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Auch Jahrzehnte nach Reform- und Öffnungsbeginn: Shenzhen bleibt Vorreiter

Von Ji Xiaoli und Liu Bao*  ·   2024-08-23  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Shenzhen;Reform;Öffnung
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In den 1990er Jahren war eines der beliebtesten Lieder in China The story of spring (Die Geschichte des Frühlings), eine Hommage an die 1978 angestoßene Reform und Öffnung im Land, die einen neuen „Frühling“ des Wachstums in China einläutete. Eine der Entscheidungen, die damals getroffen wurden, bestand darin, einen kleinen Kreis im Süden Chinas zu einer großen Pilotzone für die Erprobung vieler Reformen zu machen. Dieser Kreis war der Vorläufer der heutigen Metropole Shenzhen, mittlerweile berühmt als florierendes Wirtschaftszentrum und Treiber der Innovation im Land. 

Seit 1978 war Shenzhen in vielen Bereichen Experimentierfeld und Vorreiter. Zahlreiche Initiativen hat China hier erprobt. Einer der wichtigsten Schritte war ohne Zweifel, Shenzhen zu einer Pionier-Demonstrationszone für den Sozialismus chinesischer Prägung zu erklären und der Stadt mehr Autonomie bei der Reform von Schlüsselbereichen einzuräumen. Das war im Oktober 2020. 

   

Eröffnung des Shenzhen Talent Park am 9. Juli 2024: In diesem Park verschmelzen städtische Architektur und natürliche Ökologie. Er dient nicht nur als Naherholungsgegend, sondern auch als touristisches Ausflugsziel. 

Produktionsfaktoren effizient verteilen 

Die Effizienz der Nutzung von Flächen als Produktionsfaktor ist einer der Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg der Metropole. 2022 setzte das Shenzhen in der Baolong Tech City, einem Standort für Roboterherstellung, ein Pilotprogramm in Gang. Grundlage bildete ein Grundstück, das man als allgemeines Industrie- und Gewerbegebiet sowie Verkehrszone auswählte. Unter Einhaltung der Vorschrift, dass nicht mehr als 30 Prozent eines Industriegrundstücks für den Bau von Nebenanlagen genutzt werden dürfen, ermöglichte das Pilotprogramm die Errichtung von flankierenden Einrichtungen auf einer Fläche von 35.000 Quadratmetern, darunter ein Nachbarschaftszentrum, Wohnheime und eine Cafeteria. 

Um eine reibungslose und geordnete Fluktuation von Arbeitskräften zu gewährleisten, hat die Millionenstadt ebenfalls eine Reihe von Reformen ins Rollen gebracht. Als erste Stadt Chinas startete sie eine Reform der Arbeitszeiten für Unternehmen und Organisationen. Auch wurde ein System für die Akkreditierung der Qualifikationen von Lieferdiensten auf die Beine gestellt. Doch nicht nur das: Viel Aufmerksamkeit zog auch ein innovativer Mechanismus zur raschen Vermittlung und Beilegung von Stretigkeiten im Zusammenhang mit flexibler Beschäftigung auf sich. All diese Bemühungen spiegeln deutlich den Trend hin zu einem besseren Arbeitnehmerschutz in neuen Branchen und Beschäftigungsformen. 

Ein wichtiger Grund für den raschen wirtschaftlichen Aufstieg Shenzhens war und ist ohne Frage die Möglichkeit, Kapital möglichst gut in den Dienst der Realwirtschaft zu stellen. Versuchsweise brachte die Shenzhener Börse hierfür ein registrierungsbasiertes IPO-System à la Nasdaq zugunsten von Wachstumsunternehmen auf den Weg. Das Main Board der Börse hat zudem seine IPO-Dienste nach 21 Jahren wieder aufgenommen. 2023 stand der Handel an der Shenzhener Börse asienweit an erster Stelle, weltweit belegte er den dritten Platz. Ende 2023 gab es in Shenzhen fast 2000 Risikokapitalgesellschaften, die insgesamt 1,5 Billionen Yuan verwalteten, womit man landesweit auf dem dritten Platz landete. 

In puncto Hochtechnologie hat die moderne Glitzerstadt ebenfalls die Nase vorn. Im November 2022 öffnete das Shenzhen Stock Exchange Technology and IP Exchange Center seine Pforten. Ziel des Zentrums: die Auslotung marktbasierter Preisbildungs- und Handelsmechanismen für geistiges Eigentum und wissenschaftlich-technologische Errungenschaften. In Zukunft soll es sich zu einer umfassenden nationalen Dienstleistungsplattform entwickeln, die Technologie- und Kapitalmarkt miteinander verbindet. Auch das Modell, geistiges Eigentum in Wertpapiere umzuwandeln, ist ein innovativer Vorstoß. Von 2020 bis 2023 hat Shenzhen insgesamt 78 auf geistigem Eigentum basierende Sicherheitsprodukte im Wert von 17,76 Milliarden Yuan ausgegeben und damit erfolgreich geistiges Eigentum in Vermögenswerte umgewandelt. 

Ein weiterer Produktionsfaktor der Zukunft sind Daten. Sie gelten als „Öl“ der Digitalwirtschaft. Zur Förderung dieses neuen „Rohstoffes“ wurde im Dezember 2021 die Shenzhen Data Exchange gegründet. Im Juni dieses Jahres hat Digital China, ein Anbieter integrierter IT-Dienstleistungen, Finanzdatenprodukte aus der Cloud als Datenbestände in seine Unternehmensabschlüsse aufgenommen. Nach der Genehmigung durch die Shenzhen Data Exchange konnte Digital China diese Daten nutzen, um von einer Bank Kredite in Höhe von 30 Millionen Yuan zu erhalten. 

   

Die Insel Taihua Wutong: Dieser Shenzhener Büropark befindet sich in der Mitte eines riesigen Sees. Verteilt über die vier Zonen Frühling, Sommer, Herbst und Winter finden sich hier umgeben von Bambuswald insgesamt 24 Bürogebäude, die nach den 24 Jahresabschnitten des chinesischen Mondkalenders benannt sind.  

Ein marktorientiertes Geschäftsumfeld 

Auch Shenzhens Geschäftsumfeld macht einen Großteil der Anziehungskraft der Vorzeigestadt auf Investoren aus. Die Megacity steht unter den großen und mittelgroßen Städten Chinas an erster Stelle, was die Zahl der angesiedelten Unternehmen angeht. Innovation und Unternehmertum sind in vollem Gange: Millionen von kleinen und mittleren Betrieben sowie auch Kleinstunternehmen konkurrieren miteinander, gepaart mit Tausenden von Spezialdienstleistern und Technologiefirmen, die noch im Entstehen begriffen sind. 

Im Rahmen einer Reform hat es Shenzhen kleinen und mittleren Betrieben erlaubt, im Falle von Naturkatastrophen, Unfällen sowie bei Notfällen in den Bereichen öffentliche Gesundheit und öffentliche Sicherheit vorübergehend zu schließen, um ihnen zu helfen, schwere Zeiten zu überstehen. 

In Sachen Marktzugang hat Chinas Entwicklungs- und Reformkommission zusammen mit anderen Behörden 24 Sondermaßnahmen in Kraft gesetzt. Ziel ist es, bestehende Beschränkungen beim Marktzugang in Shenzhen weiter zu lockern. Ausprobiert wurde hier etwa ein neues Programm zur Öffnung von Telekommunikationsdiensten. Abgeschafft wurde in diesem Kontext der 50-Prozent-Deckel für den Anteil ausländischer Beteiligungen an Unternehmen, die sich mit Internetdaten, Internetzugangsdiensten sowie Online-Datenverarbeitung und -transaktionen befassen. Gleichbehandlung in- und ausländischer Investoren ist in Shenzhen längst die Regel.  

Besonders an der Metropole ist auch, dass sie eine wichtige Gesetzeslücke geschlossen hat, indem sie im August 2020 die erste chinesische Regelung für die Privatinsolvenz erließ. Kein Wunder daher, dass hier die erste Insolvenzverwaltungsagentur Chinas beheimatet ist, sowie auch das erste Beratungsprogramm des Landes für die Privatinsolvenzanmeldung. Flankiert wird dies von einer Plattform für Insolvenzschutzdienste des Insolvenzverwalterverbands. Nennenswert hierfür ist auch, dass im Juni 2023 das Insolvenzgericht von Shenzhen ein zivilrechtliches Urteil gegen Liang Wenjin erließ, den Schuldner in Chinas erstem Privatinsolvenzverfahren, in dem es ihn als ehrlich, aber unglücklich bezeichnete und ihn von seinen ausstehenden Schulden befreite. 

Bei der Gerichtsverhandlung von Fällen, bei denen es um die Rechte an geistigem Eigentum (IPR) geht, erprobte Shenzhen den Einsatz von Ermittlern mit IPR-Expertise, mit dem Ziel, die Richtigkeit der technischen Fakten in den betreffenden Fällen sicherzustellen. Dadurch gelang es, die durchschnittliche Bearbeitungszeit solcher Fälle um über 40 Prozent zu verkürzen. Die Metropole hat auch Chinas ersten juristischen Leitfaden zum Strafschadenersatz bei der Verletzung geistiger Eigentumsrechte herausgegeben und damit das strengste System zum Schutz derartiger Rechte etabliert. 

Ein gutes Forschungsumfeld  

In der Megastadt findet ein zweigleisiger Mechanismus für Forschungsinvestitionen Anwendung, der sowohl wettbewerbsorientierte als auch nicht-wettbewerbsorientierte Projekte umfasst. Hinzu kommen wissenschaftliche Forschungsprojekte zur Effizienzüberwachung. 2023 erreichten die Gesamtinvestitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) in Shenzhen rund 188 Milliarden Yuan, was einem Anstieg von 11,8 Prozent entsprach und 5,81 Prozent des regionalen BIP ausmachte. Dabei machten die F&E-Investitionen der Unternehmen 94,9 Prozent der Gesamtsumme aus, womit Shenzhen hier landesweiter Spitzenreiter war. 

Shenzhen räumt Forschenden zudem Eigentums- bzw. langfristige Nutzungsrechte an ihren wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften ein, was Wissenschaftler maßgeblich motiviert. Ziel ist es, Spitzentalente anzuziehen. Für ausländische Fachkräfte, insbesondere hochqualifizierte und dringend benötigte ausländische Talente, vergibt die Stadt ein R-Visum, das in der Regel mehrfache Einreisen ermöglicht. Internationale Fachkräfte, die über entsprechende ausländische berufliche Qualifikationen oder Zertifikate verfügen, dürfen in China arbeiten, nachdem ihre Qualifikationen von den zuständigen Behörden anerkannt oder registriert wurden. Möglich macht dies ein System zur Anerkennung internationaler beruflicher Qualifikationsnachweise.  

Eine hochgradig offene Wirtschaft 

2021 erhielt Shenzhen als erste Stadt die Genehmigung zur Durchführung eines Pilot-Cash-Pool-Dienstes für multinationale Unternehmen, der die Verwaltung von Landes- und Fremdwährung integriert. Dieser Schritt ermöglicht es Unternehmen, Kosten zu senken und effizienter zu arbeiten. Voraussetzung dafür ist, dass die Quoten für die Auslandsverschuldung entsprechend angepasst wird und Erleichterungen wie der Transfer von Geldern in Landes- und Fremdwährung umgesetzt werden. Zwei Jahre danach ging ein weiteres Pilotprojekt für die zentrale Verwaltung von grenzüberschreitenden Geldern in in- und ausländischer Währung von multinationalen Unternehmen an den Start. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Zugangsschwelle sinkt und die Bereiche der in Frage kommenden Unternehmen nehmen zu. Letztendlich dient das neue Vorhaben als Ergänzung zum Pilotprojekt von 2021. 

Bis Ende 2023 hatten sich bereits insgesamt 48 multinationale Unternehmen in Shenzhen an dem Pilotprogramm beteiligt. Darunter bekannte Namen aus Bereichen wie New Energy Vehicles, intelligente Fertigung und Telekommunikationslösungen. Es ging dabei um fast 140 Milliarden US-Dollar, wodurch die Unternehmen insgesamt rund 100 Millionen Yuan an Kosten einsparen konnten. 

   

Debüt: Am 1. Juni 2024 feierte die Internationale Automesse der Greater Bay Area Guangdong-Hongkong-Macao im Internationalen Ausstellungs- und Konferenzzentrum von Shenzhen ihre Premiere.  

Verbesserung der Gesundheitsdienste 

Auch in Bezug auf die Bemühungen, die Beschränkungen für den Zugang neuer internationaler Arzneimittel zum chinesischen Markt zu lockern, ist die Stadt auf einem guten Weg. In diesem Zusammenhang wurde im November 2020 eigens ein Pilotprogramm ins Leben gerufen. Und der Plan geht auf: Bis heute haben vier medizinische Einrichtungen in Shenzhen von diesem Projekt profitiert, sodass 39 Arten von importierten Medikamenten und Geräten den Marktzugang erhalten haben. 

Doch wer denkt, Shenzhen würde sich auf dem Erreichten ausruhen und die Hände in den Schoss legen, der irrt. Im Jahr 2022 wurden auch noch internationale Zertifizierungsstandards für die Qualität von Krankenhäusern auf den Weg gebracht, die von der International Society for Quality in Health Care External Evaluation Association (ISQua EEA) als erste Krankenhaus-Bewertungsstandards des Landes verbindlich zertifiziert sind. 

Ein Beleg dafür ist, dass das Shenzhen Hospital of Southern Medical University kürzlich offiziell die internationale Krankenhausakkreditierung erhalten hat. Damit ist diese Einrichtung eines der ersten drei akkreditierten Krankenhäuser des Landes. Und das Angebot wird fleißig genutzt: Allein 2023 wurden in dem Shenzhener Krankenhaus mehr als 20.000 Einwohner Hongkongs, Macaos und Taiwans sowie Ausländer behandelt. 

Umweltschutz und Stadtpflege 

Bei den Reformen der Investition und Finanzierung von Projekten zur Eindämmung des Klimawandels geht Shenzhen seinen eigenen Weg. Bis 2023 hat man hier insgesamt 196 Projekte ausgewählt, welche die Kohlendioxidemissionen um etwa 5,91 Millionen Tonnen pro Jahr verringern sollen. Die Stadt hat auch das landesweit erste System zur Berechnung der Größe des Bruttoökosystemprodukts entwickelt, das Ökosysteme zu kalkulierbaren Werten macht. 

Die Low Altitude Economy, ein neuer Sektor, der das Ergebnis der integrierten Entwicklung strategisch aufstrebender Industrien bildet, weist ein Marktpotenzial von mehreren Billionen Yuan auf. In Shenzhen besteht schon heute eine komplette Industriekette in diesem Bereich, die die Herstellung elektronischer Teile und die Entwicklung von Softwareplattformen umfasst. Es wurde ein innovatives System zur Überwachung von Drohnen entwickelt, das in einem bestimmten Luftraum Testflüge von Mini-Drohnen erlaubt. 2023 erreichte die Gesamtproduktion des neuen Wirtschaftssektors in Shenzhen 90 Milliarden Yuan. Der Anteil der in Shenzhen hergestellten Drohnen für den Privatgebrauch betrug 70 Prozent des Weltmarktes, der Anteil der Industriedrohnen 50 Prozent.    

*Ji Xiaoli und Liu Bao sind Reporter der China Development and Reform News. 

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