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Leben im Schoß der Natur: Die faszinierende Kultur der Miao

Von Zhao Yanqing  ·   2021-12-28  ·  Quelle:China Heute
Stichwörter: Miao;Volksgruppe;Kultur
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China ist ein ethnisch-kulturell vielfältiges Land. Neben der größten Bevölkerungsgruppe, den Han-Chinesen, leben im Reich der Mitte noch 55 weitere Ethnien. Eine davon ist die Volksgruppe der Miao. Sie hat tiefe historische Wurzeln und pflegt bis heute ihre reiche Kultur und ihre eigenen alten Volksbräuche. Die Miao sind bekannt für ihre farbenfrohen Trachten, ihre traditionelle Liebe zu Gesang und Tanz und ihre einzigartige Architektur. Im Laufe der Geschichte waren die Miao ständig auf Wanderschaft, immer in Bewegung. In neuerer Zeit hat sich ein Teil der Volksgruppe allmählich in verschiedenen Ländern Südostasiens niedergelassen, einige sind gar bis nach Europa und Amerika ausgewandert. In China konzentrieren sich die Miao heute hauptsächlich auf acht Provinzen, autonome Gebiete und Städte, und zwar im Südwesten und Süden Chinas. Die meisten Vertreter leben in der Provinz Guizhou. 

 

Traditionelle Bambusarchitektur vor malerischer Flusslandschaft: Das Miao-Dorf Xijiang Qianhu am Baishui-Fluss zieht jedes Jahr zahlreiche Touristen an. 

Leben im Schoß der Natur 

Historiker haben herausgefunden, dass die Miao aus Xijiang, Provinz Guizhou, die direkten Nachfahren von Chiyou sind, dem Anführer des frühgeschichtlichen Jiuli-Stammes. Nach vielen Kriegen und einem Leben als Nomaden suchten sie einst in einer abgelegenen Bergregion Zuflucht und ließen sich schließlich am Fuße des Leigong-Gebirges in der heutigen Autonomen Präfektur Qiandongnan der Miao und Dong im Südosten Guizhous nieder. Dort bauten sie ihre Behausungen, passten sie an die natürliche Umgebung der Berge an und legten Terrassenfelder an. Über Jahrtausende setzten sie hier ihre traditionelle Lebensweise fort. 

Die Volksgruppe der Miao lebt seit Generationen von der üppigen Vegetation der Gebirgs- und Flusslandschaften ihrer Heimat. Das Miaoling-Gebirge in Guizhou gilt als Wasserscheide zwischen dem Perlfluss und dem Jangtse. Seinen Namen hat es der großen Gemeinschaft von Miao-Leuten in der Gegend zu verdanken. Kaili, die Hauptstadt von Qiandongnan, gilt als Perle des Miaoling-Gebirges. Nur zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt schlängelt sich der kristallklare Bala-Fluss durch das Tal. Auf den Gipfelklippen zu beiden Flussufern liegt eine Ansammlung von Miao-Dörfern wie Perlen zwischen den grünen Gipfeln verstreut. Die charakteristischen Stelzenhäuser der Miao-Familien mit ihren schwarzen Dächern und braunen Wänden liegen im kühlen Schatten der Bambuswälder. 

Das Miao-Dorf Xijiang Qianhu in der Gemeinde Xijiang im Kreis Leishan, das ebenfalls zum Verwaltungsgebiet der Stadt Kaili gehört, ist das größte Miao-Dorf der Welt. Es setzt sich aus insgesamt vier Verwaltungsdörfern zusammen, nämlich Dongyin, Nangui, Yangpai und Pingzhai. Die Hälfte der Berghänge ist von geschichteten Stelzenhäusern gesäumt, die die alte Kultur der Miao bewahrt haben. Die Architektur fügt sich harmonisch in die natürliche Umwelt ein. 

Mit dem Aufkommen des Tourismus wurde das Dorf auf beiden Seiten des Baishui-Flusses aufgewertet. Heute werden hier Besucher verköstigt und beherbergt. Der Ort bietet ihnen alle notwendigen Reiseannehmlichkeiten. Es gibt Läden und Imbissstuben, Gasthäuser und Freiluftmärkte. In den Straßen und Gässchen werden überall lokale Spezialitäten angeboten. Kleine Shuttle-Autos kutschieren die Besucher durch das Dorf. Wer möchte, kann die Gegend aber auch zu Fuß erkunden und über die schroffen Steintreppen im alten Dorfkern zu den traditionellen Pfahlbauten der Miao-Familien am Hang hinaufsteigen. 

Am Morgen sieht man die Männer und Frauen des Dorfes, wie sie Lasten auf ihren Schultern die moosbedeckten Stufen hinauf- und hinabbalancieren. Hunde beobachten die Einheimischen und die Fremden bei ihrem alltäglichen Treiben. In den Stelzenhäusern ist eine Mischung aus Stimmen und Hühnergackern zu vernehmen. Blühende Wildblumen bahnen sich still ihren Weg durch die Ritzen der dicht mit Moos bewucherten Bodenbeläge. Eine alte Frau trocknet Getreide auf einer hölzernen Terrasse in der Sonne, in der Nähe hängt eine Holztafel über einem Hauseingang. „Frieden für diese Familie“ heißt es darauf. Die kräftigen Frauen des Dorfes hängen ihre Decken auf und legen Reis zum Trocknen aus. 

Über den Baishui-Fluss, der sich durch das Dorf schlängelt, führen sieben sogenannte „Wind-und-Regen-Brücken“. Diese traditionellen Brücken dienen nicht nur dem Verkehr, sondern sollen auch Schutz vor Regen bieten. 

Die Menschen, die in dem alten Dorf leben, sind gastfreundlich und ehrlich. Während meines Aufenthaltes hier im Dorf nehmen mich die Einheimischen oft in ihren Privatautos mit. Sollte man sich einmal verlaufen, besteht kein Grund zur Sorge. Man muss nur an einem der Höfe, aus dem Gesprächsgewirr dringt, halt machen und mit lauter Stimme rufen. Sofort wird ein Holzfenster aufgestoßen, ein alter Mann oder eine alte Frau wird den Kopf herausstrecken und Weganweisungen in einfachem Hochchinesisch geben. Man wird beschreiben, welche Route die kürzeste ist und welche die längste, welcher Weg sich leichter zu Fuß zurücklegen lässt und wo es rau und uneben wird. 

Ein Brokat aus Grün und Goldgelb: Die Miao bei der Reisernte auf ihren Terrassenfeldern. 

Jahrhunderte alte Landwirtschaftstradition 

Am Rande des Dorfweges glitzern die goldgelben Reisterrassen in der Sonne. Die erntereifen Ähren beugen sich vornüber, als verbeugten sie sich vor der Erde als Dank für das Leben, das sie ihnen gespendet hat. Die goldenen Reisreihen an den Hängen und Flussufern werden unterbrochen vom satten Grün der Gräser an den Feldrändern. Zusammen verweben sie sich zu einem goldenen Naturbrokat bestickt von der Hand des Himmels. 

Die Dorfbewohner bauen hier an den Hängen tief in den Bergen Getreide und Gemüse an. Dabei haben sie sich ihre alten landwirtschaftlichen Anbau- und Erntemethoden bewahrt, so etwa das Brandroden, und schaffen Szenen, die an wunderschöne Kunstwerke erinnern. Junge Miao-Paare sind zu sehen, wie sie gemeinsam auf dem Feld arbeiten. Die Frau schneidet den Reis, dann schlägt der Mann die Reisbündel gegen ein Holzfass, um die Körner von ihrer Schale zu trennen. Während der Arbeit schwatzen und plaudern die jungen Leute, es wird viel gelacht und gelächelt, das Glück steht ihnen in die Gesichter geschrieben. 

Nach der Ernte werden die Reisbündel zur besseren Handhabung feinsäuberlich geordnet. Die Selbstversorgung durch das Landleben ist eine Lebensweise, die die Miao seit Generationen an ihre Nachkommen weitergeben. Bis heute pflegen die Familien hier ihre traditionelle Lebens- und Arbeitsweise, unbeeindruckt von den staunenden Touristenscharen, die durch ihre Dörfer pilgern. 

Der rhythmische Klang des gedroschenen Reises vermischt mit dem Gesang der Vögel wird hier zu einer der schönsten Melodien der Welt. Das Extrahieren der Reiskörner ist eine zermürbende Arbeit. Die Bauern schlagen den Reis zunächst gegen quadratische Fässer. Nach der Trennung von der Schale purzeln die kleinen Körner wie tausende Perlen in diese Behältnisse. Dies alles geschieht noch von Hand, ganz ohne die Hilfe von Maschinen. 

 

Mehrere Köchinnen verderben nicht den Brei: Im Miao-Dorf Xijiang Qianhu werden an Straßenständen lokale Köstlichkeiten für Touristen angeboten. Unser Bild entstand am 7. Oktober 2020. 

Kleidung mit besonderen Motiven 

Die traditionellen schwarz-blauen Trachten der Miao sind das Ergebnis der geschickten Handarbeit der Miao-Frauen. Wenn sie durch die Dorfstraßen spazieren, ihre Waren feilbieten oder auf dem Feld arbeiten, geschieht das stets in Kleidung, die an die Farben der Berge und Flüsse erinnert. Die Kleider der Frauen sind mit Naturmotiven wie Blumen, Gras, Phönixen, Elstern und Eisvögeln bestickt. Der Stoff wiegt beim Gehen seitwärts nach rechts und links. 

Die Legende besagt, dass einst die „Schmetterlingsmutter“, die Urmutter der Miao, aus einem alten Ahornbaum entsprungen sein soll. Deshalb pflanzen die Miao in ihren Dörfern bis heute Ahornbäume an. Das soll den Dorffrieden wahren. Auch an den Enden der Brücken werden Ahornbäume gepflanzt. Sie sollen die Passierenden sicher über den Fluss geleiten. Das Pflanzen der Bäume an Feldrändern bringt dem Volksglauben nach eine reiche Ernte. Und gibt es einen Krankheitsfall in der Familie, wird Weihrauch verbrannt, es werden respektvolle Rituale vollzogen und ein rotes Tuch wird an einen Ahornbaum gehängt, um die Krankheit zu vertreiben. Auch beim Hausbau kommen Ahornbäume zum Einsatz, vor allem als Säulen des Hauses. Das soll den Kindern des Hauses Wohlergehen garantieren. Gedeihen die Ahornbäume gut, gilt ein Siedlungsgebiet als glückverheißend, sterben sie, gilt dies als schlechtes Omen und Zeichen zum Aufbruch. All dies sind Beispiele für die kulturelle Verehrung der Ahornbäume, die in den Miao-Dörfern bis heute sichtbar ist. 

Die legendäre „Schmetterlingsmutter“ soll der Legende nach einst zwölf Eier gelegt haben. Aus einem davon soll einst ein entfernter Vorfahre der Volksgruppe der Miao geschlüpft sein. Auf Brust und Schultern, Manschetten und Knöpfen der Damenbekleidung der Einheimischen sind deshalb Bilder von flatternden Schmetterlingen eingewebt. Sie sollen den Einheimischen Schutz und Wohl bringen. Auch der Ahornbaum darf natürlich in Dekorationen des Miao-Handwerks nicht fehlen, da er ebenfalls eine so besondere Verwandtschaft mit den Vorfahren der Miao hat. Schmetterling und Ahornbaum gelten als zwei der wichtigen Symbole und Glücksbringer der Miao. 

Silberne Ornamente sind ein weiteres Charakteristikum des dekorativen Schmucks der Miao-Leute. Für die Miao ist Silberschmuck aber nicht bloß eine schöne Dekoration. Die Menschen glauben fest daran, dass Silber böse Geister abwehrt und Glück bringt. Wer die Miao an Festtagen in traditioneller Tracht schon einmal bei ihren Gesängen und Tänzen beobachten durfte, gekleidet in ihre glitzernden und klirrenden Silberjuwelen, wird diese Szene wohl nie mehr vergessen. 

Heute findet man in Qiandongnan, der Region mit der weltweit größten Vielfalt an gut erhaltenen Miao-Kostümen, mehr als 200 Arten solcher Kostüme. Die Region gilt als „Miao-Kostümmuseum“. Die Stile und Designs der örtlichen Trachten sind Spiegel der Höhen und Tiefen ihrer großartigen Geschichte und eine wertvolle Ansammlung ihrer reichen Kultur. Am Eingang des alten Dorfes Xijiang sind die Einheimischen, die hier die Besucher empfangen, in über 20 verschiedene Arten schillernder Trachten gehüllt. Besonders während des Drachenbootrennens, das der Kreis Shibing jedes Jahr am Wuyang-Fluss austrägt, bekommt man einen Einblick in die enorme Vielfalt der traditionellen Miao-Mode. Dann führen die jungen Miao-Damen, die an der Kleidershow teilnehmen, viele Varianten traditioneller Miao-Kleider vor. Manche der traditionellen Trachten sind nicht wirklich alltagstauglich, bestätigt jedoch ein Mädchen, das eine schwere Halskette trägt. „Es ist schon sehr ermüdend, solch eine Kette mit sich herumzutragen“, sagt sie und bietet mir an, es einmal auszuprobieren. Der Silberschmuck wiegt tatsächlich einige Kilogramm. Der Kleidungsstil der Miao-Männer sieht heute hingegen dem der Han-Chinesen sehr ähnlich. Man wird sogar ältere Miao-Leute sehen, die zu Festtagen traditionelle Kleider der Han-Chinesen tragen. Handgefertigte Miao-Kleidung wird heute meist nur noch als Kostüm für Aufführungen verwendet. 

*Zhao Yanqing ist Reisekolumnist.   

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