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Stadt der Ideen - Shenzhens Weg in 40 Jahren zum Innovationszentrum |
Von Verena Menzel · 2020-11-26 · Quelle:China heute |
Stichwörter: Shenzhen;Innovation | Druck |
Denn mit finanzieller Unterstützung alleine lockt man junge Menschen mit Träumen nicht hinter dem Ofen hervor. Das wissen auch die Regierungsbeamten in Shenzhen. Um bei jungen Uni-Absolventen, Talenten und Jungunternehmern im Wettbewerb mit anderen Großstädten zu punkten, setzt Shenzhen auf ein Gesamtpaket aus städtischen Dienstleistungen, um auch für Neuankömmlinge und Berufseinsteiger ein möglichst angenehmes Lebens- und Arbeitsumfeld zu schaffen. „Hier in Shenzhen betrachten wir Unternehmen und Menschen ganz klar als unsere Entwicklungsgrundlage und die Regierung stellt sich ganz in ihren Dienst. Es herrscht ein ausgeprägtes Dienstleistungsbewusstsein“, sagt Han. Für Fragen wie den Wohnungskauf, die passende Rentenversicherung oder den Nachzug von Eltern und Familienangehörigen biete die Regierung gezielte Unterstützungsmaßnahmen.
Dabei werden heute auch mehr und mehr die neuen Möglichkeiten des Internets im Bereich der Stadtverwaltung ausgeschöpft, um das Leben und Arbeiten in der Metropole noch komfortabler zu machen. So zum Beispiel die im Januar 2019 an den Start geschickte kostenlose App „I Shenzhen“, mit deren Entwicklung die Stadtregierung den Versicherungs-, Finanz- und Technikriesen Ping An Insurance Group beauftragt hatte. Über die neue Service-App bieten heute insgesamt 40 städtische Behörden ihre Dienstleistungen auch online an. Mehr als 7700 behördliche Vorgänge können so bequem über das Internet abgewickelt werden, ohne lästige Behördengänge und zeitraubendes Schlangestehen. Vor allem in Zeiten von Corona hat die neue Plattform in der Metropole vieles einfacher gemacht. „Mehr als 96 Prozent der persönlichen und mehr als 70 Prozent der Unternehmensdienstleistungen lassen sich über diese App online erledigen“, schwärmt Wayne Hu, stellvertretender Direktor von Ping An Smart City Technologies.
Wie die App dazu beiträgt, bürokratische Vorgänge zu straffen, verdeutlicht Hu an einem konkreten Beispiel: „Im vergangenen Jahr kamen 130.000 Hochschulabsolventen zur Jobsuche nach Shenzhen. Früher dauerte es für junge Berufseinsteiger ein bis zwei Monate, eine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Dafür mussten bei bis zu acht verschiedenen Behörden zehn Originaldokumente sowie 14 Dokumente in Kopie eingereicht werden. Die Bearbeitungskosten beliefen sich auf 500 Yuan. Heute haben wir diesen Prozess in Zusammenarbeit mit der Regierung über unsere Applikation enorm vereinfacht. Durch die Zusammenführung von Daten braucht man heute nur noch einen bis maximal sieben Tage, um die nötige Genehmigung zu erhalten. Und die Beantragung erfolgt völlig kostenlos und ohne einen einzigen Behördengang. Das bringt der Bevölkerung hier eine enorme Entlastung.“ Han Wangxi ergänzt: „Wir versuchen, bürokratische Hürden nach Möglichkeit aus dem Weg zu räumen, um junge Menschen in ihrem Elan nicht auszubremsen.“
Dass man in Shenzhen nicht in starren bürokratischen Kategorien denkt, sondern nach gangbaren Lösungen sucht, kann auch Shang Linlin, Geschäftsführerin von Fantawild Holdings, bestätigen, Chinas Branchenführer im Bereich Animationsfilme und Betreiber zahlreicher Themen- und Unterhaltungsparks im ganzen Land.
In T-Shirt und Turnschuhen: Die meisten Mitarbeiter des Shenzhener Animationsfilmemachers Fantawild sind unter 30 Jahre. Unter jungen Arbeitnehmern gilt die Firma als begehrte Tech-Spielwiese mit schnellen Aufstiegschancen.
In der Shenzhener Firmenzentrale von Fantawild feilen kreative Köpfe an Hightech-Unterhaltungsprodukten, die ihr Publikum längst über die Landesgrenzen hinaus finden. Für Shang Linlin ist Shenzhen der Ort, um kreative Cartoongeschichten von China in die Welt zu tragen. „Wir haben schon viele Angebote bekommen, unseren Hauptsitz in andere Städte zu verlegen“, sagt sie. „Doch unsere Wurzeln liegen hier. Außerdem meinen wir, dass Shenzhen einfach der beste Ort für uns ist. Shenzhen ist eine kreative und innovative Stadt, Innovation ist hier eine Geisteshaltung. Für ein Unternehmen wie unseres, das neueste Technologie und moderne Kultur miteinander verbindet, sind Kreativität und Innovationskraft essentielle Faktoren. Die Metropole ist einfach sehr offen, tolerant und energiegeladen.“
Dabei stand Fantawild 2007 im Jahr seiner Gründung zunächst vor einem Problem. Ein Unternehmen das Kulturprodukte und Technologie verbindet? Das war in den Nullerjahren noch Neuland in China. Und entsprechend wusste man im Registrierungsprozess bei den städtischen Behörden anfangs nicht so recht, wo man das Unternehmen hinstecken sollte. Shang Linlin erinnert sich: „Wir wollten Kulturprodukte mit High-Tech verbinden. Damals waren allerdings unterschiedliche Abteilungen für diese beiden Bereiche zuständig. Eigentlich war es gar nicht möglich, ein Unternehmen wie unseres regulär zu registrieren. Wir haben den zuständigen Behörden dann aber erklärt, was wir genau vorhatten. Letztlich konnten wir unsere Firma dann doch erfolgreich anmelden. In anderen Städten wäre das sicher wesentlich schwieriger gewesen.“
Die Doppelstrategie, die die Stadtregierung bis heute fahre, sei denkbar einfach: Freiräume lassen und gleichzeitig Hilfestellung bieten, sagt Manager Hu von Ping An Smart City Technologie. „Die Regierung folgt dem Prinzip, sich nicht in die Unternehmensentwicklung einzumischen, wenn es nicht nötig ist, um so die nötigen Freiräume zu eröffnen. Falls allerdings Hilfe und Unterstützung benötigt wird, können sich Unternehmen mit allen Fragen stets an die Behörden wenden.“
Im Falle von Fantawild hat dieses Prinzip gefruchtet. Die Geschäfte florieren, unter jungen Arbeitnehmern gilt die Firma als begehrte Tech-Spielwiese mit schnellen Aufstiegschancen. Schon von Weitem sieht man in den Vormittagsstunden Scharen junger Kreativer mit Laptop und Coffee-to-go in T-Shirt und Turnschuhen über die Bürgersteige in den hellen Bürokomplex pilgern.
Vor allem für junge Leute scheint Shenzhen ein äußerst attraktives Pflaster. Wer morgens durch die belebten Geschäftsviertel der Stadt läuft, wird kaum jemanden über 40 treffen. Der Großteil der jungen Menschen in der Metropole kommt zudem von außerhalb, was für chinesische Städte eher ungewöhnlich ist.
„Chinesen sind traditionell eigentlich sehr heimatverbunden und suchen eher ungern andernorts ihr Glück. Hier in Shenzhen aber haben wir ausschließlich Leute, die ihre Heimat verlassen haben, um sich beruflich zu entwickeln. Diese Leute bringen großen Idealismus und große Ambitionen mit, beruflich etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Sie alle verbindet ihre große Motivation, hier in Shenzhen beruflich durchzustarten“, sagt Manager Wayne Hu. Und das schaffe eine ganz besondere Atmospäre. Dass es so viele Gleichgesinnte gebe, erleichtere obendrein die Integration und stärke das Zugehörigkeitsgefühl. Einheimische und Auswärtige - solche Kategorien verblassen in Shenzhen also, in dieser Stadt, die innerhalb von nur vier Jahrzehnten von rund 30.000 auf 13 Millionen Einwohner angeschwollen ist.
Zuzügler Xie Weidi vom Drohnenhersteller DJI ist überzeugt, dass sich seine persönliche Entwicklung wie auch die Entwicklung seines Unternehmens letztlich nicht von der kumulativen Entwicklung der Stadt trennen lasse. „Dank der Entwicklung der Vergangenheit finden hier heute neue Talente ihre Lehrmeister und die nötige Inspiration, um selbst wiederum neue Dinge zu kreieren und Bestehendes weiterzuentwickeln.“
Designmetropole: 2008 wurde Shenzhen als erste chinesische Stadt überhaupt zur UNESCO City of Design und damit Teil des Creative Cities Network.
Und so werden in dieser jungen Metropole schon heute die Samen der Zukunft gesät und neue technische Erfindungen aufgetan, die unser Morgen prägen könnten. Wie weit solch neue Technik letztlich nicht nur unseren Alltag, sondern sogar unsere Wahrnehmung der altvertrauten Welt zu verändern vermag, hat das Shenzhener Start-up DJI in den vergangenen Jahren selbst gerade erst eindrucksvoll bewiesen.
„Vor dem Boom der Foto- und Videodrohnen kannte man die meisten städtischen Bauwerke quasi nur in 2D, also aus der Perspektive vom Boden aus. Die neue Generation wächst nun mit 3D-Luftbildern von oben auf. Das verändert letztlich nachhaltig unsere Wahrnehmung der Welt und hat auch weitreichenden Einfluss auf unsere Kultur. Wir können die Luft in Zukunft als Ressource nutzen, um unser Leben und unsere Arbeitswelt weiterzuentwickeln.“
Man darf also gespannt sein, welche weiteren technischen Neuerungen in Zukunft unseren Horizont noch erweitern werden. Einige davon dürften jedenfalls sicherlich aus Shenzhen kommen, dieser Stadt mit Zukunft, die schon heute die Gedanken beflügelt.
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