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Eine „verrückte Idealistin“ in China

Von Maike Schulte  ·   2015-07-23  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: verrückte;Idealistin;
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2006 ehrten Su Huimin und Gong Hehua Helma Seidel mit ihrem Buch „Helma – A Nice German Lady" 

Wenig für sich, alles für China 

Die Arbeitsteilung war bei allen Projekten gleich, Seidel lieferte die Idee und sorgte für die Finanzierung, ihre beiden chinesischen Diplomatenfreunde fungierten vor Ort als Vermittler und stellten die nötigen Kontakte her. „Sie hat ihr gesamtes Vermögen für die Hilfsprojekte eingesetzt", erzählt Su. Dabei kam eine beeindruckende Summe zusammen: „Sie hat fast vier Millionen Yuan investiert, 1,2 Millionen Yuan in die Innere Mongolei, 600.000 Yuan für die Armenhilfe in Hebei, 750.000 Yuan in Sichuan, hinzu kamen Geldspenden für den Aufbau von Schulbibliotheken in Zhejiang und für die Gründung einer Grundschule in Henan ", listet er auf. „Die Chinahilfe war ihr Lebensinhalt. Sie verkaufte später sogar die Familienvilla dafür, zog in eine eigene Wohnung in Bad Godesberg und lebte am Ende in einer kleinen Mietwohnung", ergänzt seine Frau.

Als energische Einzelkämpferin und typische Deutsche, die viel las und sich für Philosophie, Geschichte und Kultur interessierte, beschreiben die beiden Chinesen ihre Freundin. „Sie war sehr diszipliniert, arbeitete Tag und Nacht, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei war sie sehr hartnäckig, aber immer freundlich, wenn es um die Sache ging", erinnert sich Su. „Wir haben extra für sie ein Fax angeschafft und danach trudelten über Nacht Neuigkeiten und Ideen von ihr ein", erzählt seine Frau.

Woher aber kamen die große Hilfsbereitschaft und der unermüdliche Idealismus der Deutschen, die in großbürgerlichem Milieu aufgewachsen war? Ihrer Familie gehörten in ihrer Heimatstadt ganze Straßenzüge, sie war vor dem Krieg mit einem Spielwaren- und Porzellangeschäft zu einigem Vermögen gelangt. Die ehemaligen Diplomaten sehen in den familiären Beziehungen eine Ursache für ihr Engagement. „Sie hatte kein Glück mit ihrer Familie, sie hat sich dort nicht wohl gefühlt. Zu ihren drei Geschwistern hatte sie kein enges Verhältnis. Auch die Beziehung zur Mutter war kühl. Nur von ihrem Vater hatte sie eine sehr hohe Meinung", berichtet Gong. Und dessen Motto lautete: Wenn du traurig bist, dann hilf den anderen.

Glückloses Privatleben 

Dieser Leitsatz bestimmte dann ihr ganzes Leben. „Nur wenn Helma etwas für andere getan hat, war sie zufrieden", erzählt die Chinesin weiter, dafür habe sie ihre ganze Kraft eingesetzt. Für sich selbst hatte sie weniger Fürsorge übrig. „Sie war hart gegen sich selbst, sehr sparsam, ordentlich und diszipliniert, eben ein Mensch aus jener Zeit", erinnert sich Gong. In einem besonders kalten Winter planten die drei die Gründung einer Grundschule in der Provinz Henan. „Wir wollten warten, bis es wieder wärmer wird. Sie konterte ärgerlich: die Kinder könnten jedoch nicht weiter warten. Sie bestand energisch darauf, ungeachtet ihres Alters und der strengen Kälte sofort aktiv zu werden", erinnert sich ihr Mann in diesem Zusammenhang.

Helma A. Seidel selbst nannte sich eine „verrückte Idealistin". Auch angesichts ihres eigenen Todes hatte sie vor allem ihre Hilfsprojekte im Kopf. Viel Geld war ihr aufgrund ihres Engagements nicht mehr geblieben, als sie 2003 kurz vor einer geplanten Reise nach Beijing starb. Und das sollte nicht für eine aufwändige Bestattung, sondern für ihre Projekte ausgegeben werden. „Sie wurde auf eigenen Wunsch anonym beigesetzt. Wir wissen nicht, wo ihr Grab liegt", erzählt Gong.

So hatte ihr Engagement bei aller Bewunderungswürdigkeit auch einen traurigen Beiklang. „Sehr viel Glück hat sie in ihrem persönlichen Leben nicht gehabt. Sie war reich, aber ihr Leben war nicht reich, daher wollte sie wahrscheinlich anderen helfen", lautet das leicht melancholische Fazit der Chinesin.

Zumindest hat sie in China Anerkennung für ihre Wohltätigkeit erfahren. 2004 wurde sie posthum mit dem Freundschaftspreis, eine besondere Auszeichnung, der sonst nur an lebende Ausländer verliehen wird. Und Su und Gong haben sie und ihre Familiengeschichte 2006 in ihrem Buch „Helma - A Nice German Lady" gewürdigt.

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