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Hangzhou: Das geheime Paradies am Westsee

Von Mu Ye  ·   2016-08-11  ·  Quelle:Beijing Rundschau
Stichwörter: Westsee; Linyin-Tempel
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 Der Westsee von Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang, ist bekannt für seine außergewöhnliche natürliche Schönheit.  

  

Der Westsee von Hangzhou

Manche beklagen, dass es am See nicht mehr weit her ist mit der Ruhe und der Schönheit. Jeden Tag besuchen ihn zahlreiche Touristen und verursachen dabei eine Menge Lärm und Tumult, der Westsee sei daher nicht länger ein Paradies für Einsiedler, die nach Ruhe und Abgeschiedenheit suchen, meinen sie. Der See habe außerdem einen Teil seiner natürlichen Schönheit verloren, seit sogar sein Wasser durch eine unterirdische Pipeline aus dem nahegelegenen Qiantang-Fluss geliefert werden muss.  

Nur wenige wissen, dass zumindest an einem Ort die Pracht dieses Orts weiterhin existiert. Westlich des Sees sind die kleinen Flüsse, die ihn seit über 1000 Jahren nähren, auch heute noch so bezaubernd und erfrischend wie in alten Zeiten.  

Versteckt in einem abgelegenen Wald sind diese alten Wasserläufe nicht besonders lang. Der Jinsha ist der längste, man kann morgens mit einer Wanderung stromaufwärts beginnen und seine Quelle noch vor Anbruch der Dämmerung erreichen. Erkundet man dann bei Sonnenuntergang die Quelle und die umliegenden buddhistischen Tempel, vergisst man Zeit und Raum und fühlt sich mit einem Schlag in die Vergangenheit versetzt.  

  

Jinsha, Liebling der Buddhisten

 

Der Lingyin-Tempel

Der Jinsha ist der längste natürliche Wasserlauf im Gebiet des Westsees. Die ehemalige Residenz von Gai Jiaotian (1888-1971), einem Meister der Pekingoper, liegt eingebettet in einen pittoresken Auenwald in der Nähe des kleinen Flusses. Gai wurde im Kreis Gaoyang in der Provinz Hebei geboren, war aber bei seinem ersten Besuch von Hangzhou so verzaubert, dass er den Großteil seines restlichen Lebens dort verbrachte. Sein alter Wohnsitz hat einen Innenhof und ist ein typisches Beispiel für den Baustil südlich des Yangtse. Bis heute werden hier die Bühnenfotos des Meisters und seines Nachwuchses ausgestellt.   

  Neben der Hongchun-Brücke gibt es am Jinsha eine Stele, die von Kaiser Kangxi (1654-1722) während der Qing-Dynastie errichtet wurde. Die Inschrift besteht aus den vier chinesischen Schriftzeichen „双峰插云,shuang feng cha yun (Doppelgipfel durchbohren die Wolken)." Es heißt, dass Besucher des Westsees zur Entstehungszeit der Stele sehen konnten, wie Hangzhous südlicher und nördlicher Gipfel die Wolken durchbrachen. Wenn man heute an dieser Stelle steht, sieht man nur grüne Vegetation.   

Weiter flussaufwärts gelangt man an den Lingyin-Tempel, einen der ältesten buddhistischen Tempel Chinas. Dort verzweigt sich der Fluss in zwei Nebenflüsse, beide tauchen tief ein in die buddhistische Kultur. Spuren dieser Kultur findet man hier überall. An den Ufern des nördlichen Nebenflusses liegen verstreut buddhistische Tempel, ein Hotel mit buddhistischem Namen und das Hangzhou Buddhist College. Dann endet der Pfad in den Tiefen des Waldes. Der südliche Nebenfluss ist heute ein ausgetrocknetes Flussbett, aber wer daran entlang wandert, kommt an mehreren Aussichtspunkten mit buddhistischen Bezeichnungen vorbei.  

Wenn die Nacht einbricht, erleuchten die Lichter der Wohnhäuser und vegetarischen Restaurants das dunkle Tal. Die Restaurants bieten ausgezeichnete ländliche vegetarische Küche auf regionale Art an. Auch die Mönche aus den nahegelegenen Tempeln kommen hierhin und speisen gemeinsam mit den weltlichen Gästen. Es ist interessant zu beobachten, dass auch sie bar zahlen und dass einige genauso besessen von ihren Handys zu sein scheinen, während sie auf ihr Essen warten.  

Vor dem Lingyin-Tempel liegt das Anmanfayun-Hotel und etwas weiter weg kann man einen Blick auf das geheimnisvolle Hangzhou Buddhist College werfen. Das College ist von gelben Mauern umgeben und besteht aus mehreren grau gefliesten Gebäuden. Sie unterscheiden sich deutlich von den normalen Wohnhäusern mit ihren weiß getünchten Mauern und schwarzen Dachziegeln. Das College ist genauer gesagt eine Schule für buddhistische Kunst und wird von der buddhistischen Vereinigung der Provinz Zhejiang finanziell unterstützt. Auch wenn es Touristen nicht offen steht, empfängt es gelegentlich Besuchergruppen aus Schulen, Organisationen und Foren. Die ruhige Umgebung und das friedliche Innenleben der Mönche bleiben von den Sorgen der Außenwelt unberührt.   

Ein junger Meister, der sich bei WeChat "Wu Wei Shan Ren (d.h. furchtloser Einsiedler) nennt, führt lebhafte Diskussionen über Innenpolitik und internationale Angelegenheiten mit den Menschen außerhalb des Colleges. Die Geistlichen des College studieren nicht nur buddhistische Lehren und Sutras, sondern behandeln häufig auch weltliche Themen wie die Behandlung des Autismus oder die Frage, wie Schulen in einem marktorientierten Umfeld überleben können. Sie denken sogar über Essay-Titel für Universitätszulassungsprüfungen nach. Auf ihrem Lehrplan stehen neben Meditation auch Spezialkurse und sogar Sportaktivitäten wie Basketball.   

Folgt man dem südlichen Nebenfluss des Jinsha ausgehend vom Lingyin-Tempel, kommt man nach Santianzhu. Die North Meiling Road führt an diesem Fluss entlang und folgt in ihrem Verlauf einem alten, historischen Pfad. Auch wenn die neu gebaute Schnellstraße sehr bequem ist, ist es irgendwie schade, dass das ursprüngliche Erscheinungsbild der historischen Wege nicht erhalten wurde.  

Das Wort Tianzhu war bei den alten Chinesen die Bezeichnung für Indien. Das Wort wird häufig in buddhistischen Tempeln und Artikeln über den Buddhismus verwendet. Der Legende nach kam vor mehr als 1000 Jahren ein Mönch in diese Region, um den Buddhismus zu verbreiten. Die Berggipfel erschienen ihm sehr vertraut und er glaubte, dass sie aus Indien hierher geflogen waren. Damals begannen die Leute, den Tempel Tianzhu und den nahegelegenen Berg Feilai (Herfliegen) zu nennen. Santianzhu liegt auf den Hügeln westlich des Westsees. Am Rande einer umtriebigen und florierenden modernen Stadt haben diese heiteren Hügel überlebt und sind ein echtes Geschenk für Hangzhou. Kein Wunder, dass die historischen Tempel tief in den Bergen liegen, denn kein Mönch will neben einer modernen asphaltierten Straße oder im Wettbewerb mit Touristen meditieren.     

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