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Comeback nach Corona: Chinas Kleinwaren-Mekka Yiwu kommt wieder in Fahrt |
Von Ma Li · 2023-02-20 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Yiwu;Wirtschaft | Druck |
Tirera Sourakhata, der gegenwärtig im Senegal lebt, wird Ende Februar in seine „zweite Heimat“ – Yiwu in der ostchinesischen Provinz Zhejiang – zurückkehren. Mehr als 20 Jahre lebt und arbeitet der Senegalese eigentlich schon in Yiwu. Vor drei Jahren brach er jedoch pandemiebedingt vorrübergehend die Zelte ab. So lange wie dieses Mal habe er seine Wahlheimat noch nie verlassen, erzählt er uns. „Ich träume mittlerweile sogar schon vom großen Wiedersehen mit meinen chinesischen Freunden“, sagt der Geschäftsmann. Er sei „voller Vorfreude“.
Die Geschäfte führten ihn nach Yiwu: Sourakhata im Büro seines Handelsunternehmens im Jahr 2019.
Sourakhata hat ein eigenes Handelsunternehmen in Yiwu aufgezogen, in der Stadt, die auch als „Weltsupermarkt“ oder „Welthauptstadt der Kleinwaren“ bekannt ist. Die Stadt ist bestens vernetzt, unterhält Handelsbeziehungen zu 232 Ländern und Regionen weltweit, wobei vor allem der Export dominiert. Er macht über 65 Prozent der Wirtschaftsleistung der Stadt aus. Das zog lange auch ausländische Business-Leute an. Vor Corona gab es in Yiwu rund 15.000 fest ansässige ausländische Geschäftsleute. Zusätzlich reisten jedes Jahr mehr als 500.000 Geschäftsleute aus aller Welt in die Handelsstadt, um Waren einzukaufen. Die Pandemie war für Yiwu eine echte Zäsur. Rund die Hälfte der ausländischen Geschäftsleute verließ die Stadt. Doch mittlerweile ist China in eine neue Phase im Kampf gegen die Pandemie eingetreten. Seit dem Ende des chinesischen Frühlingsfests 2023 zieht es deshalb mehr und mehr ausländische Business-Leute zurück in die Handelsmetropole, so auch Tirera Sourakhata.
Großer Andrang: Ausländische Staatsbürger, darunter auch viele Geschäftsleute, wickeln am 11. Januar 2023 bei der Dienststelle für Aus- und Einreiseverwaltung in Yiwu ihre Aufenthaltsformalitäten ab.
Schon am 8. Januar 2023, dem ersten Gültigkeitstag der optimierten Ein- und Ausreisepolitik Chinas, schwoll die Zahl der Flüge nach Yiwu wieder auf Vor-Pandemie-Niveau an, wie Daten des Flughafens Yiwu zeigen. Die Tickets waren unter Einreisewilligen aus Übersee heiß begehrt. Schon zuvor hatte die Provinzregierung Zhejiang eigens mehrere Charterflüge für Wareneinkäufer aus Übersee organisiert. „Die Rückkehr der Käufer hat unsere Außenhandelswirtschaft schnell wiederbelebt“, sagt Zhu Yi, Direktor des Büros für politische Maßnahmen und Vorschriften des Verwaltungsausschusses der Pilotzone für die umfassende Reform des internationalen Handels in Yiwu. Dank der neuerlichen Einreiseerleichterungen seien wieder viele der ansässigen ausländischen Geschäftsleute nach Yiwu zurückkehrt, sagt er. Schon kurz nach dem Frühlingsfest seien es mehr als 10.000 gewesen.
Neuer Start in Yiwu
Huang Lijian ist Geschäftspartner und auch ein enger Freund von Tirera Sourakhata. Beide haben sich einst in Yiwu kennen gelernt. Vor zwanzig Jahren hat der Senegalese in Huangs Baumarkt eine Bestellung im Wert von 200.000 Yuan aufgegeben. Über die Jahre sind die beiden dank der guten Zusammenarbeit nicht nur vertrauensvolle Geschäftspartner geworden, sondern auch gute Freunde. „Derzeit ist mein Außenhandelsgeschäft hauptsächlich im Senegal angesiedelt. Bei der Geschäftsentwicklung dort hat mir Sourakhata sehr geholfen“, sagt Huang.
Kurz vor dem Frühlingsfest 2023 wählt dieser ausländische Geschäftsmann - wie viele seiner Kollegen - Waren in der „Yiwu International Trade City“ aus.
Mit einer Marktfläche von mehr als 6,4 Millionen Quadratmetern, 75.000 Handelsplätzen und über 2,1 Millionen Warenarten ist Yiwu der weltgrößte Großhandelsmarkt für Kleinwaren. Der LCL-Export solcher Kleinwaren, also der Containerversand als Sammelladung, und zwar von verschiedenen Artikeln in kleiner Stückzahl, ist ein wichtiger Bestandteil der Außenhandelsaufträge von Yiwu. Um ausländischen Geschäftsleuten eine schnelle Rückkehr zu ermöglichen und den Außenhandel von Yiwu so schnell wie möglich wieder anzukurbeln, führte die örtliche Stadtregierung im Dezember 2022 Vorzugsmaßnahmen für ausländische Geschäftsleute ein, wie kostenlose Unterkünfte, Lagerungsrabatte und erhöhte Finanzierungsquoten für Handelsplätze. „Die neuen Richtlinien haben sofort gefruchtet”, sagt Geschäftsmann Sourakhata. „Viele meiner Freunde sind bereits um das Frühlingsfest herum nach Yiwu zurückgekehrt. Die Vorzugsmaßnahmen haben aber auch Neulinge angelockt, die noch nicht in China waren“, sagt der afrikanische Geschäftsmann. Er habe nur Positives gehört, was die Geschäftserwartungen für Yiwu im Jahr 2023 angehe, betont er.
Vor zwanzig Jahren kam Sourakhata einst selbst zum ersten Mal als Neuling nach Yiwu. Damals legte er den Grundstein für seinen unternehmerischen Traum. „Vor der Pandemie war ich mehr als 350 Tage im Jahr hier in Yiwu. Die Stadt ist mir wie eine zweite Heimat ans Herz gewachsen.“ Dank des reichhaltigen und vielfältigen Warenangebots, der bequemen und schnellen Logistik und dem guten Geschäftsumfeld vor Ort hätten die Geschäfte mehr und mehr an Fahrt aufgenommen und sein Unternehmen sei stetig gewachsen, erzählt der Senegalese. „Ich beschäftige hier mittlerweile mehr als 30 Mitarbeiter und wir erwirtschaften einen Jahresumsatz von 450 bis 500 Millionen Yuan“, erzählt er. Gegenwärtig sei sein Außenhandelsunternehmen vor allem in afrikanischen Ländern wie dem Senegal, Gabun, Gambia, Kongo-Brazzaville und Kongo-Kinshasa präsent. Jüngst habe er zudem damit begonnen, in Paris neue Wachstumsmöglichkeiten auszuloten.
Gute Geschäfte, gute Stimmung: Tirera Sourakhata (2.v.l.) mit Kollegen und Freunden in Yiwu
Anders als Sourakhata kehrte Hassan, ein indischer Geschäftsmann, bereits im August 2022 mit einem von der Provinzregierung Zhejiang organisierten Charterflug für Wareneinkäufer nach Yiwu zurück. „Da wir lange Zeit nicht in der Lage waren, vor Ort in Yiwu einzukaufen, wurde der Warenkatalog nur langsam aktualisiert, was das Geschäft stark beeinträchtigt hat“, erinnert er sich. Der Inder handelt vorwiegend mit Haushaltsgeräten, Baumaterialien und Haushaltswaren aus Yiwu. Diese Produkte müssten vor Ort in Augenschein genommen und je nach Kundenwunsch vor der Bestellung noch verbessert werden, erklärt er. Zurück in Yiwu entdeckte Hassan schnell zahlreiche neue Produkte. Nun arbeitet er intensiv daran, die Bedürfnisse und Wünsche seiner Kunden zu befrieden. „Die Geschäftsaussichten sind vielversprechend“, so seine Einschätzung.
Die Zeichen stehen auf Aufschwung
Für Cheng Weiguang, den Präsidenten der Handelskammer Jiande in Yiwu, waren die Tage rund um das Frühlingsfest eine geschäftige Zeit. Denn sie standen ganz im Zeichen der Eröffnung der Yiwu International Trade City.
Cheng und Sourakhata sind ebenfalls seit Jahren gute Freunde. Entsprechend erfreut war der Handelskammer-Präsident, als er von der Rückkehr bzw. geplanten Rückkehr vieler ausländischer Geschäftsleute erfuhr. „Nach der Optimierung und Anpassung von Chinas Coronamaßnahmen beraten sich ausländische Freunde jeden Tag mit mir über die Situation in Yiwu“, sagt Cheng. Und er fügt hinzu: „Dies ist ein deutliches Indiz der wirtschaftlichen Wiederbelebung.“
Mehr als nur Geschäftspartner: Cheng Weiguang (1.v.r.), Tirera Sourakhata und ein Freund bei einem Ausflug im Sommer 2019
Im Jahr 2022 seien mit einem Exportwert von 167,95 Milliarden Yuan immer noch Elektroprodukte die größte Ausfuhrkategorie in Yiwu gewesen, so Cheng. Die Exporte in diesem Segment hätten im vergangenen Jahr um 24,4 Prozent im Vergleich zu 2021 zugelegt und 38,9 Prozent der Gesamtexporte der Stadt ausgemacht. In den letzten Jahren habe sich die rasante Entwicklung der Photovoltaikindustrie zu einem neuen Wachstumspol für die Ausfuhren aus Yiwu entwickelt. 2022 betrug der Exportwert von Dioden und ähnlichen Halbleiterbauelementen sowie von Solarzellen 29,55 Milliarden bzw. 29,48 Milliarden Yuan, eine Steigerung um das 1,91-Fache bzw. 1,92-Fache.
Cheng ist in Yiwu selbst im Geschäft mit elektrischer Beleuchtung tätig. Während der Pandemie verbrachte er praktisch jeden Tag damit, online mit neuen und bestehenden Kunden zu kommunizieren. „Während Corona haben wir den Onlineverkauf ausgeweitet, aber nach der Rückkehr zur Normalität sind über 90 Prozent der Kunden immer noch bereit, sich vor Ort zu treffen und zu verhandeln“, sagt er.
Tirera Sourakhata plant, sein Geschäft in diesem Jahr neu auszurichten. Während der Pandemie exportierte sein Unternehmen monatlich etwa 200 bis 400 Container nach Afrika, im Dezember 2022 und Januar 2023 stieg das Exportvolumen auf 1000 Container pro Monat. „Zahlen sind der beste Beweis dafür, dass 2023 ein fruchtbares Jahr werden wird. Ich bin mir sicher, dass dieses Jahr die Verluste der Pandemiejahre wieder wettmachen wird“, zeigt sich der Senegalese zuversichtlich.
Rasche Erholung der Außenhandelswirtschaft
Die Kauffreudigkeit der Einkäufer in der Yiwu International Trade City gilt traditionell als Barometer für die gesamte Wirtschaft der Handelsstadt, während die Yiwuer Wirtschaft wiederum einen Gradmesser für Chinas gesamten Außenhandel darstellt.
Die Daten der Yiwuer Zollbehörde zeigen, dass der Gesamtwert der Im- und Exporte von Yiwu 2022 bei 478,8 Milliarden Yuan lag, was einem Anstieg von 22,7 Prozent gegenüber 2021 entspricht. Davon entfielen 431,64 Milliarden Yuan auf die Exporte und 47,16 Milliarden Yuan auf die Importe, eine Steigerung von 18 bzw. 93,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Zwei ausländische Händler kaufen am 11. Januar 2023 in der Yiwu International Trade City Spielzeug ein. Das Geschäftstreiben hier gilt als Barometer für den Stand der Außenhandelswirtschaft.
„Trotz der Auswirkungen der Pandemie und anderer ungünstiger Faktoren konnte Yiwus Außenhandel im Jahr 2022 dank der gemeinsamen Anstrengungen verschiedener Geschäftsakteure erfreuliche Ergebnisse erzielen. Dabei haben die Exporte erstmals die 400-Milliarden-Yuan-Marke überschritten und ihren Anteil im ganzen Land und in der Provinz Zhejiang weiter erhöht, während sich die Importe verdoppelten“, sagt Außenhandelsexperte Zhu Yi.
Als eine der „Dividenden“, die durch das Pilotprojekt zur umfassenden Reform des internationalen Handels in Yiwu freigesetzt worden seien, habe die Handelsform der Marktbeschaffung in den letzten Jahren eine beherrschende Stellung im Außenhandel von Yiwu eingenommen, so Zhu. Im Rahmen dieses Handelsmodus kaufen die Betreiber in den identifizierten Marktclustern ein, und bei Warenzollanmeldung im Wert von weniger als 150.000 US-Dollar können die Zollabfertigungsverfahren für Exportwaren direkt am Ort des Einkaufs abgewickelt werden. „Dies ist für die Käufer aus aller Welt sehr praktisch und beschleunigt den weltweiten Umlauf von Kleinwaren“, so Zhu.
Laut dem Experten beliefen sich die Ein- und Ausfuhren von Yiwu nach Afrika 2022 auf 84,02 Milliarden Yuan, ein Plus von 10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Im- und Exporte in die EU und die Vereinigten Staaten hätten sich im selben Jahr auf 60,45 Milliarden bzw. 56,21 Milliarden Yuan belaufen, auch hier gab es also satte Steigerungen im Jahresvergleich, nämlich um 47,1 bzw. 35,5 Prozent. Die gesamten Im- und Exporte in Teilnehmerländer und -regionen der Seidenstraßeninitiative betrugen 183,11 Milliarden Yuan, ebenfalls ein Plus von 13,3 Prozent. Und die Daten zeigen, dass die Nachfrage nach Waren aus der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten und anderen entwickelten Regionen weiterhin anzieht.
Bai Ming, stellvertretender Direktor des Internationalen Marktforschungsinstituts des chinesischen Handelsministeriums, sagt, dass Yiwu als „Weltsupermarkt“ dank seiner vollständigen Industriekette und der effizienten Produktionskapazitäten nach drei Jahren Pandemie nun eine neue Entwicklungsphase eingeleitet habe. „Das Risiko einer globalen Wirtschaftsrezession im Jahr 2023 wird weiter zunehmen. Doch Produkte aus Yiwu, die weiterhin in die Welt verschifft werden, dürften der Weltwirtschaft neue Vitalität verleihen“, so Bais Prognose. Er ist der Ansicht, dass sich Chinas Außenhandelswirtschaft im zweiten und dritten Quartal des laufenden Jahres weiter kräftig erholen wird.
Dem pflichtet auch Zhu Yi bei. „Im vergangenen Januar hat die Außenhandelswirtschaft von Yiwu einen deutlichen Erholungstrend gezeigt. Zusätzlich zu unserer eigenen Wirtschaftserholung müssen wir aber auch die Außenhandelswirtschaft des ganzen Landes vorantreiben“, rät der Experte.
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