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Duale Kohlenstoffziele: Entwicklung ja, aber bitte nachhaltig! |
Von Chen Ying* · 2024-06-25 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Kohlenstoffziele;Klimawandel | Druck |
Diese Luftaufnahme vom Oktober 2022 zeigt eine große Grünfläche in der Stadt Tangshan in der Provinz Hebei.
Der globale Klimawandel ist eine wachsende Herausforderung für die gesamte Menschheit. Kein Wunder also, dass die Rufe nach einer grünen, kohlenstoffarmen Wende bei der Wirtschaftsentwicklung immer lauter werden. Längst ist diese Forderung internationaler Konsens.
Bisher haben 193 Vertragsparteien des Pariser Abkommens national festgelegte Beiträge (NDC) eingereicht und mehr als 150 Länder haben sich Ziele für Netto-Null-Emissionen sowie Kohlenstoff- bzw. Klimaneutralität gesetzt. Auf der UN-Klimakonferenz COP28, die vom 30. November bis zum 12. Dezember 2023 in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfand, wurde der historische VAE-Konsens verabschiedet, der eine Abkehr von fossilen Brennstoffen vorsieht. Er signalisierte den „Anfang vom Ende“ der Ära der fossilen Brennstoffe.
Auf der grünen Wiese: Eine Ausstellungshalle für Technologien aus dem Bereich neue Energien im Jung-Gar-Banner in der Inneren Mongolei.
Chinas duale Kohlenstoffziele
Am 22. September 2020 setzte sich China die beiden Ziele, bis 2030 den Höhepunkt seiner Kohlendioxidemissionen und bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Ein ehrgeiziges Vorhaben, das als „duale Kohlenstoffziele“ internationale Bekanntheit erlangte. In den darauffolgenden Jahren hat das Land mit dem 1+N-Rahmen die politischen Rahmenbedingungen für die Erreichung dieser beiden Ziele abgesteckt und Regierungsbehörden auf allen Ebenen sowie die gesamte Gesellschaft zur Erreichung der Ziele angespornt.
Bis zum 1. Oktober 2023 hatten dann auch alle 31 Provinzen, regierungsunmittelbaren Städte und autonomen Gebiete auf dem chinesischen Festland eigene Aktionspläne zur Erreichung des CO2-Ausstoßzenits formuliert. Die Online-Datenbank China Carbon Neutrality Tracker zeigt, dass die Regionen auf Provinzebene bis 2022 insgesamt 398 Richtlinien für die dualen Kohlenstoffziele vorgelegt hatten, 2023 folgten weitere 136 Richtlinien. In der überwiegenden Mehrheit dieser Regionen ist die Kohlenstoffintensität in den vergangenen Jahren weiter gesunken, wobei das Wirtschaftswachstum vor Ort heute immer weniger von Kohlenstoffemissionen abhängig ist. Etwa einem Drittel dieser Regionen gelang es, die Kohlenstoffemissionen stabil zu halten oder sie gar zu reduzieren. Und das bei gleichzeitigem Wirtschaftsausbau, wodurch das BIP-Wachstum wirksam von den Kohlenstoffemissionen entkoppelt wurde.
Gemäß Chinas Grünbuch zum Klimawandel 2023 sind auch auf kommunaler Ebene positive Veränderungen im Gange, insbesondere in denjenigen Orten, die als Pilotstädte für eine Entwicklung mit geringem Kohlenstoffausstoß ausgewählt wurden.
Besonderes Interesse hat die Transformation in ressourcenorientierten Städten geweckt. In diesen Orten sind die Hauptwirtschaftssäulen diejenigen Sektoren, die mit der Erschließung, Verarbeitung und Vermarktung natürlicher Ressourcen zusammenhängen, insbesondere ressourcenintensive Branchen wie fossile Energien, Bergbau und Schwerindustrie. Bedingt durch ihre Wirtschaftsstruktur und den örtlichen Energiemix weisen diese Städte traditionell einen hohen Energieverbrauch und hohe Kohlenstoffemissionen auf, was sie bei der grünen und kohlenstoffarmen Transformation vor enorme Herausforderungen stellt. Chinas duale Kohlenstoffziele und die unterstützenden Maßnahmen der Regierung haben wichtige neue Möglichkeiten für diese Städte geschaffen, damit sie ihren eigenen Weg zum Kohlenstoffgipfel und zur Kohlenstoffneutralität beschreiten können, und zwar unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse.
Ortsbesuch: Vertreter politischer Parteien Aserbaidschans besichtigen am 13. September 2023 die Talatan-Photovoltaikanlage im Kreis Gonghe in der Provinz Qinghai.
Ressourcenorientierte Städte kämpfen für die grüne Wende
Die in Nordchina gelegene Stadt Baotou in der Inneren Mongolei ist eine klassische Industriestadt, deren Wirtschaft lange von Metallurgie, dem Abbau seltener Erden und dem Maschinenbau dominiert wurde. Im Prozess der Transformation bemüht sich die Stadt nun, sich zur „grünen Welthauptstadt für Silizium“ aufzuschwingen. 2018 ließ sich daher eine erste Gruppe von Photovoltaikherstellern in Baotou nieder und löste damit einen grünen Trend aus. Mittlerweile sind insgesamt zwölf bedeutende Photovoltaikhersteller vor Ort präsent. Die Produktionskapazität der Stadt für mono- und polykristalline Materialien macht heute 40 Prozent der landesweiten Gesamtkapazität aus, bis 2025 soll sie auf 50 Prozent in China und 45 Prozent weltweit steigen.
Bei der kohlenstoffarmen und grünen Produktion von kristallinem Silizium spielt Ökostrom eine wichtige Rolle. Und hier kann Baotou punkten. Denn der Ort ist reich an Wind- und Solarressourcen und verfügt über 25,4 Millionen Kilowatt an nutzbarer Windkraft und 36 Millionen Kilowatt an Solarstrom. Um diesen Standortvorteil voll auszuspielen, ist derzeit der Bau von vier 500-kW-Übertragungskanälen für 100 Prozent reine neue Energien in vollem Gange. Schätzungen zufolge werden bis 2025 wohl 40 Prozent oder mehr des lokalen Photovoltaiksektors mit Ökostrom versorgt. Bis 2030 soll der Anteil sogar auf 50 Prozent steigen. Produkte aus grünem kristallinem Silizium werden vom innermongolischen Grünland in alle Welt gelangen. Baotou, früher bekannt als Hochburg der Eisen- und Stahlindustrie, entwickelt sich damit tatsächlich zur grünen Welthauptstadt des Siliziums.
Wenden wir unseren Blick nach Tangshan in der Provinz Hebei. Auch dieser Ort liegt im Norden Chinas und konzentrierte sich lange auf die Eisen- und Stahlindustrie, deren Produktion früher die Hälfte der Gesamtproduktion der Provinz ausmachte. Nachdem China seine dualen Kohlenstoffziele verkündet hatte, startete Tangshan einerseits die Umstellung des Sektors auf hochwertige, grüne und intelligente Produktion. Andererseits beschleunigte man die Entwicklung neuer Energien mit Schwerpunkten auf Ökostrom und grünen Wasserstoff. Bis Ende 2023 erreichte die installierte Kapazität für Wind- und Solarenergie in Tangshan 3,24 Millionen Kilowatt. Die grüne und kohlenstoffarme Transformation ist nicht nur für die lokale Wirtschaft ein Segen, sondern auch für die Umwelt – die Luftqualität hat sich spürbar verbessert.
Ritt ins Grüne: Menschen genießen im Juli 2023 einen Ausritt in Sahantala, einer Graslandgegend in der Stadt Baotou in der Inneren Mongolei.
Grüne Chancen
Die dualen Kohlenstoffziele eröffnen auch neue Möglichkeiten für eine grüne und kohlenstoffarme Wirtschaftsentwicklung in Gebieten, die reich an neuen Energiequellen wie Wind und Sonne sind. Talatan war früher Teil der Wüste Gobi in der Provinz Qinghai. Hier gibt es traditionell wenig Niederschlag und eine geringe Vegetationsdichte. Das flache Gelände und die vielen Stunden ununterbrochenen Sonnenscheins machen die Gegend allerdings ideal für die Erzeugung von Solarstrom.
2011 fiel hier der Startschuss für den Aufbau des weltweit größten Photovoltaikparks für Stromerzeugung. Der Park erstreckt sich heute über eine Fläche von 54 Quadratkilometern mit mehr als sieben Millionen Photovoltaik-Paneelen und einer installierten Gesamtleistung von 2,2 Gigawatt. Aufgrund der geografischen Lage und der damit verbundenen ökologischen Unzulänglichkeiten ergriffen die Ingenieure beim Bau des Parks verschiedene Maßnahmen zu Windschutz und Sandfixierung, wobei auch die ökologische Wiederherstellung Berücksichtigung fand.
Da PV-Paneelen das stechende Sonnenlicht blockieren und die Wasserverdunstung verringern, hat sich der Anteil der einheimischen Pflanzen im Park seit dem Bau der Anlage von 15 Prozent auf 65 Prozent gesteigert. Der Park arbeitet zudem mit lokalen Hirten zusammen und setzt Schafe ein, um zu verhindern, dass die Vegetation unter den Paneelen zu hoch wuchert und so die Stromerzeugung beeinträchtigt. Auf diese Weise gelingt ein dreifacher Gewinn: saubere Energie, Wiederherstellung der Ökosysteme und Einkommensgenerierung für die Hirten. Die „Photovoltaik-Schafe“, die gemächlich unter den Paneelen grasen, sind heute Teil des einzigartigen Landschaftsbildes der Gegend.
Die steigende Nachfrage mit Blick auf die grüne Transformation hat in China den Sektor für neue Energien stark beflügelt. In den relativ weit entwickelten Gebieten Ostchinas gibt es ein größeres Reservoir an Fachkräften für neue Energien, was die schnelle Entwicklung verwandter Industrien vorantreibt. Beispielsweise setzt die Stadt Changzhou in Jiangsu auf eine Erneuerung und Modernisierung in den örtlichen Industrieketten für Photovoltaik, Energiespeicherbatterien, neue elektrische Geräte und New Energie Vehicles (NEV). Insbesondere im Bereich der Batterieherstellung hat Changzhou in der Region die Nase vorn. Rund die Hälfte der Produktion und Verkäufe der Provinz Jiangsu in diesem Bereich stammen von hier, landesweit betrachtet steuert die Stadt etwa ein Fünftel an Produktionsleistung und Verkäufen bei. Damit steht die Stadt landesweit an erster Stelle.
Heute sind in Changzhou über 160 Batteriehersteller und flankierende Unternehmen ansässig, darunter vier der zehn weltweit führenden Marken für Leistungsbatterien, gemessen an der installierten Kapazität. Diese Hersteller sind in 31 Kernbereichen der Batterieindustrie tätig, darunter Materialien sowie technologische Forschung und Entwicklung. Dies untermauert die führende Stellung der Stadt mit 97 Prozent – dem höchsten Anteil in China – in der industriellen Batteriekette, die von der Stromerzeugung über die Energiespeicherung und -übertragung bis hin zur Anwendung reicht.
In China, dem größten Entwicklungsland der Welt, weisen die verschiedenen Regionen unterschiedliche Entwicklungsstufen und eine unterschiedliche Ressourcenausstattung auf. Motiviert durch die staatliche Politik erkunden sie alle aktiv Wege zur grünen Entwicklung, jeweils unter Berücksichtigung ihrer lokalen Bedingungen. Und das mit Erfolg. Schon heute tragen die gemeinsamen Anstrengungen von regionalen Regierungen und Unternehmen greifbare Früchte.
*Die Autorin ist stellvertretende Direktorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungszentrums für nachhaltige Entwicklung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.
Die Meinung der Autorin spiegelt nicht notwendigerweise die Position unserer Website wider.
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