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Stimulus-Maßnahmen in China: Weichen werden neu gestellt |
Von Zhou Mi* · 2024-10-16 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Wirtschaft | Druck |
Maschine mit Herz: Dieser humanoide Roboter war am 21. August während der Weltroboterkonferenz 2024 in Beijing zu sehen. (Foto: Ren Chao / Xinhua)
Eine angespannte geopolitische Gemengelage und zunehmender Protektionismus, die rasche Umgestaltung der globalen Lieferketten und der große technologische Wandel – auch nach Jahren kommt die Weltwirtschaft nicht zur Ruhe. Im internationalen Vergleich hat sich Chinas Wirtschaft allerdings als sehr robust erwiesen. Sie kommt schnell wieder in Fahrt. Enormes Wirtschaftsvolumen, langfristig stabiles Wachstum und ein immer offenerer Markt – dank dieser einzigartigen Stärken bringt die Volksrepublik dem Rest der Welt zahlreiche Entwicklungschancen und leistet damit einen zentralen Beitrag auf der Weltwirtschaftsbühne.
Jüngst gingen die führenden Wirtschaftsplaner der Volksrepublik wieder einmal mit guten Nachrichten an die Öffentlichkeit: Am 8. Oktober trat die Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform (NDRC) vor die Presse und kündigte ein umfangreiches Konjunkturpaket für mehr Wirtschaftswachstum an, und zwar in fünf Bereichen.
Vorrangiges Ziel der Maßnahmen ist es, die antizyklischen Hebel der Politik voll zur Geltung zu bringen. In einer Marktwirtschaft kommen Staat und Markt schließlich jeweils unverzichtbare Funktionen zu. Ein wirksamer Marktmechanismus sorgt dafür, dass alle Ressourcen in vollem Umfang genutzt werden, ausreichender Wettbewerb Innovationen fördert und die sich ständig ändernde Verbrauchernachfrage befriedigt wird. Chinas Ansatz, die grundlegende Rolle des Marktes bei der Ressourcenallokation zu respektieren, bleibt unverändert. Gleichzeitig bekennt sich das Land aber auch klar zur wichtigen Rolle des Staates, der dabei hilft, wirtschaftliche Schwankungen abzufedern und die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Entwicklungszyklen abzuschwächen.
Zheng Shanjie, Direktor der NDRC, betont, man habe die eingeplanten 700 Milliarden Yuan aus dem diesjährigen Zentralhaushalt wie vorgesehen eingesetzt. Zudem sei eine Billion Yuan an ultralangfristigen Sonderstaatsanleihen ausgezahlt worden. „Das neue Konjunkturpaket ist Zeichen des guten Zusammenspiels von Steuer- und Finanzpolitik“, sagt er. Über die Hebelwirkung des Kapitels wolle China für eine optimale Allokation gesellschaftlicher Ressourcen sorgen. Finanzinstitute müssten hierbei insbesondere der Realwirtschaft gezielt Begünstigungen gewähren, um so die Kapitalfinanzierung weiter zu erleichtern, so Zheng. Die jüngsten Maßnahmen zeigten klar, dass China die Rolle des Marktmechanismus gut zur Geltung bringt und so die Wirtschaft antizyklisch anpasst.
Im Riesenland China bestehen wirtschaftlich betrachtet allerdings auch erhebliche regionale Unterschiede. Die Dynamik und die ausgewogene Entwicklung der lokalen Volkswirtschaften gelten als wichtiger Gradmesser für die Widerstandsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft. Das jüngste Maßnahmenbündel sieht vor, den Schuldenausgleich zu unterstützen, um den Druck auf die lokale Verschuldung und das Verschuldungsrisiko zu verringern, was die Finanzkapazität der lokalen Regierungen weiter stärken dürfte.
Mit ihren Reformmaßnahmen will die Regierung letztlich neuen Spielraum für das Wirtschaftswachstum schaffen. Die Geschichte lehrt uns schließlich, dass Reformen eine wichtige Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftsdynamik bilden. Zugleich dienen Reformen als wirksames Mittel zur Stimulierung der Innovation. Auf ihrer dritten Plenartagung des XX. Zentralkomitees hat die KP Chinas das wichtige Ziel einer Modernisierung chinesischen Typs formuliert. Gleichzeitig hat man die Weichen für die weitere Wirtschaftsentwicklung des Landes gestellt. Allen voran wurden mehr als 300 bedeutende Reformansätze auf den Weg gebracht, allesamt zielgenau und von umfassendem Charakter. Kein Wunder also, dass sich Chinas Entwicklungsumfeld seither weiter merklich verbessert hat. Das Maßnahmenbündel hat die Dynamik und Attraktivität der chinesischen Wirtschaft weiter beflügelt.
Von Stein zu Stein tastend den Fluss überqueren – sprich behutsam vorzugehen und sich dabei stets von Neuem an die veränderten Umstände anzupassen – ist eine chinesische Weisheit und hat sich als Reformmethode gut bewährt. Im Zuge der Reform fällt es China allerdings zunehmend schwerer, die „Steine“, also die Erfahrungen anderer Volkswirtschaften, für sich selbst zu nutzen. Vor diesem Hintergrund wird es nötig, eigene Methoden zu erproben.
Am Beispiel der Integration von Digital- und Realwirtschaft zeigt sich, dass die rasante Entwicklung globaler Spitzentechnologien von einer zunehmenden politischen Einmischung begleitet wird. Dies aber hemmt den internationalen Handel und auch die Investitionen. Zudem erschwert es den Märkten, ihre Ressourcenallokation zu optimieren.
Doch trotz dieser Hindernisse sollte China in seiner Entwicklung keineswegs innehalten. Damit weiteres Wachstum gelingt, gilt es, auch in Zukunft auf unabhängige Innovation und eine Erweiterung der Öffnung zu setzen. Zudem bedarf es größerer Anstrengung, traditionelle Industrien zu erneuern und starke Impulse in Sachen Digitalisierung zu geben. So lassen sich beispielsweise globale Innovationscluster und somit riesige neue Märkte mit enormem Entwicklungspotenzial schaffen.
Eine weitere Baustelle, an der China nicht vorbeikommt, ist die Stabilisierung und Steigerung des Inlandskonsums. Hier gilt es, bestehende Mängel gezielt zu beheben. Den vielen Kleinstbetrieben und KMU kommt in Chinas Wirtschaft eine bedeutende Rolle zu. Sie leisten erhebliche Beiträge für Beschäftigung, Steuereinnahmen sowie Ein- und Ausfuhren. Allerdings hemmen bisher die begrenzten Ressourcen und mangelnde Qualifikationen die Entwicklung dieser Betriebe. Kleinstunternehmen und Mittelständler sind nicht nur anfällig für Marktschwankungen, sondern reagieren auch empfindlicher auf politische Veränderungen. Daher werden alle Maßnahmen, die diesen Firmen eine gesunde Entwicklung gewähren, im jüngsten Konjunkturprogramm auch ganz bewusst fortgesetzt.
Nicht zuletzt dient auch der private Konsum als wichtige Konjunkturstütze und steht entsprechend hoch auf der Regierungsagenda. Die Marschroute lautet: die Löhne von Gering- und Durchschnittsverdienern steigern, die Unterhaltsbeihilfen für besondere Härtefälle und Waisen erhöhen, die Zuschüsse für Studierende anheben und die nationalen Studierendendarlehen nach oben schrauben. Zudem hat die Regierung angekündigt, die Inanspruchnahme von Dienstleistungen wie Altenpflege und Kinderbetreuung weiter zu fördern. All dies dient einem Ziel: die Konsumlaune der Chinesen aufzuhellen.
In puncto Immobilienmarkt pocht die Regierung darauf, die schwelende Immobilienkrise zu bekämpfen und die Branche zu stabilisieren. China verfügt über einen immensen Immobilienmarkt, dessen Entwicklung eng mit der raschen Industrialisierung und Urbanisierung des Landes verbunden ist. In der Vergangenheit waren Wohnungen ein begehrtes Investitionsobjekt, entsprechend hoch lagen lange die Immobilienpreise. Der Immobiliensektor gilt als einer der wichtigsten Wachstumstreiber der chinesischen Wirtschaft. Lange hat er die Vermögensbilanz der Bevölkerung merklich aufgewertet und für einen Boom in der Baustoff- und Einrichtungsbranche sowie in der gesamten Bauindustrie gesorgt. Aber der Sektor wirkt sich auch erheblich auf die Stabilität der Finanzmärkte aus. Von daher ist die Stabilität des Immobilienmarktes zentral für einen reibungslosen Aufschwung.
Um Finanzierungsengpässen auf dem Immobilienmarkt zu begegnen, plant die Regierung, die Investitionen in Darlehen für Projekte auf der „weißen Liste“ aufzustocken. Die Regierung nimmt hier vor allem die reibungslose Fertigstellung von Schlüsselprojekten ins Visier, diese Projekte werden noch zielgenauer unterstützt. Zudem will man den Kapitalumschlag von Immobilienunternehmen beschleunigen.
Für den Bestand an ungenutzten Grundstücken werden spezielle Anleihen ausgegeben. Bei der künftigen Entwicklung des Immobilienmarktes geht es den Verantwortlichen nicht nur um eine Optimierung des Bestands, sondern auch darum, den Bau neuer Wohnungen streng zu deckeln und auf deren Qualität zu achten. In Zukunft will man vorrangig die Nachfrage nach Erstimmobilien befriedigen bzw. den Menschen besseren Wohnraum anbieten.
Doch das ist noch nicht alles: Die Regierung hat auch angekündigt, den Kapitelmarkt weiterzuentwickeln und zu beflügeln. Denn als wichtiger Ort der Unternehmensfinanzierung formen die Kapitalmärkte ein zentrales Element funktionierender moderner Volkswirtschaften. Entsprechend nimmt das neue Maßnahmenpaket den Kapitalmarkt als zentralen Bereich ins Visier.
Die Vorteile der neuen Maßnahmen liegen dabei auf der Hand: Sie dienen dazu, bestehende Entwicklungsengpässe zu beseitigen, die Struktur börsennotierter Unternehmen zu optimieren, eine standardisierte Entwicklung des Kapitalmarkts zu gewährleisten und ausgezeichnete Unternehmen zur Finanzierung anzuziehen. Zugleich will China in- und ausländischen Anlegern bessere Investitionsmöglichkeiten bieten und die Geschäfte börsennotierter Unternehmen durch öffentliche Aufsicht besser regulieren.
Fonds aus den Bereichen soziale Absicherung, Versicherungen und Vermögensverwaltung soll der Börsengang erleichtert werden. Ein Schritt, der günstigere Bedingungen für den Börsenstart mittel- und langfristiger Fonds schafft und eine langfristige und stabile Entwicklung des Aktienmarktes fördert. Überdies dürfte er den Enthusiasmus in- und ausländischer Anleger befeuern. Auch den Interessen von Kleinanlegern werde man in Zukunft noch besser Rechnung tragen, kündigte die NDRC an.
Unterm Strich heißt all dies: Das jüngste Konjunkturpaket dürfte eindeutig neue Marktnachfrage schaffen und neue Dynamik freisetzen. Allerdings wird es bei weitem nicht ausreichen, sich nur auf die Ausarbeitung politischer Fördermaßnahmen zu verlassen. Die Vitalität der chinesischen Wirtschaft selbst bleibt nach wie vor der wichtigste Kraftquell für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung im Land. Sobald aber der Markt auf die staatlichen Konjunkturmaßnahmen reagiert, ist eine neue Aufwärtsentwicklung in Sicht. Und das wiederum dürfte neuen konstruktiven Wettbewerb schaffen und zu neuen Innovationen anspornen.
*Der Autor ist Wissenschaftler am Forschungsinstitut für internationalen Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit des chinesischen Handelsministeriums.
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