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Der etwas andere Botschafter |
· 2018-06-05 · Quelle:german.china.org.cn |
Stichwörter: Botschafter;USA;Berlin | Druck |
Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, verärgerte diesen Sonntag mit einem Interview mit Breitbart London die Politiker in Berlin. Darin sagte er für einen Diplomaten ungewohnt offen, dass er die konservativen Kräfte in Europa stärken wolle.
Ganze 15 Monate hatte das Warten gedauert bis es am 26. April pünktlich zu Angela Merkels US-Besuch durch Präsident Donald Trumps Mitteilung, dass der 51-jährige Richard Grenell vom Senat als neuer US-Botschafter in Berlin bestätigt worden sei, beendet wurde. In den darauf folgenden sechs Wochen hat sich gezeigt, dass Grenell seinem Chef in Sachen Kontroverse das Wasser reichen kann. Vor allem das aktuelle Interview mit Breitbart, in dem er sagte, er wolle die konservativen Kräfte in Europa stärken, hat nun zu einem neuen Höhepunkt der Irritationen geführt.
Verstimmung schon vor Beginn
Dass die Botschafterstelle in Berlin so lange vakant geblieben war, lag daran, dass die Demokraten im amerikanischen Senat Trumps Kandidaten blockiert hatten. Neben dem traditionell schlechten Verhältnis zwischen Demokraten und Republikanern in Amerika, lag die ablehnende Haltung der Demokraten gegenüber Grenell vor allem an dessen Twitter-Historie, in der er mehrmals mit sexistischen Kommentaren aufgefallen war. So empfahl er der TV-Moderatorin Rachel Maddow 2011 „einmal durchzuatmen und eine Halskette umzulegen“ oder fand, dass Hillary Clinton immer mehr Madeleine Albright ähnele. Der demokratische Senator Bob Menendez hätte sich einen „seriösen, ernstzunehmenden Kandidaten gewünscht“, nannte Grenells Aussagen dagegen „inakzeptabel“ und stimmte wie viele Demokraten gegen dessen Ernennung, da er sich Sorgen mache: „Wird er auch die weibliche Kanzlerin beleidigen?“
Grenells Ankunft wurde dann von den deutschen Politikern diplomatisch gehändelt. So tweetete zum Beispiel Bundeswirtschaftsminister nach einem ersten Treffen über ein „gutes + konstruktives Gespräch heute beim Antrittsbesuch von US-Botschafter @RichardGrenell.“
Doch erste verwunderte Stimmen ließen nicht lange auf sich warten, als Grenell nach dem US-Rückzug aus dem Iran-Deal Anfang Mai deutschen Unternehmen scheinbar nahelegte, ihre Irangeschäfte „sofort runterzufahren“. Viele deutsche Spitzenpolitiker wie die SPD-Chefin Andrea Nahles ließ dieser Tweet Grenells diplomatisches Know-How anzweifeln und entsprechend reagieren: „Aber ein bisschen Nachhilfe [in Diplomatie] scheint er zu gebrauchen.“ Der Linksfraktionschef Fabio de Masi forderte gar, den Botschafter „sofort einzubestellen,um ihm die internationale Rechtsordnung zu erklären.“ Grenell selbst stand weiterhin zu seinem Tweet, fühlte sich jedoch missverstanden. Dieser sei „kein Befehl, keine Anweisung“. Weiterhin erklärte er seine deutlichen Worte in der Iran-Frage wie folgt: „Wenn man Krieg vermeiden will, verfügt man besser über Diplomaten, die bereit sind, hart zu sein.“
Hilfe für konservatives Lager?
Nun sorgte sein Interview mit dem als rechtskonservativ geltendem Blatt Breitbart für Aufsehen. Darin sagte er, er wolle die „anderen Konservativen in ganz Europa stärken“ und lud gleich im Nachgang den konservativen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz nach Berlin ein, den er als „Rockstar“ bezeichnete. Vor allem diese Äußerung sorgte für heftige Kritik bei deutschen Politikern aller Parteien. So fand Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht: „Wer wie US-Botschafter Richard Grenell meint, nach Gutsherrenart bestimmen zu können, wer in Europa regiert, der kann nicht länger als Diplomat in Deutschland bleiben.“ Auch der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz reagierte eindeutig: „Was dieser Mann macht, ist einmalig in der internationalen Diplomatie.“ Von Omid Nouripour, dem außenpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, heißt es: „Das amerikanische Volk sollte von seinem Vertreter in Deutschland parteipolitische Neutralität erwarten können. Denn er vertritt alle Amerikaner, nicht nur Breitbart und Fox News.“ Die Kritik zielt grundsätzlich darauf ab, dass ein Botschafter nicht Vertreter einzelner politischer Strömungen sei, sondern Vertreter des ganzen Staates. „Wenn der deutsche Botschafter in Washington sagen würde, ich bin hier, um die Demokraten zu stärken, dann würde er sofort rausgeschmissen", so Schulz in einer weiteren Reaktion. Er hoffe, dass Grenell seine Tätigkeit als Botschafter nicht lange ausüben werde. Die Bundesregierung bat Grenell, seine Äußerungen bei seinem Antrittsbesuch im Auswärtigen Amt zu erläutern, wie ein Sprecher des Amts mitteilte. Demokraten aus den USA stimmten in die Kritik mit ein. Die Senatorin Jeanne Shaheen sagte zum Beispiel: „Wenn Botschafter Grenell ungewillt ist sich mit politischen Aussagen zurückzuhalten, sollte er sofort zurückberufen werden [...] Wir sollten keinen Botschafter haben, der versucht sich in die politischen Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.“
Das amerikanische Außenministerium relativierte die Aussagen und erklärte, dass Grenell in dem Interview lediglich „allgemeine Beobachtungen machte.“ Grenell selbst verteidigte sich vehementer, indem er auf Twitter wie folgt zu den Anschuldigungen Stellung nahm: „Absurd. Ich verurteile diese Kommentare komplett [...] Die Idee, dass ich Kandidaten/Parteien unterstütze ist lächerlich.“
Undiplomatische Diplomatie
Generell erklärte er seine gelegentlich unorthodoxen Äußerungen schon Anfang Mai damit, dass er einen anderen Stil hätte: „Diplomat zu sein, bedeutet für mich, Klartext zu sprechen - gerade gegenüber Freunden.“ Dies weicht von dem üblichen Verständnis eines Diplomaten ab, wonach sich dieser neutral verhält und eindeutige Stellungnahmen in bestimmte politische Richtungen unterlässt. Doch steht das Verhalten auch in klarem Widerspruch zum Hauptregelwerk der Diplomatie, dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961? Dort heißt es in Artikel 3.1. (a), der Botschafter hätte „den Entsendestaat im Empfangsstaat zu vertreten“ und in (c) „mit der Regierung des Empfangsstaats zu verhandeln“. Beides scheint noch vereinbar mit seinen Aussagen. Was allerdings auch eindeutig scheint, ist, dass seine Äußerungen Artikel 3.1. (e) nicht geholfen haben. Dieser bennent die Aufgabe eines Diplomaten „freundschaftliche Beziehungen zwischen Entsendestaat und Empfangsstaat zu fördern und ihre wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen auszubauen.“ Noch eindeutiger wird Artikel 41, der bezüglich Diplomaten im Ausland festhält: „Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen.“ Es gilt daher als ungewöhnlich für Diplomaten, sich so deutlich politisch zu äußern. Auf diesen Artikel stützt sich deshalb das Gros der Kritik. Schulz Äußerung gipfelte in dem Vergleich, Grenell benehme sich nicht wie ein Diplomat, „sondern wie ein rechtsextremer Kolonialoffizier". In welchem Verhältnis dieser Vergleich wiederum mit Artikel 29 des Wiener Übereinkommens steht, ist ebenfalls fraglich: „Der Empfangsstaat behandelt ihn mit gebührender Achtung.“
Es ist nicht zu übersehen, dass die politischen Gemüter auf beiden Seiten erhitzt sind und ein gewohnter diplomatischer Umgang zur Zeit nicht stattfindet. Eine der wenigen diplomatischen Stimmen kam aus der Regierungspartei, vom außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt. „Ich wünsche mir deshalb, dass der neue US-Botschafter seine ganze Energie dafür einsetzt, das deutsch - amerikanische Verhältnis zu stärken [...] Selbstverständlich steht mir jedoch nicht zu, dem amerikanischen Botschafter in Berlin Hinweise zu geben, wie er seine Aufgabe als Vertreter der USA in Deutschland ausübt."
Zum Schluss hilft es vielleicht bei all den derzeitigen Streitereien die Worte von Kent Logsdon zu beachten, der bis zur Ankunft Grenells im Mai als Geschäftsträger der US-Botschaft die Aufgaben des amerikanischen Botschafters interimsweise übernommen hatte und grundsätzlich zum bilateralen Verhältnis feststellte: „Es ist immer besser für die Beziehungen, einen Botschafter zu haben."
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