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Kommentar: Die globale Relevanz des 4. Plenums des 20. ZK der KP Chinas

Nils Bergemann*  ·   2025-11-07  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Fünfjahresplan;China
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Die vierte Plenarsitzung des 20. Zentralkomitees (ZK) der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), die gestern in Beijing zu Ende ging, markiert einen Wendepunkt: Die Sitzung für den 15. Fünfjahresplan (2026–2030) hat noch mehr als die Versammlungen zuvor weltweite Relevanz. Die Beratungen, die Xi Jinpings Arbeitsbericht und die Entwürfe umfassen, stellen nicht nur national wirtschaftliche und technologische Weichen, sondern werden die Geopolitik der kommenden Jahre prägen. Was China, eine der größten Wirtschaften weltweit, mit stabilem Wirtschaftswachstum, großer Investitionssicherheit und Innovationskraft plant, wird weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. 

Die „Empfehlungen“ für den 15. Fünfjahresplan sind unter anderem „hochwertige Entwicklung“, weitere Reformen, das Zusammenspiel von Markt und Staat sowie die Gleichrangigkeit von Entwicklung und Sicherheit. Angestrebt werden eine modernisierte industrielle Basis, mehr wissenschaftlich-technische Selbstständigkeit, ein „Beautiful China“, also die grüne Wende, und ein gestärkter „Sicherheits-Schutzschild“. Es soll Makrostützen für Beschäftigung und Konsum geben sowie die „aktive und umsichtige“ Entschärfung lokaler Schuldenrisiken.  

Das Erfolgsgeheimnis chinesischer Planung 

Chinas Fünfjahrespläne sind weit mehr als bloße Wirtschaftsdokumente. Es sind orchestrierte politische Strategien, die wirtschaftliche Modernisierung, technologische Autarkie und geopolitische Stärke miteinander verknüpfen. Die Vorschläge des ZK der KPCh für die Ausarbeitung des 15. Fünfjahresplans, die am 23. Oktober 2025 verabschiedet wurden, betonen Innovationen wie 6G und grüne Technologien. 

China kann langfristig planen und das dann auch umsetzen, weil die politischen Akteure an einem Strang ziehen. Es wird intern diskutiert und um die beste Lösung gerungen. Dann werden rasch und pragmatisch Ziele formuliert. Provinzregierungen und Staatskonzerne werden die Vorgaben ebenso schnell und sorgfältig in konkrete Maßnahmen umsetzen, ein Prozess, der trotz bürokratischer Komplexität  inzwischen sehr effizient abläuft. Das beweisen die moderne digitale Infrastruktur, schnell realisierte Weltrekordbrücken, Riesenflughäfen und komplette Industrieketten. Die weitsichtige chinesische Planung bietet eine Kontinuität, die so stabil ist, dass sogar viele Global Player sie inzwischen als verlässlichen Kompass für ihre Investitionen nutzen.  

Das strategische Trilemma 

Das Plenum adressiert ein zentrales Trilemma: die gleichzeitige Verfolgung technologischer Führerschaft, wirtschaftlicher Stabilität und geopolitischer Balance. Chinas Antwort liegt in einer dualen Strategie: China verfolgt weiterhin eine Politik der hochqualitativen Öffnung und stärkt zugleich die Sicherheitsmechanismen in strategischen Industrien, um die Stabilität nationaler wie globaler Lieferketten zu sichern. Diese Politik wird die globale  Wirtschaft prägen, insbesondere durch verstärkte Kooperationen mit Ländern wie Deutschland in der Photovoltaik, aber auch durch Spannungen, etwa bei US-Sanktionen gegen chinesische Chip-Hersteller. 

Deutschlands Zwiespalt 

Für Deutschland stellt das Plenum einen Prüfstein dar. Einerseits profitieren deutsche Unternehmen von Chinas Halbleiter-Offensive, zum Beispiel Zeiss als Partner von ASML. Auch Infineon stärkt seine Position bei Leistungshalbleitern. Anderseits werden Stimmen lauter, die von einer Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten – etwa im Maschinenbau oder bei Automobilzulieferern – warnen. Natürlich wissen deutsche Analysten, dass der Ersatz chinesischer Teile durch Eigenproduktionen nicht von heute auf morgen machbar ist. Und es ist wirtschaftliches Erstsemester-Wissen, dass Konsumenten und Unternehmen gerne dort kaufen, wo es etwas gut und günstig gibt. Und dieser Ort ist zunehmend China. 

Eine zunehmend verflochtene Weltwirtschaft stellt nationale Regierungen vor Herausforderungen. Chinas Wirtschaft wird weiter wachsen, egal ob westliche Regierungen Zölle und Konfrontation oder Freihandel und Kooperation wählen. Die weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen und Interdependenzen sind inzwischen so stark und komplex, dass wirtschaftspolitische Angriffe auf ein anderes Land leicht nach hinten losgehen können.    

Die psychologische Wirkung 

Jenseits von Zahlen, Daten und Fakten liegt die Stärke der Vorschläge in ihrer psychologischen Wirkung. Die Priorisierung bestimmter Sektoren – wie zum Beispiel die Kreislaufwirtschaft – und Technologien – wie etwa KI, schafft eine Erwartungsökonomie, die Investoren mehr Orientierung bietet als westliche Quartalsberichte. Gleichzeitig spiegelt der Fokus auf „nationale Sicherheit“ und „Resilienz“ Erfahrungen wie Lieferkettenkrisen oder Technologie-Embargos wider, die China während der Pandemie und der US-Handelskonflikte trafen. 

Europas Chance 

Europa sollte Chinas Planungsansatz nicht als Bedrohung werten, sondern als Ansporn zur eigenen Konsolidierung. Während China langfristige Ziele mit mittelfristiger Planung verknüpft, leidet Europa unter legislativer Zersplitterung und politischer Kurzfristigkeit. Die Lektion des Plenums liegt in der Integration von Vision und Umsetzung. Für deutsch-chinesische und europäisch-chinesische Beziehungen stellt dies eine Wende dar. Die Ära naiver Handelsbeziehungen wird früher oder später enden ebenso wie alle Versuche konfrontativer Abkopplung. Europa wird Nischen finden, in denen es technologische Führerschaft erringen kann, so dass es bessere Karten hat im Spiel der Abhängigkeiten.  

Ausblick 

Das 4. Plenum legt den Takt vor für die zweite Hälfte der 2020er. Die globale Melodie wird durch das Zusammenspiel aller Akteure gestaltet. Europa sollte nicht nur zuhören, sondern den Rhythmus mitgestalten – im Einklang mit der, bestenfalls, weltweiten Harmonie. Dies erfordert nicht nur diplomatisches Geschick, sondern auch die Fähigkeit, von Chinas Disziplin zu lernen, ohne eigene Werte aufzugeben. 

 

*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics. 

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Position der Website wider.

 

 

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