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Liu Xuehui: „Übersetzen ist in unserer Zeit wichtiger denn je!“ |
Von Wang Ran · 2024-04-02 · Quelle:german.china.org.cn |
Stichwörter: Übersetzung | Druck |
Liu Xuehui ist eine hervorragende Übersetzerin für das Sprachpaar Chinesisch-Deutsch mit jahrzehntelanger Erfahrung. In einem Interview erklärte sie kürzlich, warum der Beruf des Übersetzers in unserer heutigen Zeit trotz der vielen digitalen Hilfsmittel sogar tendenziell wichtiger ist als je zuvor.
Liu Xuehui hält einen Vortrag bei einem Symposium. (Mit freundlicher Genehmigung von Liu Xuehui)
„Die Übersetzungsarbeit ist heutzutage besonders wichtig, da sie die Kommunikation zwischen den Menschen fördert“, betonte Liu Xuehui, Professorin an der Beijing International Studies University, jüngst in einem Interview mit China.org.cn: „Die Übersetzer von heute schultern die wichtige Aufgabe unserer Zeit!“ Die 53-jährige ist eine der Preistragenden, die auf der Jahreskonferenz 2024 des Chinesischen Übersetzerverbands, die am vergangenen Wochenende in Changsha in der Provinz Hunan stattfindet, als „herausragende junge bzw. mittelalte Übersetzer“ ausgezeichnet werden.
„Übersetzen ist ein komplexer rekreativer Prozess“
Die Forschungsschwerpunkte der Germanistin sind die deutsche Frühromantik, Übersetzungstheorie und -didaktik. Zu ihren Übersetzungsarbeiten gehören unter anderem „Fliehkräfte“, „Der Chinese des Schmerzes“ und „Die Stunde, da wir nichts voneinander wussten“.
Mit 30 Jahren praktischer Erfahrung hat die Professorin mittlerweile ihr eigenes Übersetzungskonzept entwickelt. Für sie bedeutet „Übersetzung keine einfache Übertragung von Zeichen in ein anderes Sprachsystem, sondern ein sehr komplexer Prozess der Reproduktion. Sie dient als ein Kommunikationsinstrument und der Übersetzer als Vermittler sollte nicht nur berücksichtigen, was der Autor ausdrücken will, sondern auch, ob das Publikum es verstehen kann.“
Über ihre eigene Herangehensweise berichtete Liu: „Bevor ich mit dem Übersetzen anfange, muss ich erst einmal das stilistische Paradigma und die Ausdruckskonventionen von Paralleltexten in der Zielsprache studieren. Aus diesem Grund muss ich viel Zeit in die Vorbereitung investieren.“ Anekdotisch erinnerte sie sich an ihre Erfahrung bei der Übersetzung eines kurzen akademischen Textes. Obwohl er nur wenige Seiten lang war und sie jedes Wort kannte, musste sie sich in die einschlägigen Lektüren einlesen, da es sich um ein unbekanntes Fachgebiet handelte. Erst als sie den Text vollständig verstanden hatte, nahm sie die Übersetzung in Angriff.
Im Gespräch ging Liu unter anderem die Problematik der Rückübersetzung ein, zumal man im Ausgangstext auf umgangssprachliche Wendungen oder Sprichwörter in der Zielsprache stößt: „Der Übersetzer muss unbedingt genau die Ausdrücke in der Zielsprache finden und darf nicht einfach beliebig aus der Ausgangssprache übersetzen!“, betonte sie.
Die Professorin ist auch eine der chinesischen Übersetzerinnen von Peter Handke. Bei ihrer Arbeit stellte sie fest, dass sich hinter der komplexen syntaktischen Struktur des Nobelpreisträgers überlagernde und ineinandergreifende Bilder verbergen, die wie eine Montagetechnik wirken. „Wenn ich die Logik zwischen den Wörtern herausfinde, ist es, als käme ich aus einem Labyrinth heraus, und dann drücke ich es nach den Konventionen der chinesischen Sprache aus, was mir eine Art Übersetzungsvergnügen bereitet!“
„Die Aussichten für Übersetzer werden immer besser“
Ende Januar dieses Jahres fiel der offizielle Startschuss für das Ausbildungsprogramm „Doctoral Degree in Translation“, kurz DTI. „Die Einrichtung des Fachdoktorats für Übersetzung entspricht den Erfordernissen unserer Zeit“, sagte Liu. Mit dem zunehmenden internationalen Austausch bestehe in China ein dringender Bedarf an immer mehr professionellen Übersetzungstalenten. Gleichzeitig stelle die technologische Entwicklung auch höhere Anforderungen an die Übersetzer. „Sie müssen hervorragende Lernfähigkeiten haben und professionelle Urteile fällen können“.
Liu Xuehui (1.v.r.) betreut Studentinnen des Master-Studiengangs „Translation and Interpreting“. (Mit freundlicher Genehmigung von Liu Xuehui)
Sie erläuterte weiter, dass sich die Lernfähigkeit auf die Fähigkeit bezieht, schnell in eine Übersetzungssituation in einem bestimmten Fachgebiet einzusteigen und die Übersetzung mit Hilfe verschiedener technologischer Hilfsmittel effizient und qualitativ hochwertig anzufertigen. Dieser Prozess umfasse unter anderem eine effektive Recherche, den Erwerb von Fachwissen, die Verwendung von Übersetzungstools, den kompetenten Umgang mit unerwarteten Problemen und das Management des Übersetzungsprojekts. Was die professionelle Urteilsfähigkeit betrifft, so bedeutet dies Liu zufolge, dass der Übersetzer im Kontext der Mensch-Maschine-Interaktion das Ergebnis der maschinellen Übersetzung nicht nur als „richtig oder falsch“, sondern darüber hinaus auch als „adäquat oder inadäquat“ beurteilen muss.
Liu weist des Weiteren die Meinungen zurück, dass Maschinen im Bereich Übersetzung den Menschen ersetzen würden. „Die maschinelle Übersetzung basiert auf einem Korpus und stützt sich auf leistungsstarke Algorithmen, was bei der Übersetzung von Zahlen, Terminologien usw. einen großen Vorteil bedeutet. Aber wenn es um das Verstehen von Kontexten geht, insbesondere bei kulturellen und literarischen Übersetzungen, funktioniert die künstliche Intelligenz nicht mehr so gut“.
Ihrer Meinung nach gibt es einen Unterschied zwischen Übersetzungen im Alltagsleben und Übersetzungen im Berufsleben: „Es stimmt zwar, dass die Technologie die meisten Übersetzungsaufgaben im Alltag übernehmen kann, aber das bedeutet nicht, dass die Übersetzungen im Berufsleben ersetzt werden.“ Sie ist der festen Überzeugung, dass „die Aussichten des Übersetzerberufs sogar noch besser werden!“
„Das Schlüsselwort des Konzepts ‚Chinas Geschichte gut erzählen‘ ist ‚gut‘“
In den letzten Jahren hat China einen Boom bei der Übersetzung aus dem Chinesischen in andere Sprachen erlebt. Derzeit leitet Liu das Übersetzungsprojekt des chinesischen sozialwissenschaftlichen Werks „Social Governance in China“ (deutsche Ausgabe). Als Projektleiterin ist sie sich ihrer großen Verantwortung bewusst: „Wir müssen nicht nur die Informationen korrekt wiedergeben, sondern auch die Erwartungen des Publikums ansprechen, damit die Übersetzung schließlich zur Völkerverständigung beitragen kann“.
Für Liu liegt der Schlüssel beim „guten Erzählen von Chinas Geschichten“ in dem Wort „gut“, was sie wie folgt erklärt: „Es gibt viele chinesische Geschichten und wir haben solche Geschichten schon immer erzählt, aber wie man sie gut, interessant und leicht verständlich erzählt, ist eine große Frage. Die wichtigste Aufgabe für Übersetzer in unserer Zeit ist es, durch die Übersetzung mit dem Publikum auf Augenhöhe zu kommunizieren, um Resonanz und letztlich Empathie zu erzeugen.“
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