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Hilfe mit Herz: Was zwei Briefe über die Unterstützung für Xizang verraten

Von Chen Weibin, Huang Xiaoxing* und Wan Jing*  ·   2024-09-03  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Xizang
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In China ist es ein geflügeltes Wort, dass Briefpapier stets zu kurz ist, um alle Gefühle zu fassen. Im langen Fluss der Geschichte aber kommt einigen Briefen eine besondere Bedeutung zu. Sie sind nicht nur ein Austausch von Worten, sondern ein Zeichen der Zeit und ein emotionales Band. 

1995 schrieb Jiang Jun, einer der ersten Kader, der aus Zhejiang zur Unterstützung in das Autonome Gebiet Xizang (Tibet) entsendet worden war, einen Brief mit der Bitte um Hilfe. Mit seinem Schreiben brachte er in seiner Heimat Hangzhou eine Welle der Hilfsbereitschaft ins Rollen. Ergebnis war die Gründung der Nagqu-Hangzhou-Grundschule. 

2024, fast dreißig Jahre später also, gab es einen weiteren Brief, diesmal aus der Feder von Dadrak Wangdu, einem der ersten Schüler der Nagqu-Hangzhou-Hoffnungsschule. Er schrieb an die damaligen Unterstützer, um ihnen sowie auch dem ganzen chinesischen Volk im Namen Xizangs für ihre Hilfe in der Region zu danken. 

Beide Briefe trennen gut 30 Jahre und sie geben einen Blick frei auf die großen Anstrengungen, die China zur Unterstützung Xizangs geleistet hat. Nicht zuletzt sind sie auch Zeuge der Veränderungen in der Region in den letzten drei Jahrzehnten. 

   

Liebe weitertragen: Dadrak Wangdu gehörte zu den ersten Schülern der Nagqu-Hangzhou-Hoffnungsschule, als diese 1996 gebaut wurde. Heute leitet er einen Kindergarten in Nagqu und gibt die Liebe, die er einst erfahren hat, an den heutigen Nachwuchs weiter. (Foto: Ni Yanqiang / Wang Jianlong)  

Ein Brief aus dem Hochland 

„Als dieses Foto gemacht wurde, stand ich genau in der Mitte der ersten Reihe. Der Tag wird mir und meinen über 30 Mitschülerinnen und Mitschülern ewig im Gedächtnis bleiben. Es war der Tag, an dem wir ein neues Schulgebäude bezogen. Beißend kalter Wind im Klassenzimmer gehörte seither der Vergangenheit an.“ – Auszug aus dem Brief von Dadrak Wangdu 

Im April dieses Jahres beendete Jiang Jun, der zur ersten Gruppe von Kadern gehört, die Xizang unterstützten, und der damals als stellvertretender Bürgermeister des Kreises Nagqu tätig war, einen erneuten Besuch in Xizang. Als er das Autofenster herunterkurbelte, um noch einmal zum Abschied zu winken, trat aus der Menge Dadrak Wangdu hervor, ergriff Jiang Juns Hand und drückte seine Stirn sanft gegen den Handrücken. Eine rührende Geste. 

Dieser höchste Gruß steht in Xizang für Respekt, Abschied und beste Wünsche. Im Falle der beiden Protagonisten aber auch für die Erinnerungen, die die beiden über zwei Briefe aus unterschiedlichen Jahrzehnten miteinander verbinden. Erinnerungen, die an diesem Tag wieder erwachten, ausgedrückt und fortgesetzt wurden. 

In der Erinnerung des 38-jährigen Dadrak Wangdus gibt es zwei goldene Tage in seiner Kindheit: Zum einen den Internationalen Kindertag in der fünften Klasse, als seine Eltern eigens aus dem Weidegebiet kamen, um ihn zu besuchen und ihm ein neues blauweißes Shirt zu bringen. Zum anderen ein verblichenes Foto, festgehalten Anfang September 1996. Als er damals mit seinen Mitschülern am Straßenrand in der Nähe der Schule spielte, rief sie plötzlich ihr Lehrer Kelsang herbei. Es sei eine wichtige Gruppe von Regierungsvertretern angereist, und sie wollten ein Erinnerungsfoto mit ihnen machen. Die Kinder ließen sich das nicht zweimal sagen und versammelten sich umgehend am Steindenkmal mit der Inschrift „Nagqu-Hangzhou-Hoffnungsschule“. Dort winkten sie fröhlich in die Kamera. 

   

Baulicher Glanzpunkt: Die Jiaxing-Seni-Stadtbibliothek verbindet die lokale Kultur von Nagqu mit Elementen südchinesischer Wasserstädte und bietet Groß und Klein so einen hochwertigen öffentlichen Leseraum. (Foto: Ni Yanqiang / Wang Jianlong)  

Heute ist Dadrak Wangdu, der seit 19 Jahren im Bildungswesen tätig ist, Sekretär der Parteizelle des Kindergartens Nummer 5 von Nagqu. Ende März, als er einen Vortrag zum Thema „Nächstenliebe“ für die Kinder vorbereitete, stieg in ihm die Erinnerung an jenen festlichen Tag auf, als sei es gestern gewesen. 

„Es gab so viele Dankesworte in meinem Herzen, die bisher unausgesprochen waren“, erzählt er. Nachdem er die Präsentation fertiggestellt hatte, kam ihm plötzlich die Idee, einen Brief an die damaligen Besucher zu verfassen. 

„Früher gab es keine Schutzmauer um unsere Schule, das Dach war undicht und viele Klassenfenster hatten kein Glas. Da zuhause das Geld knapp war, trugen viele von uns dünne Kleidung und zitterten regelrecht im Unterricht vor Kälte. Als wir in das neue, helle und saubere Schulgebäude umzogen, war das für uns wirklich ein echter Glückstag“, schreibt Dadrak Wangdu in seinem Brief. 

Später sei die Schulmauer weiter befestigt und das Schulgebäude noch schöner geworden, schreibt er. Die neue Schule sei der Ausgangspunkt für ein besseres Leben gewesen, nicht nur für ihn, sondern für seine ganze Familie. 

Ein Denkmal soll erinnern 

„Wir freuen uns darauf, ein Denkmal auf dem Dach der Welt zu errichten!“ – Auszug aus dem Brief von Jiang Jun 

Vor mehr als einhundert Jahren tauchten in Nagqu Pioniere der Neuzeit auf, die, wie Jiang Jun schreibt, auf einem Weg, der nur von wilden Yaks, Eseln und Antilopen begangen wurde, in die Ferne wanderten. 

Heute, in Zeiten von Internet und Digitalisierung, gelangen die Dankesworte von Dadrak Wangdu per Glasfaser im Handumdrehen zu ihren Empfängern. Aber vor 30 Jahren gab es, genau wie der oft verspätete Frühling auf dem Hochland, keine Garantie dafür, dass man beim Versenden eines Briefes überhaupt eine Antwort bekam. 

Am 10. August 1995 schrieb Jiang Jun bei schummrigem Kerzenschein in seiner Unterkunft in Nagqu einen besonderen Brief in die Heimat. Adressiert war er an Shu Shiyue, den damaligen Chefredakteur der Hangzhou Daily, den er persönlich nie getroffen hatte. 

In jenen Tagen, als er aufs Land ging, waren Jiang Juns Fußspuren überall im weiten Grasland zu finden. Einige Zahlen hatten sich ihm damals tief ins Gedächtnis eingebrannt: Die Einschulungsrate lag in Nagqu bei nur 22,5 Prozent und 75 Prozent der jungen Menschen und Personen mittleren Alters waren Analphabeten. Im Durchschnitt kam nur eine einzige Grundschule auf 1500 Quadratkilometer. Und spätestens nach Abschluss der dritten Klasse verließen 72 Prozent der Kinder die Schule, um an das Schicksal ihrer Eltern anzuknüpfen. 

Für den frischgebackenen Vater Jiang Jun, damals 28 Jahre alt, gab es unzählige Momente, in denen er sein eigenes Kind nur in seiner Fantasie umarmen konnte. Doch zu jener Zeit fühlte er sich für noch wesentlich mehr Kinder verantwortlich als für das eigene. Er beschloss, um Hilfe zu bitten: „Wenn jeder Mensch in Hangzhou ein Wassereis weniger isst und eine Zigarette weniger raucht, können mit dem eingesparten Geld drei oder vier Hoffnungsschulen gebaut werden“, so seine aufrüttelnden Zeilen. 

Rund zehn Tage später wurde Jiang Jun durch ein dringendes Telegramm geweckt, das in wenigen Worten eine gute Nachricht überbrachte. 

Schon am 25. August desselben Jahres erschien Jiangs Brief auf der Titelseite der „Hangzhou Daily“ und wurde bald zum Stadtgespräch. Es brach eine große Begeisterungswelle für die Unterstützung Xizangs aus. Jeden Tag strömten zahlreiche Menschen mit Bargeld in die Spendenstelle. Ein einfacher Mann, der auf dem Gemüsemarkt Lotusblätter verkaufte, spendete 3000 Yuan. Eine Rentnerin, die nicht genannt werden mochte, steckte die Pension ihres verstorbenen Mannes in die Spendenbox. Ein siebenjähriges Mädchen namens Yu Kaining, das kaum ein paar Schriftzeichen beherrschte, verfasste dennoch handschriftlich einen Brief, und zwar in Pinyin, an Jiang Jun: „Ich werde ab heute zehn Tage lang kein Wassereis essen, damit ich zehn Yuan sparen und zehn Ziegelsteine für die Hoffnungsschule spenden kann“, schrieb sie. 

Innerhalb von gerade einmal einer Woche spendeten über 56.000 Bürger und 120 Unternehmen insgesamt 2,25 Millionen Yuan. 

In der zweiten Jahreshälfte 1996 wurden vier Hoffnungsschulen in Nagqu fertiggestellt. Eine davon trägt aus Dankbarkeit bis heute den Namen „Hangzhou“ im Schulnamen. Jede Schule war das schönste Gebäude in der Gegend. Die Hirten waren so glücklich, dass sie ihren Kindern Khata, also traditionelle Glücksschals, überreichten und ihren Nachwuchs mit Pferden zur Schule brachten. 

Mittlerweile liegt die Einschulungsquote in Nagqu schon seit Jahren bei 100 Prozent. 2023 bestanden 95,56 Prozent der Oberschülerinnen und Oberschüler erfolgreich die Hochschulaufnahmeprüfung Gaokao. 

Samen der Hoffnung 

„In den letzten 30 Jahren hat Ihre Fürsorge bei uns Samen der Hoffnung gepflanzt, sodass die Kinder aus den Weidegebieten heute ihre Träume verwirklichen können. Diese Liebe und Wärme möchte ich weitergeben.“ – Auszug aus dem Brief von Dadrak Wangdu 

So wie eine Yakherde sich bei Sonnenuntergang stets an die Richtung ihres Zuhauses erinnert, kehrte auch Dadrak Wangdu nach seinem Universitätsabschluss in die Heimat zurück. Die meisten seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen trafen die gleiche Wahl. Einige von ihnen kehrten als Lehrkräfte in ihre einstige Grundschule zurück. Heute führen sie immer neue Kinder mit leuchtenden Augen und glücklichem Lächeln an dem alten Steindenkmal der „Nagqu-Hangzhou-Hoffnungsschule“ vorbei. 

Dadrak Wangdu übernahm die Stelle des Rektors an der Grundschule in der Gemeinde Gulu in Nagqu. 2018 fiel ihm ein Kind namens Norbu Gyatse auf, das seine behinderte linke Hand immer in der Hosentasche verbarg und seinen dünnen Körper zusammenkauerte. 

„Bildung ohne Emotionen und Liebe ist wie ein Teich ohne Wasser“, sagt Dadrak Wangdu. Der 38-Jährige ist fest überzeugt, dass man insbesondere benachteiligten Kindern mehr selbstlose Liebe spenden sollte. Er nahm seine Schüler mit nach Lhasa, zu Spielplätzen und besuchte mit ihnen Wissenschafts- und Technikmuseen, um ihnen die Welt jenseits des Klassenzimmers zu zeigen. Er ermutigte Norbu, sich in den Klassenverband zu integrieren. Auch bei der Grundreinigung ließ er Norbu einige leichte Aufgaben übernehmen. 

Ein Halbjahr später sah Dadrak Wangdu Norbu in der Gesangs-AG, wie das Kind besonders laut und enthusiastisch in den Chor einstimmte. Mit der behinderten linken Hand schlug das Kind rhythmisch auf die afrikanische Trommel. Der Rektor war von dieser Szene sehr gerührt und den Tränen nahe. 

Er führt Norbus Fortschritt auf „die Kraft der Liebe“ zurück. Beim Verfassen seines Briefes ließ er auch seine persönliche Entwicklung noch einmal vor dem inneren Auge Revue passieren. Dabei wurde ihm plötzlich bewusst, dass auch sein eigener Werdegang von der Güte der Gesellschaft gespeist war. Von den schönen Erinnerungen an die Hoffnungsschule mit ihren hellen Fenstern und sauberen Räumen zehre er bis heute. „Sie sind Quell meines Glücksgefühls und machen mich bereit, etwas zurückzugeben“, sagt er. 

Wenn man heute auf der Beijing-Straße in Lhasa, der Zhejiang-Straße und der Liaoning-Straße in Nagqu sowie der Shandong-Straße in Shigatse spazieren geht, verspürt man deutlich die große Kraft der landesweiten Unterstützung für Xizang. In den letzten drei Jahrzehnten haben viele Helferinnen und Helfer hart gearbeitet und Großes geleistet, um Xizang in eine bessere Zukunft zu führen. Das Jahr 2019 markierte in Xizang das Ende der absoluten Armut, unter der die Menschen vor Ort zuvor seit Jahrtausenden gelitten hatten. Die Hilfe für Xizang gleicht heute eher dem Prozess der Blutbildung, nicht wie früher einer Bluttransfusion. Die Zahlen sprechen am Ende für sich: Allein während der Periode des 13. Fünfjahresplans haben 17 Provinzen und Städte sage und schreibe 1260 Hilfsprojekte für Xizang angestoßen, in die Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Yuan flossen. 

*Chen Weibin, Huang Xiaoxing sind Reporter der Zhejiang Daily. Wan Jing berichtet für die Xizanger Tageszeitung. 

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