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Medizinische Unterstützung auf der Hochebene: Hilfe zur Selbsthilfe |
Von Zhao Shubin und Wan Jing* · 2024-08-30 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Xizang;Tibet | Druck |
Unter die Arme greifen: Von 2010 bis 2020 entsandte das Medizinzentrum Nummer 9 des Allgemeinen Krankenhauses der Volksbefreiungsarmee in Beijing insgesamt zehn medizinische Hilfeteams und mehr als 150 medizinische Experten in den Kreis Sog der Stadt Nagqu in Xizang. (Foto zur Verfügung gestellt vom Medizinzentrum Nummer 9)
Vor kurzem hat eine Abhandlung in der renommierten Fachzeitschrift „High Altitude Medicine & Biology“ das Interesse von Öffentlichkeit und Experten auf sich gezogen. Der etwas sperrige Titel der Studie, die in der Ausgabe 2/2024 erschien, lautet „Epidemiologische Erhebung über angeborene Herzkrankheiten bei Kindern im Alter von zwei bis 18 Jahren im Kreis Sog der Stadt Nagqu in Xizang (Tibet)“.
Die Co-Autoren des Fachartikels: Zum einen Gu Jianwen, Lin Tian und Jia Huaping aus dem Medizinzentrum Nummer 9 des Allgemeinen Krankenhauses der Volksbefreiungsarmee in Beijing, zum anderen Mima und Ma Ke aus dem Volkskrankenhaus des Kreises Sog in Xizang. Es war das erste Mal, dass das kleine Kreiskrankenhaus ins internationale Rampenlicht der Fachwelt rückte. In Expertenkreisen hat sich die Klinik damit einen Namen gemacht.
„Unsere Forschungen haben maßgeblich dazu beigetragen, die Kompetenzen unserer Klinik beim Screening und bei der Diagnose angeborener Herzfehler bei Kindern auszubauen. Möglich war dies aber letztlich nur dank der Hilfe unserer Fachkollegen aus Beijing“, geben Mima, Sekretär des Parteikomitees, und Ma Ke, Vizedirektor des Kreiskrankenhauses, zu Protokoll.
Insgesamt zehn Jahre, nämlich von 2010 bis 2020, griff das medizinische Zentrum aus der Hauptstadt dem kleinen Schwesterhospital im Kreis Sog unter die Arme. Über die Jahre wurden zehn medizinische Hilfeteams und mehr als 150 medizinische Experten in den Kreis entsendet. Mit den erhofften Ergebnissen: In Sachen Lebensverbesserung sowie Austausch und Integration griffen die Hilfe und Unterstützung aus dem fernen Beijing in jedem Winkel. Unter anderem konnte auf diese Weise eine beträchtliche Anzahl von dringend benötigten Fachmedizinern vor Ort ausgebildet werden. Ihnen kommt nun eine bedeutende Rolle für die weitere Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit der Einheimischen zu.
Leben retten
Bei ihrem ersten Besuch im Kreis Sog fanden die Mediziner aus Beijing denkbar einfache Verhältnisse vor: ein recht marodes und runtergekommenes Volkskrankenhaus, das sogar noch schlechter in Schuss war, als befürchtet. In dem nur zweistöckigen Gebäude, dessen Wände der Zahn der Zeit grau gefärbt hatte, drängten sich alle möglichen Abteilungen, die man in einem normalen Krankenhaus so findet. Und das auf engstem Raum. Bei der Personalausstattung sah es nicht besser aus. Gerade einmal knapp ein Dutzend Mediziner stemmten den gesamten Betrieb. Von modernen Gerätschaften und moderner Ausstattung konnte gar nicht erst die Rede sein. Manchmal wurden Krankenzimmer aus Platznot gar zum Zubereiten von Speisen genutzt. Kam es bei Operationen zu einem Stromausfall, blieben Taschenlampen als Lichtquelle die einzige Option.
Die Gegend mit ihrer Höhenlage bringt für Auswärtige wie Einheimische viele gesundheitliche Herausforderungen mit sich, vor allem kommt es immer wieder zu Fällen von Höhenkrankheit. Doch die Helfer aus Beijing ließen sich davon nicht abschrecken. Sie krempelten die Ärmel hoch und machten sich mit großem Elan ans Werk, teilten geduldig ihr fachliches Knowhow.
Vor Ort sind den Menschen viele rührende Anekdoten rund um das Helferteam im Gedächtnis geblieben. So etwa die Geschichte, wie Wang Shouli, damaliger Leiter des medizinischen Hilfeteams, sich sofort nach seiner Ankunft an die Arbeit machte und gerade noch rechtzeitig einen Fall entdeckte, bei dem bei einem Kind ein angeborener Herzfehler nicht richtig diagnostiziert worden war. Geburtshelfer und Gynäkologe Han Lei und Zahnarzt Li Ye ergriffen Eigeninitiative, um bei der örtlichen Assistenzarbeit zu helfen. Anästhesist Fang Weiwu legte selbst Hand an und reparierte das einzige Anästhesiegerät vor Ort, eine regelrechte Antiquität, das seit Jahren nicht mehr zu gebrauchen gewesen war. Eine Frau in der 37. Schwangerschaftswoche, die wegen unerwarteter Komplikationen in Lebensgefahr schwebte, konnte in letzter Minute gerettet werden, indem Mima und Experte Lü Yan ein eigens Rettungsteam bildeten und einen Operationsplan erstellten. All dies sind nur einige von vielen bewegenden Geschichten, die sich in dem kleinen Krankenhaus über die Jahre abgespielt haben.
Vom kleinen Hospital zum Krankhaus mit nationalem Standard
Seit dem Start des Projekts zur medizinischen Unterstützung durch Fachkräfte aus anderen Landesteilen in Xizang kommen die Bauern und Hirten direkt vor Ort in den Genuss fortschrittlicher medizinischer Behandlungsdienste, wie man sie auch in anderen Teilen Chinas findet.
Neben der Rettung von Patientenleben verfolgte das Medizinzentrum Nummer 9 im Kreis Sog noch eine weitere wichtige Mission: nämlich das örtliche Hospital zu einem nationalen Krankenhaus der Stufe 2B aufzuwerten. Hierfür wurde eigens ein Dutzend an Experten vor Ort stationiert. In Spitzenzeiten waren gar über 20 Mediziner zur Realisierung des Vorhabens im Einsatz.
Dabei waren die Anfänge alles andere als leicht: Die Fachleute aus Beijing begannen quasi von null und errichteten eine Stomatologie und eine HNO-Abteilung, wodurch eklatante technische Lücken in der medizinischen Versorgung geschlossen werden konnten. Es wurde eine Reihe von Mechanismen eingeführt, um die Abläufe zu verbessern, etwa in Bezug auf klinische Übergabe, die Verantwortlichkeit des ersten Arztes, die standardisierte Medikamentenausgabe sowie die medizinische Aus- und Fortbildung des Pflegepersonals. Die Anstrengungen trugen Früchte: das Kreiskrankenhaus machte einen regelrechten Entwicklungssprung.
„Die Jahre 2019 und 2020 waren die denkwürdigsten und ertragsreichsten zwei Jahre meiner Arbeit im letzten Jahrzehnt“, resümiert Ma Ke, Vizedirektor des Kreiskrankenhauses. Er begann seine Karriere im Jahr 2006 und wurde Zeuge des außergewöhnlichen Wandels des kleinen Hospitals zu einem Krankenhaus nationalen Standards.
Das Volkskrankenhaus habe einen echten Aufschwung erlebt, sagt er. Es gebe ein neues Behandlungsgebäude, deutlich erweiterte ambulante Dienste, mehr Kapazitäten für Operationen, neue Anlagen und Geräte, neue Technologien und neue Dienstleistungen.
De facto hat die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Krankenhäusern über die Jahre immer neue Bereiche erschlossen. Bestes Beispiel hierfür ist die Gemeinwohlaktion für Herz-Ultraschalluntersuchungen für Schülerinnen und Schüler des Kreises. Dank ihr wurden in der zweiten Jahreshälfte 2020 innerhalb von gut zwei Monaten kostenlose kardiologische Ultraschalluntersuchungen und epidemiologische Untersuchungen auf angeborene Herzkrankheiten im Kreis angeboten, wobei mehr als 4000 Schülerinnen und Schüler aus zwei Grundschulen und Kinder aus zwei Kindergärten einbezogen wurden. Das Ärzteteam hatte für die Aktion eigens einen epidemiologischen Fragebogen über angeborene Herzkrankheiten bei Kindern aus der Hochebene erstellt, inklusive tibetischer Version. Bei der Bevölkerung kam die Aktion erwartungsgemäß gut an und wurde von vielen Familien in Anspruch genommen.
Den Staffelstab weitergeben
Die Fachleute des Medizinzentrums Nummer 9 wollten vor allem auch ein Umdenken in der Region bewirken. Man wollte dem Personal vor Ort helfen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, etwa durch entsprechende Aus- und Weiterbildung. So wurden vor Ort die Helfer von morgen ausgebildet, die in Zukunft kaum noch auf Unterstützung aus dem fernen Beijing angewiesen sein dürften.
„Die Einladung fachkundiger Mediziner, auswärtige Fortbildungen für unsere Ärzte und die Weitergabe von Knowhow durch unsere Fachkollegen in der Hauptstadt – all dies hat es uns einerseits ermöglicht, uns neue Fähigkeiten anzueignen und unsere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zu verfeinern. Andererseits erweitert all dies auch unseren Horizont und wir verinnerlichen fortschrittliche Management- und Dienstleistungskonzepte“, sagt Ma Ke. Der Vizedirektor ist davon überzeugt, dass sein Team – gewappnet mit den neuen Kenntnissen – in Zukunft noch bessere Arbeit leisten wird.
Heute bietet das Hospital im Kreis Sog umfassende Behandlungsmöglichkeiten an, vereint Notfallbehandlung, Krankheitsvorsorge, Fortbildung, wissenschaftliche Forschung und Gesundheitsfürsorge unter einem Dach.
„Im Juni 2022 sind wir auf das neue Krankenhausareal umgezogen, das rund 5,9 Hektar misst. Hier finden sich Behandlungs- und Verwaltungsgebäude, eine Infektiologie, Lagerhallen und Räume zur Entsorgung medizinischer Abfälle. Auch eine eigene Kantine gibt es. Hinzu kommen noch ein Notfallzentrum und ein Rehabilitationsgebäude“, sagt Ma.
Nachdem das Medizinzentrum Nummer 9 des Allgemeinen Krankenhauses der Volksbefreiungsarmee seine Unterstützungsmission nun beendet hat, übernimmt die Stadt Dalian in der Provinz Liaoning den Staffelstab in Sachen medizinische Hilfe für Xizang. Die Unterstützung geht also weiter. Und in Zukunft dürfte die Gegend bei den medizinischen Standards noch weiter zu den stärker entwickelten Regionen im Osten des Landes aufschließen.
*Zhao Shubin und Wan Jing sind Reporter der Xizanger Tageszeitung.
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