Volljährige Chinesen, die beim Frühlingsfest nach Hause kommen und noch nicht verheiratet sind, müssen sich oft einiges über die Institution der Ehe erzählen lassen - was sie daran erinnert, welche Schande es ist, ledig zu sein.  

Das Frühlingsfest ist die wichtigste Feierlichkeit in China, wobei das Zusammenkommen der Familie im Mittelpunkt steht. Es ist ein bisschen so wie Erntedank und Weihnachten zusammen. Mittlerweile ist die unvermeidliche Reisewelle der Heimkehrenden dank des rapiden Ausbaus des Hochgeschwindigkeitsnetzes einfacher geworden. Was sich nicht geändert hat, ist eine regelrechte Bombardierung mit Fragen und guten Ratschlägen an die Unverheirateten. Wäre es nicht an der Zeit, sich an jemanden zu binden? Ich kenne jemanden, der jemanden in der Stadt kennt, der dich mit jemanden zusammenbringen kann. Warum bist du so wählerisch? Sobald du ein bestimmtes Alter überschritten hast, wird dein Wert auf dem Markt rapide abstürzen. Sei doch realistisch! Finde jemanden, selbst wenn er/sie deinen Anforderungen nicht gerecht wird.

Während manche Ratschläge vielleicht gut gemeint sein mögen, stellen andere entnervte Eltern ihren ledigen Kindern ein Ultimatum: Komme zurück mit einem Partner oder einer Partnerin, oder wir enterben dich! Die Großeltern sind in dieser Frage üblicherweise weniger drängend. Doch in ihren Aussagen ist oft eine verschleierte Drohung versteckt: Du weißt doch, dass ich alt werde. Kannst du mich nicht vor meinem letzten Atemzug mit einem Enkelkind glücklich machen? Der Trieb chinesischer Eltern, das Leben der Kinder zu diktieren und vorzugeben, ist legendär. Während die meisten Eltern es ablehnen, dass sich ihre Kinder in der Schule oder auf der Universität zu Rendezvous verabreden, erwarten sie von ihren Kindern, dass sie den idealen Partner ein oder zwei Jahre nach Schul- bzw. Universitätsabschluss finden. Und viele finden es höchst unschicklich, wenn sie beim chinesischen Neujahrsfest - dem wichtigsten chinesischen Feiertag - keinen passenden Partner präsentieren.

In dieser Frage geht es nicht nur um die Eltern, sondern mitunter um das ganze Dorf, das in den Heirats-Chor einfällt. Es kann sein, dass der ehemalige Schulfreund "zufällig" mit einem Kleinkind im Schlepptau auftaucht. Nachbarn grüßen mit einem freundlichen "Du kommst ganz alleine nach Hause?". Und aus offeneren Zeitgenossen platzt es heraus: "Du wirst nicht jünger. Du solltest an eine Ehe denken." Manche Verzweifelte behelfen sich damit, dass sie einen Freund oder eine Freundin über die Feiertage "mieten". Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man mit einer echten Person auftauchen sollte. Mitunter stehen auch die Eltern selbst unter Druck. Je kleiner das Heimatdorf, desto mehr wird auf sie ausgeübt, den sie dann wiederum an die Kinder weitergeben.

Mittlerweile gehen manche Unverheiratete den umgekehrten Weg und laden die Eltern in die - größere - Stadt ein, in der sie arbeiten. Dort können sich die Eltern dann überzeugen, dass die Kinder mit ihrem Status eigentlich ganz glücklich sind. Das hat auch den Vorteil, dass sich Freunde und Nachbarn nicht mehr in die eigenen Angelegenheiten einmischen können. Viele können dann auch die Gelegenheit nutzen, den Eltern die eigene Situation in Ruhe zu erklären. Viele Lebensumstände haben sich seit der Zeit der Elterngeneration verändert. Diese selbst zu erleben kann den Eltern helfen, diese neue Situation besser zu verstehen. Für einige kann eine späte Heirat oder ein Leben als Single eine gute Wahl sein, dafür gibt es in den großen Städten viele Beispiele. (Quelle: german.china.org.cn)