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Thomas Heberer: Mittendrin bei der Reform- und Öffnungspolitik |
· 2018-07-05 · Quelle:German.people.cn |
Stichwörter: Reform und Öffnung;Thomas Heberer;Deutschland | Druck |
3. Bereits vor 10 Jahren haben Sie gefordert, den Personalaustausch zwischen China und dem Westen weiter auszubauen. Sind Sie der Meinung, dass sich dieser Austausch seitdem intensiviert hat?
Er hat sich zweifellos intensiviert. Es hat sich vor allem im wissenschaftlichen Austausch sehr viel getan. China schickt jetzt Doktoranden von vielen Universitäten für ein Jahr ins Ausland, wo sie von Methoden und Theorien lernen sollen. Das ist etwas relativ Neues und wird vom chinesischen Staat finanziert. Auch der Wissenschaftsaustausch ist erheblich einfacher geworden. Umgekehrt gehen auch mehr Deutsche nach China und lernen Chinesisch oder verbessern ihr Chinesisch. Dazu gehören auch Nicht-Sinologen aus allen Fachrichtungen.
An der Universität Duisburg-Essen sind beispielsweise 2.200 der insgesamt rund 48.000 Studierenden aus China. Damit sind sie die größte Gruppe an ausländischen Staatsbürgern an dieser Universität. Die kommen nun beleibe nicht nur über staatliche Kanäle, sondern weitgehend privat, selbstfinanziert. Das zeigt dass sich hier doch sehr viel getan hat und sich der Austausch deutlich verbessert hat.
4. Ist der Austausch damit nun auf einem zufriedenstellenden Niveau?
Diese Entwicklung ist zufriedenstellend. Die besten Studierenden gehen natürlich nicht nach Deutschland, sondern in die englischsprachigen Länder, vor allem in die USA. Das hat mit dem einfacheren Spracherwerb zu tun. Englisch ist auch in China die erste Fremdsprache. Aber Deutschland ist natürlich auch attraktiv, weil es hier keine Studiengebühren gibt und daher die Kosten für ein Studium durchaus günstiger sind als an den teuren Universitäten in China selbst. Und ein ausländischer Abschluss zählt immer noch mehr, als ein Abschluss im Inland. Es kommen zugleich auch Wissenschaftler hierher, die ein Jahr "geparkt" werden, wie ich es nenne. Denn sie müssen ein Jahr im Ausland gewesen sein, bevor sie z.B. Professoren werden können und müssen auch einen entsprechenden Nachweis bringen. Das verdeutlicht, dass man mittlerweile einen Auslandsaufenthalt als unabdingbar für eine wissenschaftliche Karriere ansieht.
5. In den vergangenen Jahrzehnten waren Sie Zeuge der rasanten Entwicklung Chinas. Welche weiteren Fortschritte erwarten Sie in den kommenden 10 Jahren?
China hat ja schon 2013 beschlossen, ein neues Entwicklungsmodell zu etablieren. Das rein quantitative Wachstum soll demnach durch qualitatives Wachstum ersetzt werden. Nachhaltigkeit soll dabei eine Kernrolle spielen. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, dass man sich nämlich verabschiedet von dem reinen Wachstum in Zahlen und übergeht zu einem stärker nachhaltigen Wachstum.
Der zweite Punkt, der auch noch einmal vom 19. Parteitag im letzten Jahr unterstrichen wurde, ist die Beseitigung der Armut. Ende der 1970er Jahre lebten in China schätzungsweise über 300 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze. In den letzten Jahren war noch immer die Rede davon, dass es ca.45 Millionen Menschengebe, die noch in Armut leben. Wenn man hier die Kriterien der Weltbank anwendet, dass jeder, der weniger als 1,5 US-Dollar pro Tag zur Verfügung hat als arm gilt, dann leben in China wahrscheinlich noch 50-60 Millionen Menschen unterhalb dieser Armutsgrenze. Es gibt also noch Armut. Vor allen in den Bergregionen, in eher abgelegenen Regionen und in den Gebieten ethnischer Minderheiten. Die Beseitigung dieser Armut soll nun laut Entwicklungsplan bis 2020 bewerkstelligt sein.
Der dritte Faktor ist die Verbesserung der Umwelt. Auch da hat man sich ein Ziel gesetzt. Bis 2035 soll die Umweltproblematik in China grundsätzlich verbessert, beziehungsweise geklärt sein.
Ein vierter Punkt besteht im Upgrading, d.h. der Höherwertigkeit von Industrien. China hat vor, in gewissen fortgeschrittenen Technologien, genannt werden hierbei immer Robotik, Drohnenentwicklung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Elektromobilität usw., eine führende Rolle in der Welt einnehmen.
Fünftens, und das ist mehr eine Hoffnung von mir, dass sich China auch stärker an internationalen Normen orientiert und zu einem verlässlichen Partner in der Weltpolitik wird.
6. Dank Ihrer China-Expertise, gelten Sie auch in Politik und Wirtschaft als gefragter Berater. Häufig begleiten Sie Delegationen nach China, im Jahr 2016 reisten Sie sogar mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck in die Volksrepublik. Welche Rolle übernehmen Sie auf solchen Reisen?
Ich glaube Politikberatung ist an sich ein wichtiger Punkt. Doch je höher der Rang eines Politikers, desto schwieriger ist es ihn zu beraten. Einen Oberbürgermeister, zu dem man einen persönlichen Draht hat, kann man einfache beraten als einen Bundespräsidenten, der während einer Auslandsreise ständig gefragt und umlagert ist.
Im Prinzip geht es mir bei einer Beratungstätigkeit darum, ein besseres Verständnis von China zu erreichen. Ich möchte, dass die zu beratenden Politiker ein besseres Bild von diesem Land gewinnen, etwa im Hinblick auf die Vielfalt und Diversität Chinas. China ist nicht einfach ein einheitliches Gebilde, über das man generelle und verallgemeinernde Aussagen machen kann. Hier gibt es vielfältige Unterschiede von Provinz zu Provinz, von Bezirk zu Bezirk und von Landkreis zu Landkreis. Zudem halte ich für wichtig, dass deutsche Politiker versuchen, die innere Logik und Funktionsweise des politischen Systems zu verstehen. Ohne ein solches Verständnis gelangt man leicht zu falschen Schlussfolgerungen.
Die Strukturen und Institutionen Chinas sind für Menschen, die sich damit nicht ausreichend beschäftigt haben, sehr schwer zu verstehen - gerade aufgrund dieser Vielfalt und der spezifischen politische Geschichte und Kultur. Hier bedarf es eines Übersetzers, der versucht, bestimmte Strukturen, Institutionen, Funktionen und Funktionsweisen zu übersetzen.
Ich denke, dass alle Gesellschaften prinzipiell sehr ähnliche Probleme haben, diese Probleme jedoch auf unterschiedliche Weisen lösen. In der heutigen globalisierten Welt sehen sich Gesellschaften ungeachtet ihres politischen Systems ähnlichen Problemen gegenüber: Klimawandel, Erwärmung, ökologischen Problemen, Probleme der Digitalisierung, Überalterung Beschäftigungsprobleme usw.. Und das Politikern zu verdeutlichen, darin sehe ich eine ganz wichtige Aufgabe.
7. Gestatten Sie uns zum Schluss noch eine persönliche Frage. Worauf sind Sie im Hinblick auf Ihre jahrelangen Forschungsarbeiten in Verbindung mit China besonders stolz?
Stolz ist vielleicht keine geeignete Kategorie. Stolz bezieht sich nur auf die eigene Leistung. Dass ich in China forschen konnte, hängt auch damit zusammen, dass ich von chinesischer Seite aus die Möglichkeit erhielt in dieser Breite, Weite und Vielfalt zu forschen. Man kann ja nicht einfach nach China fahren, Menschen befragen und forschen, sondern es bedarf zugleich eines oder mehrerer Kooperationspartner. Ich habe über die Zeit hinweg immer mit Kooperationspartnern langfristig Vertrauen aufgebaut. Über viele Jahre lang habe ich chinesische Wissenschaftler von Partnerinstituten eingeladen und auch selbst junge Wissenschaftler dorthin geschickt, so dass nach und nach ein Vertrauensverhältnis auf der Basis gegenseitigen Verständnisses entstanden ist, dass gemeinsame Forschung erleichtert hat. Vertrauen ist die Grundlage für Forschungskooperation
Es gibt bestimmte Punkte, auf die ich nicht stolz bin, aber die so meine ich, nicht unwichtig waren. Im Jahr 2002, habe ich zum Beispiel 200 000 D-Mark zum Bau einer Schule in einem Armutsgebiet der ethnischen Minderheit der Yi in der Provinz Sichuan gesammelt. Das ist etwas, auf das ich ein wenig stolz bin. Ich bin öfter an der Schule gewesen und habe mir angeschaut, was das bewirkt hat, nämlich dass Kinder nun dort zur Schule gehen können, die dazu vorher keine Möglichkeit hatten. Das sind Dinge, die für einen Wissenschaftler ebenfalls wichtig sind. Nicht nur Forschung zu betreiben, sondern zugleich ein bestimmtes Maß an Empathie für die Menschen zu entwickeln über die man forscht und - wo möglich – beizutragen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse
Auch 2008, während der Olympiade in China, als China kein gutes Image in den deutschen Medien hatte, habe ich damals in der Tageszeitung
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