Lan Tianye (Foto: Xinhua) 

Stellen Sie sich vor, Sie treten auf der Bühne vor Tausenden von Zuschauern auf. Sie müssen sich aufwendig schminken und kostümieren, sich lange Texte merken und verstehen und viele Male proben, damit alles perfekt ist. Und jetzt stellen Sie sich vor, das alles mit 94 Jahren zu tun. 

Nicht viele können das, aber Lan Tianye, 94, kann es. 

Lan begann seine Karriere als Schauspieler im Jahr 1945. Mehr als sieben Jahrzehnte lang hat er unzählige eindrucksvolle Vorstellungen in einer Vielzahl von Darstellungskünsten, darunter Bühnenstücke und Fernsehserien, gegeben. 

Am 29. Juni gehörte er zu den 29 Personen, die mit der Medaille des 1. Juli ausgezeichnet wurden, der höchsten Auszeichnung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Er war die einzige Person vom Theater, die diesen Titel erhielt. 

„Ich bin mit 18 Jahren in die Partei eingetreten, und ich werde mich immer an meinen Schwur erinnern: Was immer die Partei von mir verlangt, ich werde es tun“, sagte er. 

Mitglied der KPCh werden 

Das Theater ist Lans lebenslange Leidenschaft, doch seine erste Liebe gilt der Malerei. 

Im Jahr 1945 studierte der 18-jährige Lan Malerei an einer staatlichen Kunstschule in Beijing. Seine Schwester, ein geheimes KPCh-Mitglied, kam nach Beijing, und Lans Haus wurde zu einer geheimen Kontaktstelle für Parteimitglieder in der Stadt. 

„Sie brachte viele Broschüren mit, in denen revolutionäre Ideen vorgestellt wurden, was einen tiefen Eindruck bei mir hinterließ“, erinnert sich Lan. „Ich entsinne mich noch an einen Artikel über das Schicksal Chinas, in dem es hieß, dass wir einen Weg zum Licht anstreben und uns dem Weg zur Dunkelheit widersetzen sollten.“ 

Lan begann, seiner Schwester zu helfen, nützliche Informationen, die im kommunistischen Radio gesendet wurden, aufzuschreiben. Auch pendelte er mit dem Fahrrad zwischen den befreiten Gebieten und dem besetzten Beijing und überbrachte Dokumente und Lebensmittel. 

„Ich bin in einem vom Feind besetzten Gebiet aufgewachsen und weiß, welch tragisches Leben die Menschen unter der Herrschaft der japanischen Invasoren führten“, erinnert sich Lan. „Ich sah an kalten Wintermorgen Menschen auf den Straßen verhungern.“ 

Lan glaubte, dass nur die KPCh China Hoffnung bringen konnte, und beantragte seine Mitgliedschaft in der Partei. Am 23. September 1945 wurde sein Antrag angenommen. 

Der Schauspieler Lan Tianye (Mitte) nimmt am 11. Oktober 2020 in Beijing an den Proben des Dramas „Familie“ teil. (Foto: Xinhua) 

Aufbruch ins Theater 

Kurz nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 wurde das Beijinger Volkskunsttheater gegründet, als Antwort auf Mao Zedongs Aufruf „Lasst hundert Blumen blühen“, eine Politik, die die Entwicklung der Kunst fördern sollte. Lan gehörte zur ersten Gruppe von Schauspielern, die dort aufgenommen wurden. 

Lan begann nicht sofort, auf der Bühne aufzutreten. Stattdessen begann er, verschiedene Arbeiten zu verrichten, um genügend Erfahrung für seine zukünftige Schauspielkarriere zu sammeln. 

In Beijing stellte er in einer Fabrik Zement her, arbeitete in den Vororten auf einem Bauernhof, fütterte mit den Dorfbewohnern Haustiere, besuchte fast alle Teehäuser und führte sogar ein Interview mit dem letzten Eunuchen, einem kastrierten Beamten im kaiserlichen China. 

All diese harte Arbeit bildete eine solide Grundlage für seinen Auftritt in dem Theaterstück „Das Teehaus“ von Lao She, in dem er die Rolle des Qin Zhongyi spielte. Das Stück wurde im März 1958 unter großem Beifall der Öffentlichkeit uraufgeführt. 

Seitdem hat Lan in verschiedenen Theaterstücken mitgewirkt, die ihn zu einem großen Namen in Theaterkreisen machten. 

In den 1980er Jahren zog er sich zurück und begann, in einigen Fernsehserien mitzuwirken, bevor er sich in den 1990er Jahren der Malerei zuwandte. 

Im Jahr 2011, im Alter von 84 Jahren, kehrte Lan auf die Bühne zurück, indem er in einem Stück zum 90-jährigen Gründungsjubiläum der KPCh auftrat. Das Stück wurde vom Beijinger Volkskunsttheater produziert. Bei den Proben war er immer der Erste, der kam, und der Letzte, der ging. 

„Das ist meine Aufgabe“, sagte er. „Solange die Partei und das Publikum mich brauchen, werde ich da sein.“ 

Leidenschaft für die darstellende Kunst 

Auch nach seiner Pensionierung hat Lan eine Leidenschaft für Theaterstücke und die Förderung junger Talente.

Als Schauspieler müsst ihr euch von aller Verstellung befreien und einfach echt sein“, rät Lan den jungen Schauspielern. „Das künstlerische Schaffen sollte sich an den Menschen orientieren und ihnen dienen, und junge Menschen sollten mehr Lebenserfahrung sammeln, um ihre Figuren realer zu machen.“

Im Jahr 2015 inszenierte er ein Stück des Schweizer Dramatikers Friedrich Dürrenmatt. Er erklärte jedem Schauspieler jede einzelne Zeile und jede einzelne Bewegung. Einmal warf er sogar seinen Gehstock weg und ließ sich auf den Boden fallen, um den jungen Schauspielern zu zeigen, wie sie sich auf der Bühne verhalten sollten. 

Lan sagt, er werde immer eine Leidenschaft für die darstellenden Künste haben. 

„Mein größter Wunsch ist es, ein Theaterstück als Geschenk an die Partei zu inszenieren, da die KPCh in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen feiert“, so Lan.