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Ehemaliger Botschafter in Deutschland äußert sich zu bilateralen Beziehungen |
Von Ren Bin · 2022-10-12 · Quelle:german.china.org.cn |
Stichwörter: Deutschland;China | Druck |
In einem exklusiven Interview mit China.org.cn blickt Mei Zhaorong, langjähriger chinesischer Botschafter in Deutschland (1988-1997), anlässlich des 50. Jubiläums der diplomatischen Beziehungen auf die deutsch-chinesischen Beziehungen zurück. Um auch in Zukunft weiterhin erfolgreich zusammenzuarbeiten, gibt er außerdem noch konkrete Ratschläge.
Mei Zhaorong, ehemaliger chinesischer Botschafter in Deutschland und ehemaliger Präsident des Instituts des Chinesischen Volkes für die Auswärtigen Angelegenheiten. (Archivbild: China.org.cn)
Am 11. Oktober dieses Jahrs feiern China und Deutschland den 50. Jahrestag der Aufnahme bilateraler diplomatischer Beziehungen. In einem exklusiven Interview mit China.org.cn blickte Mei Zhaorong, der 88-jährige ehemalige chinesische Botschafter in Deutschland und ehemalige Präsident des „Chinese People's Institute of Foreign Affairs“ (CPIFA), zurück auf die Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen in den letzten 50 Jahren und äußerte sich zu aktuellen Herausforderungen. Anschließend gab er noch seine Einschätzungen bezüglich der künftigen Entwicklungsperspektiven.
Die chinesisch-deutschen Beziehungen unter Schmidt, Kohl, Schöder und Merkel
Mei Zhaorong war persönlich an den Verhandlungen über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der Bundesrepublik beteiligt. Jahre später erlebte er auch den Fall der Berliner Mauer und die folgende Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hautnah mit. Von 1988 bis 1997 war er dann fast neun Jahre lang Chinas Botschafter in Deutschland. Doch auch nach seiner Pensionierung setzte er sich für die diplomatische Arbeit weiter ein.
„Zu den drei Altbundeskanzlern, Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder, hatte ich sehr gute Beziehungen. Auch heute erinnere ich mich noch lebhaft an ihre Haltung gegenüber China und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zur Zeit ihrer jeweiligen Kanzlerschaft. Obwohl ich keinen direkten Kontakt mehr hatte mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, habe ich auch ihre Worte und Taten mit Bezug zu China stets genau verfolgt“, erklärte der Botschafter a.D.
Im Jahr 1975 stattete der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt der Volksrepublik seinen ersten Besuch ab. Mei erinnert sich noch sehr klar, dass Schmidt dabei klargestellt habe, dass für ihn „China auf einer Stufe mit den USA und der Sowjetunion“ stehe. Am Ende seines Besuchs sei der deutsche Bundeskanzler zu drei Schlussfolgerungen gekommen.
Die erste Lektion lautete, dass beide Seiten die sowjetische Expansionsdrohung ablehnten. Zweitens hielt Schmidt fest, dass China zwar eine alte Zivilisation mit fleißigen Menschen war, gleichzeitig aber noch ein Entwicklungsland, das wegen seiner rückständigen Wirtschaft Hilfe benötigte. Drittens beeindruckte ihn das Wissen des Vorsitzenden Mao Zedong zutiefst, weshalb er ihn sehr schätzte.
Einige Zeit später, im Mai 1978, leitete Gu Mu, der damalige stellvertretende Ministerpräsident Chinas, eine hochrangige Delegation in fünf westeuropäische Länder. Während des Treffens mit Gu habe Schmidt die Hoffnung geäußert, dass sich Chinas Wirtschaft stark entwickele und dass Chinas Rolle als stabilisierender Faktor in Asien in Zukunft noch stärker werde. Im Oktober desselben Jahres wurde mit einem bilateralen Regierungsabkommen die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China vereinbart. Nach den Worten des damaligen deutschen Bundesministers für Forschung und Technologie, Volker Hauff, sei dieses Abkommen ein Zeichen für einen „qualitativen Wandel“ in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern, erzählte Mei.
Als Chinas damaliger Ministerpräsident Hua Guofeng im Oktober 1979 Deutschland besuchte, habe Schmidt Huas scharfe Analyse der internationalen Lage gelobt und abermals seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass China stärker werden und zukünftig eine größere Rolle in der Weltpolitik spielen würde.
Drei Jahre später, im Jahr 1982, endete Helmut Schmidts Zeit als Bundeskanzler. Aber auch danach habe er in seinen Reden und Schriften China immer wieder verteidigt. So kritisierte er beispielsweise in der Öffentlichkeit, „manche Europäer neigen dazu, amerikanische Vorurteile zu übernehmen, die Volksrepublik China negativ zu beurteilen und den Chinesen moralische Vorwürfe zu machen“.
Einige deutsche Politiker und politische Kommentatoren habe er zudem dafür kritisiert, dass sie meinten, China müsse demokratischer werden. Angesichts der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert hätten die Deutschen jedoch am allerwenigsten das Recht, China, ein Land mit einer Jahrtausende alten Zivilisation, moralisch etwas vorzuwerfen, so Schmidt.
1982 wurde Helmut Kohl neuer Bundeskanzler. Schon gleich nach seinem Amtsantritt machte er deutlich, dass China und Deutschland in wichtigen politischen Fragen weitgehend übereinstimmen würden und es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit gebe, die es zu nutzen gelte.
Bei seinem ersten Staatsbesuch in China als Bundeskanzler im Oktober 1984 schlug Kohl dann ganz explizit vor, dass die beiden Länder ein Signal der langfristigen stabilen Zusammenarbeit aussenden sollten, um zu bestätigen, dass sie sich auf einem gemeinsamen Entwicklungsweg befinden. Darüber hinaus habe er Chinas konsequente Unterstützung der deutschen Wiedervereinigung gelobt, berichtete Mei.
Im Juni 1986 kam Hu Yaobang, der damalige Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (KP) Chinas, für einen Besuch nach Deutschland. Bei dem Treffen lobte Kohl China als einen „besonders wichtigen und vertrauenswürdigen Partner“ der Bundesrepublik Deutschland und bekräftigte, dass Deutschland gegenüber China eine „tiefe und enge Zusammenarbeit“ sowie ein „vertrauensvolles Verhältnis“ anstrebe. Auch auf dem Weg ins nächste Jahrhundert könne man auf dem richtigen Weg voranschreiten.
Im Juli 1987 besuchte Kohl erneut China und bekräftigte dabei die Notwendigkeit einer langfristigen stabilen Entwicklung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Gegenseitige politische Konsultationen, eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit und den gegenseitigen kulturellen Austausch bezeichnete er ferner als „die drei Säulen einer langfristigen stabilen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern“. Und, so versicherte er, Deutschland werde diese drei Säulen weiter stärken.
Im Jahr 1982 schlug die Kohl-Regierung China zunächst das auf nicht zurückzuzahlenden Hilfen basierende „Abkommen über technische Zusammenarbeit“ und drei Jahre später dann das „Abkommen über finanzielle Zusammenarbeit“ in Form von zinsgünstigen Darlehen an. In diesem Zusammenhang spricht man allgemein von „Entwicklungszusammenarbeit“ zum gegenseitigen Nutzen.
Allerdings bemerkte Mei, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen in der 16 Jahre langen Kohl-Kanzlerschaft sowohl Phasen der positiven Entwicklung als auch Phasen mit komplexen und intensiven Auseinandersetzungen durchlebt hätten. Durch das Überkommen der zahlreichen Hindernisse hätten beide Seiten aber große Erfolge erzielt.
Als die westlichen Länder unter Führung der USA im Jahr 1989 gemeinsame Sanktionen gegen China verhängten, war es nach Botschafter Meis Erinnerung der Deutsche Bundestag, der die Sanktionen verkündete, anstelle von der Bundesregierung. Zu dieser Zeit hätte es in westdeutschen Parteien zwar einige Politiker mit chinafeindlicher Einstellung gegeben, aber die wichtigste politische Kraft – vertreten durch Bundeskanzler Kohl – habe trotz der Veränderung der Lage versucht, Wege zu finden, um die Beziehungen zu China schrittweise zu verbessern, erklärte Mei. Zu diesem Zweck traf seine Regierung einige wichtige Entscheidungen, wie zum Beispiel im Jahr 1990, als der damalige chinesische Staatskommissar und Außenminister Qian Qichen zu einem Besuch nach Deutschland im Jahr 1991 eingeladen wurde. Letztlich musste der Besuch auf 1992 verschoben werden, da jemand auf deutscher Seite politische Tricks mit den deutschen Vorschriften für den Empfang ausländischer Politiker gespielt habe, verrät der Altbotschafter.
1993 drückte Kohl dann seine Hoffnung aus, China noch im selben Jahr selbst besuchen zu können. Außerdem lud er den damaligen Ministerpräsidenten Li Peng ein, 1994 nach Deutschland zu kommen. Während Lis Deutschland-Besuch lud Kohl im Namen des damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog den damaligen chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin ein, im folgenden Jahr Deutschland zu besuchen. Kohl selbst besuchte im selben Jahr erneut China und dabei auch eine Einheit der Volksbefreiungsarmee (VBA).
„Die Einladungen von Außenminister Qian Qichen und Ministerpräsident Li Peng waren beides 'Tabubrüche' damals“, erinnert sich Mei. Während der zwei Visiten hätten chinafeindliche Kräfte in Deutschland tragische Zwischenfälle angezettelt. „Letztendlich wurden jedoch nicht nur einige Barrieren abgebaut. Man hat dadurch auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern gefördert“, erzählte Mei im Interview.
„Der damalige Generaldirektor für Asien im Auswärtigen Amt sagte mir unter vier Augen, dass der Besuch von Außenminister Qian - obwohl er von hitzigen Auseinandersetzungen geprägt war - einen 'Wendepunkt' in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern darstellte. Bei seinem Treffen mit Ministerpräsident Li Peng machte Kohl deutlich, dass er sich immer dafür eingesetzt habe, die bilateralen Beziehungen zwischen zwei Ländern von Menschenrechtsfragen zu trennen. Der Altkanzler sei entschieden dagegen gewesen, dass einige Leute die 'Menschenrechtsfragen' nutzen, um China anzugreifen“, berichtet Mei.
In der Zeit von Juni 1989 bis Ende 1996 waren die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ländern im Zusammenhang mit Menschenrechten, Tibet und dem Verkauf von U-Booten an Taiwan dann allerdings so intensiv wie nie zuvor. Als damals amtierender Botschafter und Zeitzeuge der diplomatischen Situation betont Mei, es sei der starken und richtigen Führung der KP Chinas und des Landes sowie der Unterstützung einiger China-freundlicher Persönlichkeiten wie Kanzler Kohl zu verdanken, dass die chinesisch-deutschen Beziehungen sich in diesem Zeitraum trotzdem positiv entwickelt hätten. So entschied die Regierung unter Kohl im Jahr 1995 schließlich, alle Sanktionen gegen China aufzuheben – mit Ausnahme des Waffenembargos. Im November 1996 besuchte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog China, was die Wiederherstellung der bilateralen Beziehungen nach der schwierigen Zeit bedeute, führte Mei aus.
Im Jahr 1998 wurde Gerhard Schröder von der SPD zum Bundeskanzler gewählt. „Als Aktivist der deutschen Studentenbewegung in den 1960er Jahren hatte Schröder Sympathien für China. Als niedersächsischer Ministerpräsident und Mitglied des Aufsichtsrats von Volkswagen (VW) wusste er, dass der Konzern von einer Zusammenarbeit mit China enorm profitiert hat. Er setzte sich auch für die Aufhebung des Waffenembargos gegen China ein, was jedoch aufgrund der politischen Opposition durch den damaligen Koalitionspartner die Grünen nicht möglich war“, erinnert sich Mei. Schröders erster Besuch in China habe dann aber einem ganz anderen Zweck gedient: Im Namen eines NATO-Mitgliedstaates habe er sich bei China für die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch die USA entschuldigt.
Im Mai 2004 vereinbarten Schröder und Chinas damaliger Ministerpräsident Wen Jiabao im Rahmen der strategischen Partnerschaft EU-China eine „strategische Partnerschaft in globaler Verantwortung“ und jährliche offizielle Konsultationen auf hoher Regierungsebene. Gegenüber Mei habe Schröder einmal verraten, dass er an derselben China-Politik festhalte wie sein Vorgänger Helmut Kohl.
Auch nach seinem Abtritt als Bundeskanzler im Jahr 2005 wandte sich Schröder weiterhin konsequent gegen die „Dämonisierung Chinas“ und machte immer wieder klar, dass sowohl Europa als auch Deutschland China bräuchten - nicht nur im Hinblick auf die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit, sondern auch bei der Lösung globaler Probleme.
Ende 2005 übernahm die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel das Amt der Bundeskanzlerin. Noch im Oktober desselben Jahres erklärte Merkel als designierte neue Bundeskanzlerin gegenüber den Medien, dass sie in ihrer Politik gegenüber China „Kontinuität“ bewahren werde. Trotz dieser Ankündigung begann sie gleich nach ihrem Amtsantritt jedoch damit, wiederholt die Menschenrechtslage in China zu kritisieren. Sie bezeichnete den Aufstieg Chinas als ernste Herausforderung für Deutschland und die EU und plädierte dafür, mit „ständig wachsendem Verantwortungsbewusstsein“ und „internationalen moralischen Regeln“ Chinas Innen- und Außenpolitik einzubinden. Auf diese Weise sollte China in das vom Westen dominierte internationale Governance-System eingegliedert werden.
Im September 2007 traf sie sich trotz starken Protests seitens Chinas mit dem Dalai Lama und wollte ihn sogar beim Streben nach „Autonomie“ unterstützen, was zu einem neuen Tiefpunkt in den deutsch-chinesischen Beziehungen führte.
Im Jahr 2008 brach die internationale Finanzkrise und ein Jahr später die europäische Staatsschuldenkrise aus. Sowohl die deutsche als auch die europäische Wirtschaft wurden hart davon getroffen.
Vor diesem Hintergrund hat Merkel - so glaubt der Botschafter a.D. - eine stärkere Zusammenarbeit mit China wieder in Betracht gezogen und sich dementsprechend mit ihrer wertebasierten Chinapolitik etwas zurückgehalten. So erklärte Merkel bei ihrem vierten Besuch in China im Juli 2010 ihre Bereitschaft, eine „umfassende strategische Partnerschaft“ mit China zu fördern, und vereinbarte die Einrichtung regelmäßiger Regierungskonsultationen.
Im Jahr 2013 besuchte Ministerpräsident Li Keqiang Deutschland, ein Jahr später dann Präsident Xi Jinping. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden in der Folge von einer „strategischen Partnerschaft mit Blick auf die Zukunft“ im Jahr 2012 zu einer „umfassenden strategischen Partnerschaft“ aufgewertet, wobei beide Seiten gemeinsam den „Aktionsrahmen für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit: Innovation gemeinsam gestalten!“ veröffentlichten. Außerdem erzielten sie einen Konsens über die bessere Abstimmung zwischen Chinas Strategie „Made in China 2025“ und dem deutschen Projekt „Industrie 4.0“, wodurch sich für beide Länder Perspektiven für eine Ausweitung und Verbesserung ihrer Zusammenarbeit auf höherem Niveau eröffneten.
Da sich Chinas Wirtschaft jedoch weiterhin rasant entwickelt, seine Produkte immer wettbewerbsfähiger werden und sein internationaler Einfluss zunimmt - insbesondere nach der Übernahme des deutschen Roboterherstellers KUKA durch den chinesischen Midea-Konzern -, hat Deutschland seine Politik für Technologietransfers gegenüber China deutlich verschärft. Mehrere deutsche Politiker haben in diesem Kontext neue Versionen der angeblichen „China-Bedrohungstheorie“ verbreitet.
Im Januar 2019 veröffentlichte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) beispielsweise einen ausführlichen Artikel mit dem Titel „Partner und systemischer Wettbewerber – Wie gehen wir mit Chinas staatlich gelenkter Volkswirtschaft um?“ Darin wird die deutsche und die europäische Politik aufgefordert, mit harten Gegenmaßnahmen gegen Chinas 'systemische Herausforderungen' vorzugehen.
Im März desselben Jahres veröffentlichte die EU auf Betreiben Deutschlands eine neue Anpassung ihrer China-Politik, in der sie China in erster Linie als „systemischen Rivalen“ bezeichnete und die Beziehungen zwischen China und der EU damit zu einem Kampf der Systeme machte.
Am 27. Mai 2020 sprach Merkel in einer Videokonferenz in der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) über die Außen- und Sicherheitspolitik während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte. Darin sagte sie: „China ist […] ein Land, mit dem es tiefgreifende Unterschiede in Fragen der Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie und der Menschenrechte gibt.“ Sie sprach sogar von „grundsätzlichen Unterschieden“ und erklärte, dass Europa nur in Zusammenarbeit mit den USA und der NATO eine wichtige Rolle im Weltgeschehen spielen könne.
Im Oktober 2020 hat die damalige deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer öffentlich zugegeben, dass Deutschland mit dem von Donald Trump geführten Handelskrieg einverstanden sei und die verschiedenen Anschuldigungen und Vorwürfe gegen China „teilt“. Mei zufolge spiegelt dieses Statement gerade die China-Politik der Bundesregierung wider. Allerdings hat Kramp-Karrenbauer auch erklärt, unilaterale Maßnahmen und Schritte, die gegen die regelbasierte internationale Ordnung verstoßen, lehne Deutschland dagegen jedoch ab. Erst nachdem Trump dann auch gegen die EU und gegen Deutschland einen Handelskrieg begann, laut forderte, Deutschland solle seinen Handelsüberschuss mit den USA reduzieren und seinen Verteidigungshaushalt erhöhen, und sich gegen die Nord Stream-2-Pipeline mit Russland aussprach, beklagte Merkel: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei.“
Der chinesische Diplomat verweist auch auf einen Artikel von Noah Barkin, einem führenden spanischen Gastwissenschaftler (Senior Visiting Fellow) am Forschungszentrum des German Marshall Fund. In einem seiner Artikel heißt es, obwohl Deutschland die EU im Frühjahr 2019 dazu drängte, China zu einem „systemischen Rivalen“ zu erklären, sei sich Merkel ihrer eigenen Verwundbarkeit bewusst gewesen. Deshalb habe sie gezögert und sei vorsichtig gewesen, Washington in der offenen Konfrontation mit Beijing zu folgen. Der Grund dafür sei gewesen, dass sie einerseits Deutschlands wirtschaftliche Interessen schützen und andererseits verhindern wollte, dass Deutschland sich dem willkürlich und unberechenbar agierenden Donald Trump ausliefert.
„Entkopplung“ zwischen China und Deutschland nicht möglich
Ende 2021 trat die neue Bundesregierung, die aus einer Koalition von SPD, Grünen und FDP besteht, offiziell ihr Amt an. Mit dieser neuen sog. Ampel-Koalition sind viele neue Hindernisse für die bilaterale Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen entstanden. Dafür gibt es laut Mei komplexe Gründe: „Ein Faktor ist, dass der rasante Aufstieg Chinas und zahlreicher anderer Schwellenländer das internationale Machtgleichgewicht verändert und bei den Machthabern in den USA und im entwickelten Europa ein wachsendes Gefühl der 'Unsicherheit' hervorgerufen hat.“
Außerdem würden viele führende Politiker in Deutschland - einem Land, das lange Zeit an vorderster Front der amerikanisch-sowjetischen Konfrontation gestanden hatte - auch nach der deutschen Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges die Systemunterschiede immer noch aus der „Perspektive des ideologischen Kampfes“ betrachten. Besonders gegenüber China - einem sozialistischen Land, das große Errungenschaften erzielt hat - würden sie Vorurteile hegen. Als Konsequenz hätten sie vorgeschlagen, gegenüber China eine sog. wertebasierte Politik zu betreiben, d. h. China an den westlichen Konzepten von Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu messen, ideologisch zu infiltrieren und nach ihren Werten zu verändern.
Der zweite wichtige Faktor sei der starke Einfluss der USA. Einige deutsche Politiker argumentieren laut Botschafter Mei wiederholt, dass Deutschland für seine eigene Sicherheit auf die USA angewiesen sei. Nur durch die Zusammenarbeit mit den USA und der NATO könne Europa eine Rolle in der internationalen Politik spielen.
Als drittes kommt Mei zufolge noch hinzu, dass einige Politiker die Wähler durch ein solches Narrativ beeinflussen und ihre Gunst für sich gewinnen wollten, um ihre eigene Politik umsetzen zu können.
Darüber hinaus wies er darauf hin, dass deutsche Unternehmen in den 50 Jahren der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht nur die ersten waren, die Chinas Reformen und Öffnung große Beachtung schenkten, sondern auch die ersten, die von Chinas Öffnung profitierten und eine Win-win-Kooperation auf der Grundlage gegenseitigen Respekts erreichten.
Der ehemalige Botschafter macht daher auch klar, dass es nur „sehr wenige Stimmen“ gebe, die eine „Entkopplung“ von China befürworten, während es sehr viele gebe, die sich gegen eine Verringerung der „Abhängigkeit“ von China aussprechen.
Mei erklärte, dass Deutschland und die EU nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise mehrere Runden harter Sanktionen gegen Russland verhängt hätten. Die Auswirkungen der Gegenreaktion seien nun aber auch für sie selbst deutlich zu spüren: Energie sei knapp geworden, die Inflation steige, das Risiko einer Rezession sei groß und die Unzufriedenheit der Bevölkerung nehme in der Folge zu.
Die Mehrheit der deutschen Unternehmen wolle auch weiterhin in China aktiv sein, da sie der Meinung seien, dass die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit mit China der deutschen Wirtschaft in diesen schwierigen Zeiten zugutekomme. Mei zieht daraus die folgende Schlussfolgerung: „Alles deutet darauf hin, dass eine 'Entkopplung' zwischen China und Deutschland unmöglich ist.“
Gemeinsame Interessen überwiegen klar die Differenzen
Am Ende nennt Mei drei wertvolle Lehren, die aus der Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen in den letzten 50 Jahren gezogen werden können.
Erstens hänge die reibungslose Entwicklung der deutsch-chinesischen Beziehungen davon ab, ob die beiden Länder mit den Unterschieden in ihren Systemen richtig umgehen und tatsächlich „einander respektieren und ungeachtet der bestehenden Differenzen ihre Gemeinsamkeiten suchen.“ Sollte die eine Seite jedoch versuchen, die andere mit ihren eigenen Werten zu verändern, würden die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zwangsläufig Schaden nehmen. Nur wenn beide Seiten sich gegenseitig respektieren, ihre Kerninteressen und wichtigsten Anliegen verstehen und berücksichtigen, könnten sich ihre Beziehungen auch weiter reibungslos entwickeln.
Zweitens sind sowohl China als auch Deutschland wichtige Länder für die Fertigungsindustrie und den Export mit komplementären Wirtschaftsstrukturen, so dass ihre Zusammenarbeit für beide Seiten Vorteile schaffen könnte. China ist schon seit sechs Jahren in Folge Deutschlands größter Handelspartner und das Handelsvolumen zwischen China und Deutschland macht etwa 30 Prozent des Handelsvolumens zwischen China und ganz Europa aus. Daraus kann man eindeutig schließen, dass die Wirtschafts- und Handelskooperation zwischen China und Deutschland innerhalb der chinesisch-europäischen Beziehungen am wichtigsten ist.
Drittens sei die richtige Führungsrolle der Staats- und Regierungschefs beider Länder in den bilateralen Beziehungen entscheidend und unerlässlich. Was die Zukunft der deutsch-chinesischen Beziehungen angeht, so zeigt sich Mei nach wie vor zuversichtlich: „Solange die Regierenden in Deutschland ausgehend von ihrem eigenen Interesse handeln, ihr Verständnis von China wirksam korrigieren, ihre strategische Autonomie beibehalten anstatt sich von den USA an der Nase herumführen zu lassen, werden sie erkennen können, dass die gemeinsamen Interessen zwischen China und Deutschland ihre Differenzen bei weitem überwiegen.“
Beide Seiten sollten die erfolgreichen Erfahrungen aus 50 Jahren diplomatischer Beziehungen weiterführen und die bilateralen Beziehungen vorantreiben. Zu diesem Zweck unterbreitete er in dem Gespräch die drei folgenden konkreten Vorschläge.
Erstens gelte es, das gegenseitige politische Vertrauen zu stärken und die Kerninteressen des anderen zu achten. Die Bundesrepublik Deutschland hat seit ihrer Gründung keine offiziellen Beziehungen zu Taiwan aufgenommen, während China seinerseits die deutsche Nation damals in ihrem Streben nach der Wiedervereinigung stets unterstützt hat. Dies zeugt von der Weitsicht der führenden Politiker beider Länder. Beide Seiten sollten auch in der Zukunft weiterhin den Grundsatz der gegenseitigen Achtung der Kerninteressen und der wichtigsten Anliegen der jeweils anderen Seite anwenden, so Mei.
Zweitens sollte die für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden. Die pragmatische Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Handel und Gewerbe, Wissenschaft und Technologie sowie Klimawandel sollte verstärkt werden, anstatt gegenseitige Investitionen oder andere Bereiche des Austauschs zu behindern.
Drittens sei es notwendig, auch die Verbundenheit der Menschen beider Länder zu fördern. Der Austausch in den Bereichen Kultur, Tourismus, Jugend, Medien und Denkfabriken sollte weiter verstärkt werden, um das gegenseitige Verständnis kontinuierlich zu verbessern. Auf diese Weise, so der Altbotschafter, könne die öffentliche Meinung als Basis für die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern aufgebaut werden.
* Die Meinung des Gesprächspartners spiegelt die Position unserer Webseite nicht notwendigerweise wider.
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