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Warum forscht ein deutscher Psychotherapeut zur Seelenlage der Chinesen?

Von Zhao Piao  ·   2021-06-01  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Psychotherapie;Deutschland
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Vor drei Jahren ist das Buch unter dem Titel „Begegnungen im Reich der Mitte – mit psychologischem Blick unterwegs in China“ in Deutschland erschienen. Ein Buch, das zeigen soll, wie die Chinesen ticken: Was fühlen sie, wie verhalten sie sich, wie beziehen sie sich auf andere Menschen, wie machen sie Geschäfte, wie lösen sie Konflikte und wie erleben sie sich selbst?   

 

Der Autor des Buches, Ulrich Sollmann, zugleich Psychotherapeut, Politikberater und Gastprofessor an der Shanghai University of Political Science and Law, ist seit Jahren regelmäßig in China tätig und führt dabei Feldforschung zur psychischen Situation der Menschen in China durch. Bisher sind zwei seiner psychologischen Publikationen auf Chinesisch erschienen und er sucht zurzeit einen chinesischen Verlag für dieses Buch. 

Warum beschäftigt er sich in seiner Forschung mit Chinesen? Wer ist die Zielgruppe dieses Buches in Deutschland? Welche Wirkung erhofft er sich von diesem Buch? Auf diese Fragen geht Ulrich Sollmann im Interview mit der Beijing Rundschau ein. 

 

Ulrich Sollmann (erster von rechts) gemeinsam mit einer Delegation des Deutsch-Chinesischen Symposiums für psychosomatische Medizin beim Besuch einer TCM Klinik in Beijing. (Foto mit freundlicher Genehmigung des Interviewten) 

Eine Lücke füllen 

Als Mitglied der Deutsch-Chinesischen Akademie für Psychotherapie (DCAP), die im engen Austausch mit chinesischen Partnern die Entwicklung der Psychotherapie in China fördert, wurde Sollmann vor fast zehn Jahren zum ersten Mal zu einem Psychotherapie-Workshop nach China eingeladen. 

„Wenn ich in einer anderen Kultur unterwegs bin, gehe ich gerne zu Fuß, weil mir wichtig ist, Menschen zu begegnen“, sagt Sollmann. Er erinnert sich noch deutlich daran, dass er damals mehr als eine Woche lang zwischen Glockenturm und Verbotener Stadt durch die Hutongs in Beijing gestreift ist. Dabei hat er viele Eindrücke gewonnen, interessante und nette Erfahrungen mit den Menschen gesammelt und auch gemerkt, dass er nicht nur beruflich, sondern auch persönlich dazu motiviert ist, sich den Menschen in China zu öffnen und mehr über ihre Kultur zu erfahren. Von da an ist sein Entschluss gereift, Berichte über seine Chinaerfahrungen zu verfassen.  

 

Schnappschuss bei einem Abendspaziergang durch einen Hutong in Beijing im Juli 2013. (Foto mit freundlicher Genehmigung des Interviewten) 

Die Perspektive, die Sollmann in dem Buch einnimmt, ist unter deutschsprachigen Veröffentlichungen zu China ganz neu. Er meint, dass hier erstmals mit den Augen des Psychotherapeuten auf das China von heute geblickt werde. „Es gibt reichlich Literatur über  Politik, Wirtschaft, Geschichte und Kultur Chinas. Aber es gibt kaum Literatur, die sich  unmittelbar mit den persönlichen Erfahrungen der Menschen beschäftigt“, erklärt er. Deshalb ist er vor allem daran interessiert, diese Lücke zu füllen. „Ich möchte die Menschen in Deutschland damit vertraut machen, dass es in China nicht nur Politik, Wirtschaft, Kunst oder Geschichte gibt, sondern auch ganz lebendige Menschen, die so sind wie ich und du“, sagt er. 

China unter die Lupe genommen 

Allerdings bemerkt er, dass in Deutschland beziehungsweise Europa seit einigen Jahren sehr verhärtete Fronten bestehen, wenn es um China geht: Entweder betreibt man „China-Bashing“ oder „China-Loving“. Diese Polarisierung ist nicht nur in den Medien spürbar, sondern auch in der Bevölkerung.  

„Viele kritisieren China, während einige wenige China lieben“, sagt er und weist darauf hin, dass es Vorurteile und Stereotype über China gebe, die oft wiederholt würden. Nach seiner Meinung besteht eine große Diskrepanz zwischen diesem Chinabild und der Realität des Landes. 

Ulrich Sollmann (zweite Reihe Mitte) in seinem Workshop zum Thema „Sexualität und Beziehung“ in Shanghai im Frühjahr 2017. (Foto mit freundlicher Genehmigung des Interviewten) 

Wegen dieser Polarisierung gerät auch Sollmann selbst häufig in die Lage, sich für eine Seite der Medaille entscheiden zu sollen: 'Bist du für oder gegen China?' heißt es dann schnell. „Darum aber geht es mir gar nicht“, sage er dann immer und füge hinzu, dass er zwischen „China-Bashing“ und „China-Loving“ vermitteln wolle, dies aber sehr schwierig sei.  

So habe ein Ziel beim Schreiben dieses Buches darin bestanden, eine Ergänzung zur oft einseitigen Berichterstattung der Medien zu liefern und dadurch eine Warte einzunehmen, von der aus nicht nur auf Politik und Wirtschaft Chinas geblickt werden könne, sondern auch auf die Menschen des Landes.  

„Wir sind nicht alle der gleichen Meinung, es gibt Unterschiede zwischen Menschen, Kulturen und Gesellschaften. Aber es ist wichtig, in Kontakt miteinander zu bleiben, auch wenn der Kontakt nur sporadisch ist. So können wir uns trotz aller Unterschiede begegnen und unsere Gesellschaften zusammenwachsen lassen“, meint Sollmann. Er nennt dies die „Menschen-zu-Menschen-Diplomatie“. Ganz im Sinne dieser Diplomatie sucht er den intensiven gemeinsamen Austausch. 

Mit Blick auf die Zukunft zeigt er sich zuversichtlich, dass er seine Arbeit fortsetzen und weiter schreiben werde, um dadurch eine breitere Öffentlichkeit für seine Botschaft zu erreichen. Auch habe er vor, weiterhin nach China zu reisen. „Wenn sich jemand unsicher ist, ob er nach China reisen soll oder nicht, so werde ich ihn immer ermutigen, dorthin zu gehen!“ 

LINKS:

Adresse: BEIJING RUNDSCHAU Baiwanzhuanglu 24, 100037 Beijing, Volksrepublik China


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