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Crashkurs in Disziplin: Ein amerikanischer Schüler in China |
Von Liangliang Wang · 2016-08-02 · Quelle:Beijing Rundschau |
Stichwörter: Schulsystem in China; Bildung | Druck |
Denkt man an das Schulsystem der USA, fallen einem sofort zwei Begriffe ein: frei und kreativ. Und es stellt sich die Frage, wie es einem amerikanischen Schüler ergehen würde, wenn er an eine chinesische Schule kommt, die nach ganz anderen Prinzipen funktioniert. Eddie, ein 16-jähriger Austauschschüler aus North Carolina, kann diese Frage nach einem halben Jahr in Chengdu in der Provinz Sichuan aus eigener Erfahrung beantworten.
Eddie nimmt an allen Aktivitäten der Klasse teil.(Foto: Experimental School of Shuangliu Middle School)
Im Juli vergangenen Jahres erhielt die Mittelschule Shuangliu eine Anfrage von der Camelot Academy im US-Bundesstaat North Carolina. Ein 16-jähriger Schüler bat darum, ein Semester in Shuangliu verbringen zu können. „Obwohl es in China Tradition ist, dass sich Partnerschulen gegenseitig besuchen, bleiben die ausländischen Schüler maximal nur einen Monat hier“, erklärte Herr Yang, Leiter des akademischen Auslandsamts der Schule. Es sei das erste Mal gewesen, dass ein Austauschschüler so lange aufgenommen worden sei.
Was für ein Mensch ist er? Welche Kurse sollen wir ihm anbieten? Mit welchen Lehrern wird er gut klarkommen? Welches Essen kann ihm die Gastfamilie zubereiten, damit er sich möglichst schnell daran gewöhnt? Diese und andere Fragen stellte sich die Schule. Wegen der fehlenden Erfahrungen schrieben sich Schule, Gastmutter und Eddie zunächst Briefe, um sich besser kennenzulernen. Gleichzeitig bereitete sich die Schule auch im Hinblick auf die Lehrer und den Unterricht auf ihn vor.
Am 15. März 2016 war es soweit: Herr Yang und die Gastmutter holten Eddie am Flughafen ab. Der 16-jährige stellte sich schnell auf das Leben in China ein, er fühlte sich wohl und fand schnell Kontakt zu den anderen Schülern. Er machte sogar bei den Freiluft-Tänzen der chinesischen Seniorinnen mit. Alles schien perfekt zu sein. Und dennoch beschwerten sich viele Lehrer bei Herrn Yang über Eddie. Für den Schulleiter ist er zwar ein netter Junge, aber kein guter Schüler.
„Am Anfang schlief Eddie jeden Tag im Unterricht, besonders am Morgen“, erzählt er. Chinesen legen jedoch großen Wert auf Fleiß, so dass es zu Konflikten kam. Für Schulleiter Yang ist klar, dass ein Schüler großen Wert auf den Unterricht legen muss. „Wenn sich unsere Schüler im Ausland nur amüsieren und nicht lernen würden, hätte das auch keinen Sinn.“
Eddie lernt chinesisches Schach spielen (Foto: Experimental School of Shuangliu Middle School)
Wenn ein Lehrer die Eltern eines Schülers sprechen will, werden chinesische Eltern diesem Wunsch sofort nachkommen und die Ratschläge des Pädagogen ernst nehmen. Eddies Vater, der ihn nach China begleitet hatte, sah dies anders. Er achtete weniger auf die Schulleistungen seines Sohnes, sondern vielmehr darauf, dass er sich wohl fühlte.
Eddie erklärte dem Schulleiter, dass er jeden Abend lange mit seinen Freunden chatte und daher morgens übermüdet sei. Mit seiner Gastmutter einigte er sich darauf, dass alle Familienmitglieder jeden Abend um 22 Uhr ihre Handys aus der Hand legen, um ausreichend Schlaf zu bekommen.
Damit ihm der Unterricht mehr bringt, wurden Fächer wie Grammatik, Geschichte und Geographie besonders auf ihn ausgerichtet. Darüber hinaus nimmt Eddie an Kursen über Volkslieder, Schach, Kalligraphie oder traditionelle chinesischer Malerei teil. Jede Woche hat er außerdem 20 Stunden Chinesischunterricht. Morgens lernt er zusammen mit den anderen Schülern und macht Sport. Die Schule ist darum bemüht, dass Eddies Schulzeit sich in nichts von der seiner chinesischen Mitschüler unterscheidet.
Mit Unterstützung der Schule hat er große Fortschritte im Unterricht erzielt. Langsam ist er in der Lage, sich mit seinen Lehrern auf Chinesisch zu unterhalten. Jetzt will er sogar aus eigenem Antrieb abends nach der Schule noch lernen, ein Vorschlag, den die Schule gerne aufgenommen hat. Er kommt pünktlich zur Schule, ist aufmerksam im Unterricht, spielt nicht mehr auf seinem Handy herum und macht seine Hausaufgaben. Wenn er bei einer Prüfung keine 90 Punkte erreicht, ist er frustriert, etwas, das vorher unvorstellbar war,
Zum Ende des Schulhalbjahres schenkte er seinem Chinesischlehrer einen Pfirsichbaum (Pfirsiche und Pflaumen sind Metapher für js Schüler )und wünschte ihm, überall auf der Welt unterrichten zu können. Obwohl sich Eddie noch immer beklagt, dass es zu viele Kurse gibt, er jeden Tag früh aufstehen muss und keine Zeit für die Suche nach einer Freundin hat, ist er zufrieden mit seinem Leben und der Schule. „Ich möchte noch ein Semester hier bleiben“, sagt er.
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