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Die treibende Kraft (Teil 2)

Von Peter Walker  ·   2019-01-09  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: China;USA
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Huang Shuangxi (rechts), ein Dorfflusschef in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, fischt am 28. November mit einem Kollegen Abfall aus dem Shijiabian-Fluss. Die Flusschefs sind für den Ressourcenschutz, die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und die ökologische Wiederherstellung verantwortlich, nach einem landesweiten Plan, der 2016 gestartet wurde. (Xinhua) 

Anmerkung des Autors: Meine erste Berührung mit China war eine spirituelle Reise vor über 35 Jahren. Ich habe China inzwischen über 80 Mal als Berater besucht und mich mit Hunderten von Menschen aus allen Bevölkerungsschichten beschäftigt und ausgetauscht.  

Diese Beziehungen führten dazu, dass ich einen tiefen Respekt und Verständnis für die chinesische Geschichte, Kultur, Regierung und Lebensweise entwickelte. Ich habe die hochkompetenten und gebildeten Führungskräfte und Regierungsbeamten des Landes kennengelernt, den hohen Grad an Stolz auf das, was China erreicht hat, erlebt und das intensive Engagement für die Familie und die Zukunft Chinas aus erster Hand gesehen.   

Ich lese ausführlich über die chinesische Geschichte, Philosophie und Literatur, die von östlichen und westlichen Autoren gleichermaßen geschrieben wurde. Ich habe die Artikel und Editorials in der westlichen Presse aufmerksam verfolgt. Das Bild von China, das sich aus diesen westlichen Quellen ergibt, unterscheidet sich sehr von meinen persönlichen Erfahrungen. Wörter wie „autoritär“, „unterdrückt“, “ohne Menschenrechte“, „unfaire Handelspraktiken“, „militärische Bedrohung“ und „Unterdrückung von Minderheiten“ passen einfach nicht ins Bild. In meinem Buch, das nächstes Jahr erscheint, geht es genau um diese Kluft zwischen meinen persönlichen Erfahrungen und dem Bild, welches in den (westlichen) Medien von China gezeichnet wird.  

In diesem zweiteiligen Artikel spreche ich zwei Schlüsselthemen an, die eng miteinander verbunden sind: Was sind die Kernstärken, die das Wirtschaftswachstum Chinas seit der Reform und Öffnung antreiben? Welches sind die „Hauptwahrnehmungsfehler“ des Westens gegenüber China und wodurch werden sie verursacht?   

Teil II: Die falschen Vorstellungen des Westens über China

Starke Falschdarstellungen von China und der chinesischen Lebensweise sind in den Nachrichten und der Politik der USA weit verbreitet. Einige dieser Nachrichten werden von der Angst getrieben, wirtschaftlich übertroffen zu werden, aber die meisten basieren auf einfachen, aber bedeutenden Missverständnissen über Chinas Geschichte und Kultur, Lebensweise, Entwicklung des Landes und inhärenten Gegensätze zwischen einer individualistischen Kultur wie den USA und einer kollektivistischen Kultur wie China.

Westliche Nachrichten kritisieren China in einer Reihe von Fragen, darunter Handel, geistige Eigentumsrechte, das Südchinesische Meer und die Behandlung von Muslimen in Xinjiang. Die meisten dieser Kritiken stellen Chinas Absichten in Frage, ohne dabei Fakten zu berücksichtigen.

Den Kern des Problems trifft am besten ein Zitat von Hank Greenberg, der AIG zum weltweit führenden Versicherungsunternehmen gemacht hat und über umfangreiche Erfahrung in China verfügt. Er sagte: „Die Geschichte und Kultur der Länder (USA und China) sind sehr unterschiedlich, daher ist es unrealistisch zu erwarten, dass China ein politisches System hat, das mit jedem anderen vergleichbar ist.“

In diesem Sinne möchte ich die folgenden Punkte als zentrale US-Fehleinschätzungen über China anführen:

1. Die USA sind der Ansicht, dass jede andere Regierung als eine westliche Wahldemokratie nicht verantwortlich agiert und daher nicht legitim ist.

Das chinesische Modell, wie bereits beschrieben, wählt Führungskräfte leistungsorientiert aus, indem es die Leistung und den Respekt der Kollegen im Laufe der Zeit untersucht – und es funktioniert. Die gemeinsamen Ergebnisse der chinesischen Führer sind beeindruckend, und ich kann persönlich bestätigen, dass die Führungskräfte sehr erfahren sind, kompetent agieren und ihnen das chinesische Volk sehr am Herzen liegt. Im Gegensatz dazu kämpft das US-System damit, Schlüsselfragen konkret anzugehen, da deren Mehrparteien-Wahlsystem eher auf teuren Medienkampagnen als auf relevanten Erfahrungen und Errungenschaften basiert. Während sich das US-System stark von dem Chinas unterscheiden kann, ist es unmöglich zu leugnen, dass Chinas Modell äußerst effektiv ist und seinen Bürgern gut dient.

2. Die USA neigen dazu zu denken, dass China in die gleiche Richtung gehen wird wie die damalige UdSSR.

Die ehemalige UdSSR war militärisch aggressiv, während China es nicht ist. Die Gefechte im Südchinesischen Meer mit der Übernahme Osteuropas und des Baltikums zu vergleichen, ist wahrlich übertrieben. China konzentriert seine Bemühungen seit mehr als 40 Jahren auf die Verbesserung des Wohlergehens seiner Bevölkerung und hob 700 Millionen aus der Armut. Die jüngste Wirtschaftsleistung Chinas im Zuge der Reform und Öffnung ist spektakulär.

3. Die USA werfen China vor, die Menschenrechte zu beschränken.

Kein Thema erzeugt mehr Kritik von den USA an China als die Wahrnehmung, dass das chinesische Volk keine Menschenrechte hat. Vor vierzig Jahren bestimmte das Hukou-System (Haushaltsregistrierungssystem) in China, wo Sie wohnten und welchen Job Sie ausübten. Das Reisen außerhalb Ihres Dorfes erforderte die Zustimmung der Regierung. Heute ist das allerdings nicht mehr so. Das Hukou-System wird nun verwendet, um zu bestimmen, welche öffentlichen Dienstleistungen ländliche chinesische Migranten, die in städtischen Gebieten leben, in Anspruch nehmen können.

Wenn ich die Chinesen nach persönlichen Freiheiten frage, lautet die typische Antwort: „Ich kann tun, was ich will.“ Wenn es um politische Freiheiten geht, lautet die durchschnittliche Antwort: „Wir haben ein System, das in den letzten 40 Jahren auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert hat. Warum sollte ich versuchen, die Regierung zu untergraben?“

Das bedeutet nicht, dass das chinesische Volk keine Beschwerden gegen die Regierung hat und sie nicht ausdrücken kann – solche Beschwerden bestehen und diese können auch angebracht werden. US-Kritiker erkennen die Realitäten des chinesischen Modells nicht an.

4. Die USA ignorieren die historischen Unterschiede zwischen den beiden Ländern.

Die USA ignorieren typischerweise zwei wichtige historische Unterschiede zwischen den beiden Ländern. Der erste Unterschied liegt in der Rolle der Zentralregierung.

In den USA beschlossen die Gründerväter eine „minimalistische“ Regierung, die Unternehmer oder Geschäftsleute, die gleiche wirtschaftliche Chancen suchen, nicht behindern kann. Sie versuchten, dem klassengetriebenen Wirtschaftsmodell zu entkommen, das in Europa vorherrschte. Das minimalistische Ziel führte zu einem gespaltenen Zweiparteiensystem, einem Machtgleichgewicht in der Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative, Judikative) und regelmäßigen Wahlen.

Chinas starke Zentralregierung, die Jahrtausende alt ist, entstand aus der Notwendigkeit, sich gegen anhaltende Invasionen zu verteidigen und mit periodischen Hungersnöten, Überschwemmungen und wenig Ackerland umzugehen, was die Ernährung einer großen, wachsenden Bevölkerung sehr schwierig machte. Die Bedürfnisse Chinas waren völlig anders als die Amerikas, die friedliche Grenzen, reichlich Ackerland und natürliche Ressourcen hatten.

Eine zweite historische Spaltung ist der Zeitpunkt der industriellen Revolution eines jeden Landes. Die industrielle Revolution in den USA begann um 1870 und führte zu Korruption durch schnelles Wachstum des Reichtums, Einkommensungleichheit, Ausbeutung von Arbeitern, Umweltverschmutzung und Diebstahl des europäischen geistigen Eigentums. Chinas industrielle Revolution begann in den 1980er Jahren, hatte ähnliche Folgen und wurde von den USA heftig kritisiert, dabei vergaßen sie bequem ihre eigenen Erfahrungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

5. Die USA erkennen keine grundlegenden kulturellen Unterschiede zwischen Amerikanern und Chinesen an.

Westliche Gesellschaften, wie die USA, neigen dazu, dualistische Ansichten der Welt zu haben: richtig und falsch, Himmel und Hölle, Gewinner und Verlierer. Östliche Kulturen, wie China, neigen dazu, nach Harmonie und Gleichgewicht, Yin und Yang zu suchen.

Wenn der chinesische Staatspräsident Xi Jinping Win-Win-Lösungen unterstützt, lautet die Antwort der USA daher: „Wenn China gewinnt, müssen wir verlieren.”

Auf die gleiche Weise sind die USA eine individualistische Gesellschaft, während China kollektivistisch ist. Unter konfuzianischen Werten, die in China tief verwurzelt sind, haben Familie und Gesellschaft Vorrang vor dem Einzelnen. Die Rolle des Einzelnen ist die Selbstverbesserung durch Bildung, damit jeder Mensch besser zum Ganzen beitragen kann. In den USA ist die Rolle des Einzelnen in der Regel egoistischer.

Dies spiegelt sich auch in der Art und Weise wider, wie die Menschen sprechen. In den USA wird von den Menschen erwartet, dass sie ihre Meinung sagen. In China wird von den Menschen erwartet, dass sie indirekt sind, wie Sun Tzu in seinem Klassiker „The Art of War“ darlegt: „Gewinne, indem du dich zurückziehst und dich nur dann direkt engagierst, wenn die Zeit reif ist.” Die USA handelten direkt im Handelskrieg, indem sie Zölle einführten, die Chinesen reagierten indirekt, indem sie ihre Abhängigkeit vom US-Markt reduzierten.

Das mangelnde Verständnis dieser kulturellen und historischen Unterschiede führt zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen.

Der durchschnittliche Amerikaner zeigt weniger Interesse am Verständnis Chinas als der durchschnittliche Chinese am Verständnis der USA. Zum Beispiel haben über 26 Millionen Chinesen die USA besucht, verglichen mit weniger als 1 Million Amerikanern, die China besucht haben. Zu jedem Zeitpunkt besuchen über 300.000 chinesische Studenten eine Universität in den USA, während weniger als 10.000 Amerikaner eine Universität in China besuchen. Auch an der chinesischen Sprache scheinen die Amerikaner keinen allzu großen Gefallen zu finden. Während Englisch in ganz China im Bildungssystem unterrichtet wird, studieren, üben oder lernen nur sehr wenige Amerikaner Mandarin.

Welche Folgen hat dieser Mangel an Wissen und Interesse? Unberechtigte Angst und Agitation gegenüber China, dessen Wirtschaft weiter rasant wächst. Es wird erwartet, dass Chinas Wirtschaft innerhalb des nächsten Jahrzehnts die USA als größte Weltwirtschaft überholen wird. In einer Gesellschaft mit einem ausgeprägten Wettbewerbsgefühl ist diese Bedrohung erschreckend. Dies führt viele dazu, der Storyline von zwei populären Büchern, „The Coming War With China“ und „The Thucydides Trap“, Glauben zu schenken, die spekulieren, dass ein Krieg zwischen den USA und China unvermeidlich sei. Jede Auseinandersetzung mit der chinesischen Militärgeschichte und -kultur lässt dieses „Ergebnis“ allerdings als höchst unrealistisch erscheinen.

Die Missverständnisse überwinden

Die chinesische Regierung liefert dem chinesischen Volk durch ihre Regierungsführung und ihre Wirtschaftsmodelle einen enormen Mehrwert und wird daher von den Bevölkerung unterstützt. Diese hochfunktionalen Modelle beinhalten „chinesische Prägung“, die auf Chinas einzigartiger Geschichte und Kultur aufbauen.

Die USA haben jetzt die Möglichkeit, Chinas Bestrebungen, Geschichte und Kultur besser zu verstehen. Es bleibt abzuwarten, ob sie erkennen können, dass es keine wesentlichen Gründe gibt, warum die beiden Länder nicht eine konstruktive Win-Win-Beziehung aufbauen könnten, um globale Probleme und Herausforderungen, etwa im Bereich Umweltschutz, Verbreitung von Atomwaffen und Flüchtlingspolitik, gemeinsam anzugehen.

Wenn die USA diese Missverständnisse nicht überwinden können, haben die Chinesen bewiesen, dass sie durchaus in der Lage sind, den chinesischen Traum im Geiste der Harmonie und des Gleichgewichts zu verfolgen, auch wenn von der amerikanischen Seite her weiterhin mit Spannungen und Missvertrauen zu rechnen ist.

(Der Autor ist ehemaliger Seniorpartner von McKinsey und Treuhänder des in New York ansässigen China Instituts.)

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