des Virus inzwischen etwas bedrückten Stimmung geht es weiter mit den Vorbereitungen auf das Frühlingsfest. Drinnen kocht meine Schwiegermutter mit ihren Töchtern chinesische Ravioli („Jiaozi“) und andere Köstlichkeiten, draußen hängen die Männer die Neujahrs-Spruchpaare („Duilian“) auf.  

Freitag, 24. Januar 2020 

Das Frühlingsfest ist da. Abends gibt es Jiaozi. Allerlei Spiele werden gespielt, darunter auch Majiang. Im Fernsehen läuft die Frühlingsfest-Gala, die alle nebenbei schauen. Die Stimmung ist trotz allem gut. Alle wünschen sich gegenseitig ein gutes neues Jahr. Die Kinder erhalten zum Neujahr neben anderen Geschenken auch „Hongbao“, rote Umschläge mit Geld darin. 

 

Beliebtes Geschenk: zum Frühlingsfest werden gerne „Hongbao“ verschenkt – rote Umschläge, in denen in China traditionell Geldgeschenke überreicht werden. [Foto: MSA/BR] 

 

Eine Partie Mahjong (麻将,majiang) gefällig? In China wird es nicht nur zum Frühlingsfest überall gespielt, während der Frühlingsfestferien aber fast in jedem Haushalt. [Foto: MSA/BR] 

Bis weit nach Mitternacht wird gespielt, ferngesehen, Musik gehört, gegessen und getrunken. Zumindest für ein paar Stunden haben alle eine gute Zeit.  

Samstag, 25. Januar 2020 

Wie wir heute aus dem Coronavirus-Nachrichtengewitter auf WeChat hören, wurden Anfang Januar sieben oder acht Ärzte in Wuhan unter Arrest gestellt, da sie versucht hatten, die Öffentlichkeit über ein neues, SARS-ähnliches Virus zu warnen. Die Begründung der Behörden Wuhans für den Arrest lautet, dass die betreffenden Personen „schädliche Gerüchte“ verbreitet hätten. WeChat-Nutzer im ganzen Land sind empört über die Entscheidung der Behörden, welche von selbigen schließlich revidiert wird. 

Mein Schwiegervater hat unterdessen die Reservierung in einem bekannten Restaurant der Stadt abgesagt. Man müsse jetzt keine unnötigen Risiken eingehen, sagt er, vor allem, da die Stadt inzwischen den ersten Verdachtsfall einer Ansteckung mit dem neuen Virus habe.  

Ja, das Virus. Immer wieder. So langsam fängt der kleine Fiesling an, uns das Frühlingsfest zu versauen. Aber wir geben uns nicht geschlagen. Meine Schwiegereltern beschließen, dass das zweite Festessen nun eben zu Hause stattfindet, auch wenn das eigentlich nicht so geplant war. Nur zwei Stunden später bin ich – wieder einmal – erstaunt, wie viele tolle Gerichte meine Schwiegermama in so kurzer Zeit zubereiten kann. 

 

So viele Gerichte, dass sie gar nicht alle aufs Foto passen: so sieht ein typischer, reichlich gedeckter chinesischer Esstisch zum Frühlingsfest aus. In der Mitte übrigens die chinesischen Ravioli („Jiaozi“), das allgemein wahrscheinlich beliebteste und bekannteste Gericht zum chinesischen Neujahr. [Foto: MSA/BR] 

Nach dem leckeren Essen wird Karten gespielt, wobei der oder die Verlierer das ein oder andere Gläschen chinesischen Schnaps („Baijiu“) trinken muss. 

 

Nach dem Essen wird gespielt. Die Verlierer müssen/dürfen Schnaps trinken. Für gute Stimmung ist also – zumindest an diesem Nachmittag – gesorgt. [Foto: MSA/BR] 

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