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Der „Han'ou“ – ein neuer kommerzieller Brückenkopf |
Von Wei Hongchen · 2019-08-23 · Quelle:Beijing Rundschau |
Stichwörter: Wuhan;Güterzug | Druck |
Am 24. Oktober 2012 unternahm der Wuhan-Europa-Güterzug (auch „Han'ou-Güterzug“ genannt) seine erste Testfahrt. Dank dieser kontinentalen „Seidenstraße“ wurde Wuhan, die Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hubei, auf einer 10.863 Kilometer langen Strecke mit Pardubice in der Tschechischen Republik verbunden. Nach Angaben des chinesischen Handelsministeriums steht Wuhan unter den rund 50 chinesischen Städten, die Güterzugverbindungen nach Europa eröffnet haben, im Hinblick auf die Menge der versendeten Waren und die Qualität der Verbindungen an der Spitze.
Historisch gesehen gibt es neben den terrestrischen und maritimen Verbindungen der Seidenstraße sowie der „Straße des Tees und der Pferde“ noch eine weitere Handelsroute zwischen China und Russland: die chinesisch-russische Teeroute, die sich über insgesamt 13.000 Kilometer in ganz Eurasien erstreckt. Ihr Ausgangspunkt ist der Hafen von Hankou in der Provinz Hubei. Aufgrund seiner hervorragenden geografischen Lage an der Kreuzung von zwei Flüssen und neun Provinzen hat sich Hankou als wichtiger Teil der Stadt Wuhan inzwischen zum größten Verteilungszentrum für Tee weltweit entwickelt und den Ruf als „Teehafen des Ostens“ erworben. Schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte Tee über Hankou bis nach Sankt Petersburg.
Heute, mehr als ein Jahrhundert später, bringen die Güterzüge zwischen Wuhan und vielen europäischen Städten der Stadt Wuhan ihren früheren Ruhm zurück und machen sie zu einer wichtigen Drehscheibe im chinesisch-europäischen Handel.
Eine neue kontinentale Handelsroute eröffnen
Am 19. März 2011 fuhr der erste Güterzug, der Elektroprodukten transportierte, von Chongqing über den Ahlahs Aashankou-Pass in Xinjiang nach Duisburg ab. In den folgenden zwei Jahren nahmen immer mehr Städte in Zentralchina wie Chengdu, Zhengzhou, Changsha und Xi'an derartige Güterzuglinien in Betrieb. Als eine wichtige Knotenstadt, in der der Entwicklungsplan des Jangtse-Wirtschaftsgürtels und die Wirtschafrtsgürtels
Seidenstraßen-Initiative einander überschneiden, wollte Wuhan diese Chance natürlich auf keinen Fall verpassen. Mit der Eröffnung dieser Güterzugverbindung wurde eine lange Landtransportroute nach Europa für die Stadt und natürlich auch für die ganze Provinz Hubei eröffnet.
Im März 2014 wurde Wuhan die Asia-Europe Logistics Co., Ltd („WAE“) gegründet, mit der der „Han'ou-Güterzug“ den Schritt zur Marktstandardisierung offiziell vollzog.
Diese Strecke richtet sich an Industriemächte wie Deutschland und Frankreich sowie an rohstoffreiche Länder wie Russland und Weißrussland. Von Wuhan aus führt die südliche Linie über den Ahlahs Alashankou-Pass nach Europa und die nördliche Linie über Manzhouli in der Inneren Mongolei nach Europa. Laut Wang Lei, dem stellvertretenden Generaldirektor von WAE, bietet der Zug speziell auf große Produktionsunternehmen in Hubei zugeschnittene Dienste an.
Im Jahr 2015 eröffnete WAE eine öffentliche Güterzugverbindung, mit der auch das Problem gelöst werden sollte, dass bisher nur große Fertigungsunternehmen von der Seidenstraße-Initiative und dem China-Europa-Güterzug profitieren konnten: nur sie durften die Güterzüge nutzen, welche auch nur dann fuhren, wenn die Großunternehmen große Mengen an Waren nach Europa verschiffen wollten. Die Züge fuhren ohne Fracht aus Europa zurück nach China. Inzwischen stehen die Züge der WAE auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zur Verfügung: die Strecken, Fahrpläne und Preise sind festgelegt. Mit bis zu vier wöchentlichen Verbindungen (zwei Hinfahrten und zwei Rückfahrten) senkt dies die Transportkosten und hilft den KMU dabei, den internationalen Markt zu erschließen. Im Jahr 2018 hatte die Wuhan-Europa-Eisenbahnstrecke 174 Hin- und 249 Rückzüge und die tatsächliche Auslastungsrate betrug 96,5 Prozent. Von allen Schnellbahnverbindungen zwischen China und Europa war dies die beste Auslastung.
Ein Nährboden für neue Möglichkeiten
Die Eröffnung der Wuhan-Europa-Eisenbahnverbindung hat die wirtschaftlichen und kommerziellen Beziehungen zwischen Wuhan und Europa und sogar den Anrainerstaaten entlang der Seidenstraßen-Initiative gestärkt. Die Güterzuglinie hat nicht nur eine aktive Rolle im internationalen Handel der Provinz gespielt, sondern ist auch zu einem echten Industriemagneten geworden.
In Hubei gibt es viele holzverarbeitende Unternehmen, daher ist die Nachfrage nach Holz sehr hoch. Aufgrund von Rohstoffknappheit haben die lokalen Unternehmen aber mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Aus diesem Grund wandte sich WAE an den russischen Fernen Osten und eröffnete im April 2015 die erste Russland-Manzhouli-Wuhan-Güterzugverbindung des Landes, die Tomsk (Russland), Manzhouli und Wuhan miteinander verbindet. Der Rohstoff Holz wird in mehr als zehn Provinzen und Städten wie Tianjin, Shanghai, Dalian, Qingdao, Xiamen sowie in Guangdong und Anhui sowie über den Jangtse-Fluss vertrieben.
Die Holzlieferungen aus Russland lösten nicht nur das Problem der Knappheit an lokalen Holzressourcen in Wuhan, sondern zogen auch Unternehmen aus Provinzen wie Guangdong, Fujian und der Inneren Mongolei an, sich in Wuhan niederzulassen. Darüber hinaus wurde die Industrie im östlichen Teil des Landes dazu ermutigt, sich den zentralchinesischen Regionen anzunähern. Aus diesem Grund hat sich die Papierindustrie in Zentralchina schnell entwickelt.
Am 28. Oktober 2017 eröffnet die Wuhan-Europa-Eisenbahnverbindung Chinas erste Sonderstrecke für ein Einzelhandelsunternehmen, den „Konvoi von Decathlon“. (Foto: WAE)
Der globale Sportartikel-Einzelhandelsriese Decathlon hat derzeit 268 Filialen in China. Das Land ist außerhalb Frankreichs auch der einzige ausländische Markt für Decathlon, der über die gesamte vom Unternehmen benötigte Industriekette verfügt. In Wuhan unterhält Decathlon neben sechs Filialen auch eine Textilfabrik und einen Logistikpark mit einer Fläche von rund 80.000 Quadratmetern.
Am 28. Oktober 2017 eröffnete die Firma WAE die erste Verbindung für ein spezialisiertes Einzelhandelsunternehmen des Landes, den „Konvoi von Decathlon“, der mit von Decathlon China Sportartikeln beladen wurde. Die Ladung ging direkt nach Dourges, Frankreich. Es war der erste Zug seiner Art in China. Dank der Zeitersparnis und der hohen Kapitalfluktuation entschloss sich die Decathlon-Gruppe, Aufträge in südostasiatische Länder wie Vietnam nach Wuhan und Jingmen zu liefern und in Wuhan ein Vertriebszentrum einzurichten.
„Im internationalen Schienengüterverkehr ist China inzwischen zu einer Weltmacht geworden und hat die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen, die mit China zusammenarbeiten, erheblich gestärkt. In Frankreich brauchen vor allem die großen Vertriebsketten und Automobilkonzerne solche Logistiklösungen. Doch immer mehr französische KMUs benötigen diesen schnellen Transport auch“, sagt Xavier Wanderpepen, Leiter der Geschäftsentwicklung China-Europäische Union bei SNCF.
Die positiven Auswirkungen des Schienengüterverkehrs sind nicht auf Hubei beschränkt. Zheng Li, stellvertretender Direktor der Marketingabteilung beim Eisenbahnbüro in Wuhan, sagte, dass das Schienengüterverkehrsnetz derzeit in Form eines Doppelkreuzes bestehe. Elektronik, Obst und Meeresfrüchte aus den Regionen des Perlfluss-Deltas und Jangtse-Deltas sowie den südostasiatischen Ländern würden zum Bahnhof Wujiashan in Wuhan transportiert. Von dort aus geht es für sie dann per Güterzug nach Europa. Vor diesem Hintergrund habe sich Wuhan zu einer Basis für Montage, Vertrieb, Transport und Logistik in China entwickelt.
Kühlcontainer transportieren hochwertige Produkte
Der 38-jährige Liu Xingliang stammt aus Wuhan. Neben Sesamnudeln liebt er auch französischen Rotwein. In seiner Freizeit geht er gerne auf die Suche nach guten Weinen bei den Händlern der Stadt. In den letzten Jahren hat sich die Situation jedoch geändert. Eines Tages merkte ich, dass in den Regalen des Supermarktes in der Nähe meines Hauses plötzlich viele französische Weine standen. Es gab nicht nur viele Sorten im Angebot, sie sondern waren auch noch von hoher Qualität und preisgünstig.
Aufgrund der Eisenbahnverbindung zwischen Wuhan und Europa und der Tatsache, dass die Lieferung per Zug nur ein Drittel der Zeit des Seewegs benötigt und die Frachtkosten fünfmal niedriger sind als auf dem Luftweg, wird eine große Anzahl französischer Weine inzwischen mit dem Zug nach Wuhan transportiert. Der Preis für französischen Wein in Wuhan ist somit im Grunde genommen der gleiche wie in Europa.
Die Schnellbahnverbindung Wuhan-Europa mit Kühlwaggons befördert leicht verderbliche Import- und Exportprodukte – Wein, Milch, Fruchtsäfte, Eiscreme, Obst und andere Lebensmittel –, aber auch Präzisionsgeräte wie Autoteile und Computer. (Foto: Beijing Rundschau / Zhang Wei)
Jedoch ist es nicht einfach, eine Flasche Rotwein aus Frankreich nach Wuhan zu transportieren. „Im grenzüberschreitenden Transportprozess gibt es extreme Wetterbedingungen. Die Temperaturen in den Containern können im Sommer 50 Grad oder mehr erreichen, im Winter sind minus 20 Grad oder weniger keine Seltenheit. Die Konservierung von Lebensmitteln, Weinen, Arzneimitteln und anderen Produkten erfordert eine konstante Temperatur, und der Transport dieser Produkte erfordert eine funktionierende Kühlkette“, sagte Wang Lijun, Vorstandsvorsitzender von WAE.
Die Kühlkette ist in der Schifffahrt bekanntlich sehr ausgereift, vor allem dank der externen Stromversorgung der Container. Zugcontainer hingegen müssen unabhängig, also ohne äußere Stromquelle, gekühlt werden. Um das Problem des Transports bei konstanten Temperaturen zu lösen, hat das Forschungs- und Entwicklungsteam von WAE 2016 den Kühltransport im Zug ausprobiert. Das Kühlkettenglied ist mit der neuesten selbstbetriebenen, dieselelektrischen Hybrid-Kühlcontainertechnologie, mit einem 800-Liter-Kraftstofftank und einem Dieselmotor ausgestattet, womit die Temperaturregelungsanforderungen für Kühltransporte erfüllt werden. Darüber hinaus gibt es auch ein Beidou Navigations- und Positioniersystem im Zug. Dies ermöglicht eine globale Positionierung rund um die Uhr und den Zugang über mobile Internet-Technologie, um den Betrieb des Kühlsystems aus der Ferne zu überwachen und die „Visualisierung und Steuerbarkeit“ des gesamten Kühltransportprozesses zu gewährleisten.
Französische Weine, deutsches Bier, polnisches Fruchtbier und kasachisches Speiseöl werden immer wieder nach Wuhan transportiert. Die Hersteller europäischer Konsumgüter sind nach und nach „treue Kunden“ des Güterzuges geworden. Ihre Produkte werden aus Europa verschifft und kommen schon wenige Tage später in China „frisch auf den Tisch“. Ebenso sind Orangen aus Yichang und Qianjiang-Krebse auf den europäischen Markt gekommen.
Kulturelle „Transportgürtel“
Die Eisenbahnverbindung fördert nicht nur den Handelsaustausch und die wirtschaftliche Entwicklung, sondern dient auch als neue Brücke für den kulturellen Austausch zwischen China und dem Ausland.
Wenn man das Gebäude von WAE betritt, fällt einem sofort ein Gemälde über die Eisenbahnverbindung ins Auge. Es zeigt den Konvoi namens „Hans“ und berühmte Sehenswürdigkeiten Wuhans, wie den Gelben Kranichturm und den Fernsehturm von Guishan. Laut Li Jie, Geschäftsführerin von WAE in Deutschland, heißt die Malerin des Gemäldes Nadine – ein 11-jähriges Mädchen aus Duisburg.
Nachdem Nadine davon gehört hatte, dass Yichangs Zitrusfrüchte per Güterzug nach Russland verschifft wurden, malte sie dieses Bild, obwohl sie selbst noch nie in Wuhan gewesen ist. Dieses Gemälde, das sich auf dem Firmengelände befindet, ist ein Symbol für den kulturellen Austausch des „Han'ou-Güterzugs“ in Deutschland.
Die „bianzhongyuewu“ (eine auf Glockenspiel basierende Musikchoreographie aus der Provinz Hubei) konnte China bisher nur auf dem Seeweg verlassen. Aufgrund der Größe und des Gewichts des Glockenspiels, der hohen Transportkosten und der Gefahr des Rostens auf Hoher See waren Aufführungen im Ausland bisher jedoch kaum durchführbar. Dank des Zuges ist es nun einfacher.
Das „7. Internationale Militärsportfest“ wird im Oktober dieses Jahres in Wuhan stattfinden. Dies ist das erste Mal, dass China ein internationales Militärsportereignis organisiert. Um die Popularität und den Einfluss des Wuhan-Europa-Güterzugs und des Militärsportfests zu erhöhen, wurde ein Güterzug auf den Namen „Bingbing“ (Bing, chin. Militär) getauft, nach dem Namen des Maskottchens des Militärsportfests. Der Zug verließ Wuhan erstmals am 29. November 2018.
„Dieser Zug (der „Bingbing-Konvoi“ des „Han'ou-Güterzugs“) ist mit dem Thema der chinesischen Kultur und des Militärsports geschmückt. Er ist zu einem Werbeplakat geworden, das Ausländer nach Wuhan einlädt und ihnen die chinesische Kultur zeigen will“, sagte Wang Lei.
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