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Chinas Café-Boom: Alle wollen ein Stück vom Kuchen |
Von Wei Hongchen · 2023-02-16 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Kaffee;Wirtschaft | ![]() |
Jeden Arbeitstag mit einer Tasse Kaffee zu beginnen, das ist für immer mehr junge Chinesen, vor allem unter jüngeren Berufstätigen, ein Muss. Fast an jeder Ecke, ob an der Uni, auf der Straße oder in den quirligen Geschäftsvierteln der großen Metropolen, sieht man mittlerweile Menschen mit Milchkaffee oder Cappuccino in der Hand.
Um 1836 eröffneten einst die Dänen das erste Café in China, und zwar in der Nähe des heutigen Bekleidungsgroßmarkts Shisanhang in Guangzhou. Erst in den 1980er Jahren aber zog es die großen ausländischen Kaffeemarken ins Reich der Mitte. Lange Zeit fand die Überseeware nur unter Insidern Anklang. China, das war noch immer das Land der Teetrinker. Doch mit dem gestiegenen Lebensstandard, einem neuen Konsumbewusstsein sowie auch den enormen demografischen Veränderungen der letzten Jahre ist China heute mehr und mehr auf den Kaffeegeschmack gekommen.
Hart umkämpfter Megamarkt
Zwar ist Tee noch immer Heißgetränkewahl Nummer 1 im Reich der Mitte, doch die Kaffeekultur ist auf dem Vormarsch. Das Weißbuch über die chinesische Kaffeeindustrie 2022 zeigt das eindrucksvoll. Ihm zufolge erreichte Chinas Kaffeeindustrie 2021 ein Volumen von 381,7 Milliarden Yuan, umgerechnet rund 52,4 Milliarden Euro, was einem Anstieg von 27,2 Prozent im Jahresvergleich entspricht. Es wird damit gerechnet, dass die Marktgröße in diesem Segment im Jahr 2025 10 Billionen Yuan (rund 1,37 Billionen Euro) übersteigen wird. Gleichzeitig verbucht der Markt des koffeinhaltigen Trendgetränks in China ein bemerkenswertes Wachstum von jährlich rund 15 Prozent und liegt damit weit über der weltweiten Wachstumsrate von zwei Prozent. Daraus ergibt sich, dass das Entwicklungspotenzial und der mögliche Markt für chinesischen Kaffee enorm sind.
Bis zum 1. Mai 2022 gab es in China 117.300 Kaffeehäuser, Tendenz steigend. Es ist in aller Munde, dass die Metropole Shanghai über die meisten Cafés (mehr als 7000 nämlich) im Land verfügt. Aber auch in anderen Großstädten boomt die Szene. In der aufstrebenden Millionenstadt Chengdu zum Beispiel eröffnete im Jahr 2020 durchschnittlich ein neues Café pro Tag. Damit stieg die Gesamtzahl der Cafés in der Stadt auf über 4000, direkt hinter Shanghai und Beijing. Chengdu hat sich damit zum drittgrößten Kaffeemarkt in China gemausert.
Immer mehr große internationale Café-Ketten wie Tims und Peet's Coffee behaupten sich auf dem chinesischen Markt. Gleichzeitig weiten auch neue chinesische Marken wie Manner oder Luckin Coffee ihre Geschäfte aus.
Doch nicht nur traditionelle Kaffeeketten erhoffen sich ein Stück vom großen Kuchen. Auch die Branchenriesen haben sich dem Trend angepasst. McCafé (McDonald’s) und K Coffee (KFC) sind längst ebenfalls in den boomenden Kaffeemarkt eingestiegen. Und auch PetroChina und Sinopec schenken in ihren Convenience-Store-Ketten Kunlun Hospitality Convenience bzw. Easy Joy mittlerweile Kaffee aus. Auch Milchteeketten wie HEYTEA und Nayuki haben den Trend nicht verschlafen und eigene Kaffeesortimente auf den Markt gebracht. Selbst die Sportmarke Li Ning bietet in ihren Filialen heute Kaffee an. Nachdem die chinesische Post im Februar 2022 ihr erstes Postcafé in Xiamen eröffnet hat, versucht sie nun, auch in weiteren Städten in diesem Segment Fuß zu fassen. Und auch der Technologieriese Huawei lässt sich nicht lumpen und plant die Eröffnung eigener Cafés.
Die kräftige Konkurrenz in den Großstädten führt dazu, dass immer mehr Kaffee-Unternehmen ihren Blick auf kleinere Städte und Gemeinden richten. Laut Statistiken von Meituan, einer der großen Online-Lieferplattformen für Lebensmittel im Land, zog das Wachstum von Cafés auf kleineren Märkten, einschließlich Kleinstädten, Gemeinden und sogar im ländlichen Raum, im vergangenen Jahr kräftig an und stellte die Zuwachsraten in den großen Metropolen deutlich in den Schatten.
Starbucks hat angekündigt, in den kommenden Jahren weiter in China expandieren zu wollen, und plant in fast 3000 Kreisen, kreisfreien Städten und Stadtbezirken neue Filialen zu eröffnen. Berichten zufolge plant auch der heimische Kaffeeriese Luckin die Eröffnung neuer Geschäfte in kleineren Städten wie Xinxiang in Henan, Daqing in Heilongjiang und Dezhou in Shandong.
Doch Kaffee ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein Stück hipper Stadtkultur, insbesondere unter jungen Chinesen, die in den 1990ern zur Welt kamen sowie bei der Generation Z. Für sie ist Lebensqualität das A und O. Und davon profitiert auch der chinesische Kaffeemarkt, genauer gesagt die Kaffeekultur. Auch hier schlummern große Geschäftschancen, die bereits aktiv erschlossen werden.
Kaffee kommt in die Kleinstädte: Das Retro-Café von Barista Ermao im Kreis Hejin in der Provinz Shanxi (Foto mit freundlicher Genehmigung von Ermao)
Kreise und Gemeinden werden zu Kaffee-Goldminen
„Wenn ich nicht zu Hause bin, bin ich im Hawelka. Wenn ich nicht im Hawelka bin, dann bin ich auf dem Weg ins Hawelka“, machte einst der deutsch-österreichische Kunsthistoriker, Publizist und Museumsdirektor Alfred Schmeller keinen Hehl aus seiner Kaffee-Passion und seiner Vorliebe für das in der Nähe des Wiener Stephansdoms gelegene Lokal, ein Lebensgefühl, in dem sich auch der 29-jährige Chinese Ermao * wiedererkennt.
Ermao, der viele Jahre in Beijing arbeitete, ist vor drei Jahren in seine Heimatstadt Hejin in der Provinz Shanxi zurückgekehrt. Die Kreisstadt Hejin ist mit ihren gerade einmal 400.000 Einwohnern für chinesische Verhältnisse eine Kleinstadt. Im Gegensatz zu vielen anderen jungen Menschen in dieser Gegend hat Ermao nicht das Familienunternehmen der Eltern übernommen oder die Prüfung für den öffentlichen Dienst abgelegt, sondern sich entschieden, ein Café zu eröffnen.
Bevor er sich den Traum vom eigenen Kaffeehaus erfüllte, war Ermao eigentlich nie mit der Kaffeeindustrie in Berührung gekommen. Er ist gelernter Innenarchitekt, hat aber immer davon geträumt, ein eigenes kleines Geschäft zu eröffnen, „um nicht jeden Tag den langweiligen Rhythmus zwischen Leben und Arbeit wiederholen zu müssen, auch wenn ein eigenes Geschäft viel Arbeit bereitet“, wie er sagt. Das Wichtigste aber ist, dass der junge Innenarchitekt eine große Liebe für Kaffee hat: „Mein ursprüngliches Ziel war es, eine Bleibe in einer kleinen Stadt zu haben, den besten Kaffee in Hejin aufzubrühen und den Menschen authentische Kaffeekultur näherzubringen“, sagt er. Dieser Traum keimte seit Beginn der Coronapandemie allmählich auf. Und im April 2020, mit nur 20.000 Yuan Ersparnissen, beschloss Ermao schließlich, seinen Job an den Nagel zu hängen und sein eigenes Kaffeehaus auf die Beine zu stellen.
Für ein Ladengeschäft ist die richtige Standortwahl der Schlüssel zum Erfolg. Doch Ermao wählte einen ungewöhnlichen Weg und entschied sich für eine kleine, abgelegene Gasse weitab vom Stadtzentrum als Lokalität. Die günstige Miete von nur etwa 10.000 Yuan pro Jahr war einer der Gründe. Noch wichtiger aber waren für den Jungunternehmer die attraktiven, tageslichtgefluteten Räumlichkeiten.
Von der Kaffeezubereitung über die Verwaltung des Ladens, den Onlinebetrieb, die Werbung und die Generierung von Kundenverkehr bis hin zum Mitnahmegeschäft – Ermao macht alles selbst. Während des Frühlingsfestes schossen die Bestellungen in die Höhe. Jeden Tag war das Kaffeehaus voll mit jungen Heimkehrern aus den Großstädten.
Aber die Realität ist dennoch komplizierter als jede Vorstellung. Hejin ist ein kleiner Kreis, wirtschaftlich eher schwach, die Bevölkerungszahl niedrig, Kaffeekultur – bisher weitestgehend Fehlanzeige. Was die Geschäfte noch schwieriger macht, ist, dass die Einheimischen bisher eher auf Milchtee und Früchtetee schwören. Trotzdem hält Ermao an seiner Idee fest und serviert seiner Kundschaft nur echten Kaffee.
Es ist also nicht alles rosig. Doch der 29-Jährige zeigt sich dennoch optimistisch. Er ist fest überzeugt, dass sich die Gewohnheiten der Einheimischen allmählich ändern werden und seine Rechnung langfristig aufgeht. Den Schritt in die Selbstständigkeit bereue er jedenfalls kein bisschen, beteuert er, obwohl seine Arbeitstage nun schon mal 13 Stunden dauern, nämlich von acht bis 21 Uhr. Er nennt die interessanten Interaktionen mit gleichgesinnten Kunden als einen der Hauptgründe, warum er sein Geschäft gerne führt.
Eine weitere junge Café-Besitzerin, die auf die wachsende Welle des Kaffeekonsums aufgesprungen ist, ist Chen Mengqin. Sie hat ein Kaffeehaus in einem Dorf in Zhejiang eröffnet, das sich bei den Einheimischen großer Beliebtheit erfreut. Ihr Café sei eher ein Ort der Begegnung, sagt Chen. Neben Kaffee stehen auch verschiedene Backwaren und Kuchen auf der Speisekarte. Obwohl das Geschäft in einem kleinen Dorf liege, gingen an guten Tagen schon mal mehr als 300 Tassen Kaffee über die Ladentheke, erzählt sie.
„Der Lebensrhythmus hier im Dorf ist sehr angenehm. Das Wichtigste aber ist, dass es nicht an Kunden mangelt. Auch ältere Menschen hier im Dorf – Leute, der 1960er- und 1970er-Generation – kommen schon mal auf eine Tasse Kaffee vorbei, essen ein Stück Kuchen und genießen die Sonne auf unserer Terrasse.“
Auch das Landschaftsbild, in das ein Café eingebettet ist, kann den Ausschlag geben für den Erfolg. So gingen in den letzten Monaten das Qifeng-Kaffeehaus in einem Kreis in Xuzhou (Provinz Jiangsu), das June Café in einem Dorf in Dongguan (Provinz Guangdong) und das Two Tree Coffee in einem Dörfchen in der Nähe von Xi'an (Provinz Shaanxi) auf Chinas Social-Media-Plattformen viral. Sie punkten vor allem durch ihre landschaftlich reizvolle und idyllische Lage.
Auch die jungen Kaffeebetreiber Ermao und Chen sind mit ihren Standorten zufrieden. Beide zeigen sich zuversichtlich, dass die Geschäfte trotz des zunehmenden Wettbewerbs immer besser laufen werden.
Kaffee liegt noch immer voll im Trend und viele junge Uni-Abgänger springen auf den Zug auf. Auch die junge Xicao ist eine von ihnen. Sie eröffnete am 10. Februar das „Refit Coffee“, ein Café im französischen Stil. Es liegt in ihrem Heimatkreis Rongxian im Südwesten Chinas, genauer gesagt in der Provinz Sichuan. Auch sie will ihr Glück versuchen und sich ein kleines Scheibchen vom großen Kaffeeboom im Reich der Mitte abschneiden. Denn schließlich gilt: Nur wer etwas versucht, wird am Ende feststellen, ob es auch funktioniert.
*Name auf Wunsch der Interviewpartner geändert
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