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„Die Seidenstraßen-Initiative bietet Europa viele Chancen“ |
Von Verena Menzel · 2017-06-07 · Quelle:China Heute |
Stichwörter: Thomas Wagner | Druck |
Jahrhundertprojekt „Ein Gürtel und eine Straße“
Heute, im Jahr 2017, wirbt China wieder um Zusammenarbeit, diesmal nicht als ein Land, das gerade erst seine wirtschaftliche Öffnung vollzogen hat, sondern als ökonomisches Schwergewicht der Weltwirtschaft. Um seine Initiative „Ein Gürtel und eine Straße“ voranzutreiben, lud die chinesische Regierung vom 14. bis 15 Mai zum ersten internationalen Seidenstraßen-Forum nach Beijing ein. Und die Weltgemeinschaft folgte dem Ruf. Mehr als einhundert Länder entsendeten Delegationen nach China. Russlands Präsident Wladimir Putin und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan sprachen neben Xi Jinping im Rahmen der Eröffnungszeremonie.
Aus der Europäischen Union reisten die Ministerpräsidenten Polens, Ungarns, Tschechiens und Griechenlands in die chinesische Hauptstadt, Italien war mit Ministerpräsident Paolo Gentiloni vertreten, aus Spanien kam Ministerpräsident Mariano Rajoy. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierministerin Theresa May allerdings ließen sich durch Minister vertreten und auch Frankreich entsendete kurz nach dem Amtswechsel kein Staatsoberhaupt. Für Deutschland nahm letztlich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries an der Großveranstaltung teil.
Im Rahmen seiner Belt-and-Road-Initiative plant China, weiträumig in Infrastrukturprojekte zu investieren. Es geht um ein Netzwerk aus Straßen, Eisenbahnen, Häfen und Flughäfen zwischen Asien und Europa und auch um die Errichtung von Pipelines und Kraftwerken. So soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die berühmte antike Handelsroute der Seidenstraße von neuem auferstehen, so die Vision des chinesischen Präsidenten. Xi hat angekündigt, rund 900 Milliarden Dollar in das Mammutvorhaben zu investieren. Damit ist das Unterfangen das größte Investitionsprogramm seit Jahrzehnten.
Im Westen aber ist man sich uneins, wie Chinas Vorstoß zu bewerten ist. Muss sich Europa vor dem langen Arm der Seidenstraße fürchten? „Sicher nicht“, sagt Wagner. „Aber man darf und soll ein solches Projekt auch kritisch hinterfragen, wie es gerade in Europa geschieht“, sagt er. Es wäre sicher falsch, nur positive Worte dafür zu finden.
„Ich bin der Meinung, kritische Stimmen sind durchaus erlaubt und auch notwendig. Es ist nicht alles gut und nicht jeder Fortschritt der Menschheit ist im Ergebnis gewinnbringend und macht uns glücklicher. Man sollte, meiner Meinung nach, stets genau hinterfragen. Es ist gefährlich, nur eine Seite der Medaille zu sehen und nur in eine Richtung zu denken. Ich finde das Seidenstraßen-Projekt als solches hochinteressant und auf alle Fälle unterstützenswert“, sagt der Präsident der Gesellschaft Schweiz-China, aber man dürfe eben auch Fragen stellen, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen.
Die Schweiz beteilige sich schon seit der ersten Stunde an dem Projekt. „Unser Land hat zum Beispiel eine ganz zentrale Rolle bei der Entwicklung der Asian Infrastructure Investment Bank, kurz AIIB, gespielt. Zwar sind wir kapitalmäßig nicht stark beteiligt, aber wir haben schon bei der Gründung mitgewirkt. Die guten Beziehungen zwischen der Schweiz und China geben uns sicher die Möglichkeit, in Zukunft an verschiedenen Projekten im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative teilzuhaben“, so Wagner.
Überhaupt übernehme die Schweiz in den Beziehungen zu China in vielen Feldern eine Pionierfunktion in Westeuropa, so die Einschätzung des ehemaligen Züricher Stadtpräsidenten. Und das scheint man auch in China ähnlich zu sehen. So reiste denn Stadtpräsident Xi Jinping anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos im Januar 2017 eigens zu einem viertägigen Staatsbesuch in die Schweiz, ohne dabei noch weitere europäische Länder zu besuchen. In Davos hielt er schließlich eine flammende Rede für freien Handel und gemeinsame Prosperität. Und das zu einer Zeit, in der in vielen Staaten protektionistische und nationalistische Tendenzen auf dem Vormarsch sind.
Beim Belt-and-Road-Forum Mitte Mai in Beijing war die Schweiz mit Bundespräsidentin Doris Leuthard vertreten, was Wagner als wichtiges Signal wertet. „Während bedeutende westeuropäische Länder nicht mit ihren höchsten Würdenträgern in dieser Konferenz anwesende waren, hat die Schweiz Präsenz gezeigt.“ Das sei wichtig und schaffe Vertrauen, so Wagner.
Generell liege der Schlüssel für gute Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und China in einem vertrauensvollen und offenen Umgang miteinander, sagt er. China habe in Europa vielerorts ein Wahrnehmungsproblem und müsse in Sachen Softpower aufholen, auch wenn in China hergestellte Produkte in der Schweiz im Alltag längst allgegenwärtig seien.
Mit dem Begriff der neuen Seidenstraßen könne die einfache Bevölkerung in der Schweiz bisher nur wenig anfangen, so Wagner. „Der Allgemeinheit ist der Begriff kaum bekannt. Wenn Sie allerdings Menschen fragen, die mit Asien zu tun haben, dann ist ,One Belt One Road‘ diesen durchaus ein Begriff. Ich glaube, es ist nun eine unserer Aufgaben, auch der Gesellschaft Schweiz-China, der ich vorstehe, auf dieses gigantische und auch zukunftsweisende Projekt aufmerksam zu machen. Es handelt sich hier nämlich nicht um ein Projekt des Jahres 2017, sondern ein Vorhaben, das sich über Jahrzehnte erstrecken wird“, umreißt Wagner die Tragweite des Vorstoßes.
Denn trotz der scheinbar großen räumlichen Entfernung zum Reich der Mitte, biete die Seidenstraßen-Initiative den Ländern Europas zahlreiche Möglichkeiten der Zusammenarbeit: „Die Chancen für den europäischen Markt sind sehr hoch, da wir in Europa eine sehr gut ausgebildete und perfektionierte Industrie vorweisen können, etwa im Bereich des Bahnwesens, der baulichen Anlagen und dem Ingenieurwesen sowie auch im Bereich der Luftfahrttechnik. Auch im Bereiche des Umweltschutzes haben wir reiche Erfahrungen und so können wir darauf hinwirken, dass wirtschaftlicher Erfolg und Umweltschutz sich nicht ausschließen, sondern ergänzen. Ich glaube, wir haben in Europa auch sehr starke Möglichkeiten, uns kulturell, zum Beispiel durch die Erhaltung schutzwürdiger Gebiete und Siedlungen, wissenschaftlich sowie wirtschaftlich einzubringen“, so Wagner.
Auch der Schweiz, da ist Wagner zuversichtlich, werden sich im Rahmen des Großprojektes neue Chancen bieten, wenn auch in kleinerem Umfang. „Im Falle der kleinen Schweiz wird es hier sicherlich um Nischenfunktionen gehen, die allerdings sehr entscheidend sein können. Ich denke da etwa an den Bereich der Finanzierung, wo die Schweiz traditionell stark ist, aber auch an den Bereich elektrotechnischer Anlagen, hier sind wir ebenfalls hochspezialisiert.“ Denkbar wären für ihn auch Kooperationen im Bereich Sicherheitsmaßnahmen und Sicherheitstechnologie - zwei Bereiche, die weltweit immer notwendiger würden. Außerdem verfüge die Schweiz über ein ausgezeichnetes Management, unter anderem etwa auch im öffentlichen Nahverkehr. Auch hier könne man voneinander lernen, so Wagner.
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