Europa ist beeindruckt vom weltweiten Auftreten der chinesischen Digitalindustrie und von der raschen Entwicklung, die die Digitalwirtschaft in China seit Beginn des Jahrhunderts genommen hat. Heute wird China als Trendsetter auf Gebieten wie E-Commerce, Finanztechnologie, Künstliche Intelligenz und Robotertechnik wahrgenommen. Chinesische Unternehmen verfügen über einen großen Vorteil gegenüber ihren europäischen Mitbewerbern: ein immenses Volumen an Daten, die von mehr als einer Milliarde Internetusern und deren Transaktionen im Netz generiert werden.

Allerdings spiegelt diese Wahrnehmung nicht die ganze Wahrheit wider. Folgt man einem Bericht der Chinesischen Akademie für Informations- und Kommunikationstechnologie aus dem vergangenen Jahr, so ist Chinas Digitalwirtschaft nur für rund 35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verantwortlich, während sie in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zu mehr als 60 Prozent zum BIP beiträgt. In Frankreich beträgt der Anteil dieses Sektors am BIP 40 Prozent, in den großen Schwellenländern wie Brasilien, Indien und Südafrika rund 20 Prozent.

Des Weiteren variiert der Grad der Digitalisierung in China von Provinz zu Provinz und von Industriezweig zu Industriezweig je nach Einkommensniveau und weist so auf unterschiedliche Stufen der wirtschaftlichen Entwicklung hin. So ist zum Beispiel in Beijing und Shanghai der Grad der Digitalisierung der Wirtschaft höher als in Frankreich, während die Digitalwirtschaft in der Provinz Gansu lediglich mit 20 Prozent zum regionalen BIP beiträgt.

Eine Analyse der chinesischen Erfolgsgeschichte zeigt, dass Digitalisierung durch massive ausländische Direktinvestitionen gefördert worden ist. Federführend waren dabei große US-Konzerne wie Apple und deren Partner sowie weltweit agierende europäische Automobilhersteller wie Volkswagen, ein Konzern, der eine Partnerschaft mit einem chinesischen Batterieproduzenten eingegangen ist. Dieser Trend wird sich im laufenden Jahrzehnt noch fortsetzen, vor allem deshalb, weil das wirtschaftliche Umfeld, das durch High Tech Giganten in China geschaffen wurde, den Herstellern Zugang zu zahlreichen Konsumenten verschafft.

Chinas Erfolgsgeschichte zeigt, dass Digitalisierung ein globaler Prozess ist, der zahlreiche Möglichkeiten einer Win-Win-Kooperation zwischen China und der EU eröffnet. In China entwickelte Technologien und Innovationen kommen zunehmend in Europa zum Einsatz.

Es gibt zudem ein hohes Potenzial für den Einsatz chinesischer Drohnen für den Zustellbetrieb und die Verwendung von Robotern in Restaurants, Hotels oder sogar Kaffeeläden in der Europäischen Union. Meituan und Orionstar sind gerade dabei, sich auf diesem Markt zu positionieren.

Im Einzelhandel erleben wir in China das Aufkommen neuer Verkaufsmodelle und neue Weisen des Onlineshoppings durch automatisierte Dienstleistungen, welche die digitale Transformation beschleunigen.

Entsprechende Geschäftsmodelle liefern Livestream-Plattformen wie Kuaishou und Douyin, sowie Alibaba's Taobao Live and JD Live. Auf der einen Seite werden der E-Commerce durch mehrgleisige Netzwerke wie Xinxuan gefördert, die es dem chinesischen Konsumenten erleichtern, einen direkten Zugriff auf europäische Markenprodukte zu erlangen, andererseits inspirieren diese technischen Vorbilder eine Revolution des Einzelhandels in Europa.