Chinakenner Martin Jacques analysiert die Entwicklung im Reich der Mitte mit nicht-westlichen Methoden. 

Martin Jacques （WEI YAO）  

Wird China auf seinem Weg der Modernisierung dem Westen immer ähnlicher? Der britische Autor, Journalist und Radiomoderator Martin Jacques glaubt nicht daran, seiner Ansicht nach ist diese Annahme reines „Wunschdenken". 

In seinem Buch "When China Rules the World: The End of the Western World and the Rise of a New Global Order" behauptet er, dass sich Chinas Modernität aus einer nicht-westlichen Geschichte und Tradition entwickelt. Das Land werde einen starken Einfluss auf die Welt ausüben, sowohl politischer, kultureller als auch wirtschaftlicher Natur, und zwar auf seine ganz eigene Art und Weise, meint Jacques. 

When China Rules the World erschien erstmals 2009 bei Penguin Books. Es wurde in 15 Sprachen übersetzt, darunter Chinesisch, Japanisch, Lettisch, Portugiesisch und Russisch, und mehrmals neu aufgelegt. In China war das Buch ein Bestseller. Auf der Website des Autors heißt es, dass mehr als 300.000 Exemplare verkauft wurden. 

Die weltpolitische Landschaft hat sich seit der Erstauflage entscheidend verändert. 2012 ergänzte und aktualisierte Jacques sein Buch daher um fast 300 Seiten, die auf jüngeren statistischen Daten beruhten. 

Die neue chinesische Ausgabe erschien im März 2016 bei China CITIC Press. Darin gibt es ein Extrakapitel über die Gründe für die Unterschiede zwischen der Deng-Xiaoping-Ära, die Jacques Ansicht nach von 1978 bis 2012 dauerte, und der Xi-Jinping-Ära, die 2013 mit Xis Wahl zum Staatspräsidenten begann. 

Jacques, der von Yan Xuetong, dem Direktor des Instituts für moderne internationale Beziehungen an der Tsinghua-Universität, als „erster Wissenschaftler, der begriffen und erklärt hat, wie sich Chinas Aufstieg auswirken wird", beschrieben wurde, ist kein Sinologe. Er arbeitet als Senior Fellow am Fachbereich für Politik und Internationale Studien an der Universität von Cambridge und als Kolumnist für diverse Zeitungen. Sein Interesse an Ostasien wurde 1993 durch einen dreiwöchigen Urlaub in China, Singapur und Malaysia geweckt, wo er sich in Harinder Veriah, eine Frau indisch-malaysischer Herkunft verliebte und sie heiratete. „Diese drei Wochen haben mein Leben für immer verändert", erzählte Jacques in einem Interview mit der Beijing Rundschau. 

Chinesische Ausgabe von "When China Rules the World"

Mit der Recherche für sein Buch begann er offiziell 1998, damals lebte er mit seiner Familie in Hongkong. In den Folgejahren bereiste er China ausgiebig und versuchte, Chinesisch zu lernen. Einige unerwartete Wendungen in seinem Leben führten dazu, dass er insgesamt zehn Jahre für die Vollendung seines Buchs brauchte. 

Der Tod seiner Frau im Jahr 2000 ließ ihn die Arbeit zum ersten Mal unterbrechen. Von Trauer überwältigt, war er fünf Jahre nicht in der Lage, das Buch fortzusetzen. Als er 2005 schließlich die Arbeit wieder aufnahm, frustrierte ihn, dass er die chinesische Schrift nicht lesen konnte. Glücklicherweise gab es eine Menge englischsprachiger Quellen über China und viele chinesische Wissenschaftler sprachen Englisch, so dass er trotz der Sprachbarriere Zugang zu Statistiken und Informationen erhielt. Im Dezember 2008 konnte er dann sein Manuskript fertigstellen. 

"Ich bin beim Schreiben des Buchs durch die Hölle gegangen. Es war wie eine Besteigung des Mount Everest ohne Sauerstoff", antwortet Jacques auf die Frage, wie er sich bei Erscheinen von When China Rules the World gefühlt habe. Der Mount Everest, in China als Qomolangma bekannt, ist mit einer Höhe von 8844 Metern der höchste Berggipfel der Welt.