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Guzheng und Pipa unter dem Eiffelturm: Wie zwei chinesische Musikerinnen Frankreichs Straßenkunstszene durchwirbeln |
Von Wang Ruying · 2024-05-17 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Musik;Frankreich;China | Druck |
Musik ist eine universelle Sprache. Das zeigt sich aktuell auf den Straßen Frankreichs. Dort haben wir zwei Chinesinnen der Generation Z getroffen: Peng Jingxuan und Zhao Yang. Die beiden Nachwuchskünstlerinnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Menschen in Frankreich und weltweit chinesische Musik schmackhaft zu machen. Eine Reise, auf der sie auch selbst viele spannende kulturelle Erkenntnisse sammeln. Gelingt es ihnen, die freundschaftlichen Bande zwischen China und Frankreich durch den Charme der Musik zu festigen? Eine Spurensuche.
Chinoiserie auf Frankreichs Straßen
Unter dem legendären Eiffelturm, weltweites Sinnbild für Paris, halten Passanten inne, um dem Klang der Guzheng zu lauschen, ein mehrsaitiges, zitherähnliches Instrument aus China. Gezupft werden die Saiten von der jungen Chinesin Peng Jingxuan, die mit ihrem Spiel hier pure Lebensfreude in die Gassen bringt. Peng kommt aus der südchinesischen Provinz Hunan und absolviert gerade ihren Master in Musikwissenschaft an der Universität Bordeaux Montaigne. Mit dabei bei ihren Straßen-Performances sind stets ein kleines Schild, auf dem sie den Menschen die traditionelle Guzheng vorstellt, und ein knuffiger Plüschpanda, als Hinweis auf das Herkunftsland des Instruments.
In der Fußgängerzone von Straßburg, bekannt als Frankreichs Märchenstadt, trifft man derweil die chinesische Studentin Zhao Yang. Immer dabei hat sie ihre chinesische Pipa, eine Laute mit vier Saiten. Auch das Hanfu-Gewand, der traditionelle Zwirn der Han-Chinesen, darf bei ihren Auftritten nicht fehlen. Abgerundet wird das Outfit von einer stylischen Sonnenbrille, was die junge Straßenkünstlerin aus dem Reich der Mitte fast wie ein Rockstar aussehen lässt.
Die beiden jungen Frauen sind nicht irgendwer, sondern berühmte Influencerinnen. Auf der chinesischen Video-Sharing-Plattform Bilibili werden ihre Clips millionenfach geklickt. Dort posten sie regelmäßig Mitschnitte von ihren Straßenauftritten in Frankreich. Und das kommt an, nicht nur bei chinesischen Internetnutzern. Die Liebe zur Musik kennt offensichtlich keine Grenzen. Denn auch auf YouTube haben sich die beiden Nachwuchsmusikerinnen aus dem Reich der Mitte mittlerweile einen Namen gemacht. Im Kommentarbereich ihrer Kanäle tummeln sich Komplimente von Zuschauern aus aller Welt in verschiedenen Sprachen.
Und wie kam die Idee, fern der Heimat neben dem Studium Straßenmusik zu machen? „Nun, Frankreich ist weltbekannt für seine Straßenkultur“, erklärt uns Peng. „Und als ich zum Studium herkam, fiel mir eben auf, dass man hier quasi keinerlei Street-Performances mit chinesischen Instrumenten sah. Das brachte mich zum Nachdenken. Ich wollte den Menschen hier in Europa einfach die Schönheit unserer Klänge näherbringen.“
Die Rechnung ging auf: Seit dem Beginn ihrer Straßenperformances 2018 sei das Interesse der Menschen vor Ort an der chinesischen Kultur merklich gestiegen, berichtet die 29-Jährige. Sie erinnert sich noch gut daran, wie bei einem ihrer Auftritte ein französisches Kind auf ihre Guzheng zeigte und gegenüber seinen Freunden fachsimpelte: „Schaut! Das ist eine Guzheng, kommt übrigens aus China!“ Die Nachwuchsmusikerin freut sich auch darüber, dass ihr die Kleinen den Kosenamen „Fee aus China“ verpasst haben. Nach der Aufführung kommen immer wieder Jung und Alt zu ihr, um sich persönlich für die Performance zu bedanken. „Das ist jedes Mal sehr rührend“, sagt die Guzheng-Virtuosin. „Die meisten meiner Zuhörer waren zwar noch nie selbst in China. Aber sie bestätigen mir, dass meine Musik für sie ein Fenster in unser Land öffne und ihnen eine Vorstellung von der Schönheit unserer Kultur gebe.“
Ost trifft West: Unter dem Eiffelturm spielt Nachwuchsmusikerin Peng Jingxuan im traditionellen Gewand auf ihrer Guzheng. (Foto zur Verfügung gestellt von Peng Jingxuan)
In Straßburg, einer Stadt voller Romantik, wird derweil Zhao Yangs Hanfu immer wieder zum Blickfang und lässt die Leute innehalten, schon bevor die junge Frau mit ihrer eigentlichen Show loslegt. „Die Kombination aus Pipa und Hanfu ist ein echter Hingucker“, gesteht die junge Studentin und lacht. „Ich bin hier zu einem beliebten Fotomotiv geworden. Chinesische Kultur findet damit Einzug in die privaten Fotosammlungen von immer mehr ausländischen Freunden.“
Um die chinesische Kultur besser zu verbreiten, häuft die junge Hanfu-Liebhaberin zudem möglichst viel Wissen rund um das traditionelle Gewand sowie auch über die Frisuren verschiedener Dynastien an. Sie möchte den Menschen in aller Welt die Vielfalt der chinesischen Trachtenkultur eben möglichst professionell und authentisch präsentieren, sagt sie. Dabei gibt sich die junge Chinesin nicht mit der Übernahme des Bestehenden zufrieden, sondern versucht auch stets, dem antiken Zwirn neue Elemente hinzufügen. Während sie das Stück „La gloire à mes genoux“, ein Lied aus der berühmten französischen Rockoper „Le rouge et noir“, auf ihrer Pipa zum Besten gibt, trägt sie dabei zum Beispiel lässig eine Sonnenbrille. So brennt sie sich den Zuhörern nicht nur mit ihren virtuosen Klängen ins Gedächtnis, sondern auch mit ihrem feschen Outfit.
„Viele erleben Chinas Kultur als etwas Ruhiges und sehr Geheimnisvolles“, sagt Zhao. Aber das sei letztlich nur eine Seite der Medaille. „In Wirklichkeit strotzt unsere Kultur vor Dynamik, steckt voller Möglichkeiten“, sagt sie.
Mit Hanfu und Sonnenbrille: Zhaos Aufführungen treffen bei den Passanten in Straßburg einen Nerv. (Foto zur Verfügung gestellt von Zhao Yang)
Wachsende Fan-Base
Mit ihren Straßenauftritten haben sich die zwei jungen Chinesinnen mittlerweile einen Namen gemacht und viele neue Freunde gewonnen. Mithilfe der traditionellen Musik schlagen sie eine Brücke der Freundschaft zwischen China und Frankreich.
Die Musik bringt die beiden in direkten Austausch mit den Menschen. Einmal sei ein blinder, älterer Herr auf sie zugekommen, erzählt uns Zhao. Mit ihrer Erlaubnis habe er die Pipa mit seinen Händen abgetastet. „So ähnlich habe ich mir das Instrument vorgestellt“, so das zufriedene Fazit des älteren Herren. Er sei in den 1970er und 1980er Jahren in China gewesen. „Als er mich auf der Straße hat spielen hören, hat er sofort gewusst, dass es sich um chinesische Klänge handelt. Meine Musik hat bei ihm also viele Erinnerungen geweckt, was mich sehr berührt hat“, sagt Zhao.
Manchmal geht die passionierte Nachwuchskünstlerin auch mit ihrer Pipa auf Reisen. Und auch in anderen Teilen Frankreichs hinterlässt die sonnenbebrillte Hanfu-Trägern einen bleibenden Eindruck. In Nizza beispielsweise habe ein Zuhörer nach einem ihrer Auftritte gesagt: „Danke für die wundervolle Musik! Traumhaftes Wetter, traumhafte Musik, traumhafte Kleidung und traumhafte Landschaft - eine magische Mischung, großes Kompliment!“ Worte wie diese bestärken die Performerin in dem, was sie macht. „Solches Feedback zeigt mir die tiefere Bedeutung meines Beitrags als private Kulturbotschafterin“, sagt sie. Bei ihren Auftritten würden sie und das Publikum eins mit dem Moment, genössen einfach das Hier und Jetzt.
Berührungsängste abbauen: Zhao ermutigt ein französisches Mädchen, mit ihrer Pipa auf Tuchfühlung zu gehen und die Schönheit der chinesischen Kultur zu spüren (Foto zur Verfügung gestellt von Zhao Yang)
Auch Peng Jingxuan verbinden unvergessliche Erinnerungen mit der Stadt Nizza. Auch sie trat hier in wunderbare Interaktion mit den Menschen. „Ich traf hier zum Beispiel einmal einen großen Pianisten und improvisierte mit ihm ein Lied auf der Straße. Die Klänge der beiden Instrumente, Klavier und Guzheng, ergänzten sich perfekt, und die Aufführung lief wie am Schnürchen.“ Die erste erfolgreiche Improvisation habe das Selbstvertrauen der Nachwuchskünstlerin gestärkt. Wenig später folgte ein weiterer Gemeinschaftsauftritt mit einem Straßengitarristen in Bordeaux. Auch dieser Dialog zwischen Klassik und Moderne wurde zu einem vollen Erfolg.
Manchmal werde auch das Publikum spontan ein Teil ihrer Aufführungen. Als sie beispielsweise einmal das Stück „Por una Cabeza“, ein Lied aus dem Musical-Film Tango, performt habe, waren zufällig drei Tangotänzerpaare im Publikum und von der Musik derart begeistert, dass sie spontan eine Tanzperformance aufs Bordstein-Parkett legten, was bei Peng echtes Gänsehautfeeling ausgelöst habe. „Wenn ich versuche, den Menschen die Schönheit unserer Musik zu vermitteln, bekomme ich jedes Mal auch viel menschliche Wärme zurück“, sagt sie.
Klassik trifft Moderne: Peng Jingxuan im Duett mit einem französischen Straßengitarristen (Foto zur Verfügung gestellt von Peng Jingxuan)
Traditionelles weiterführen
Mit wachsender Popularität versuchen Peng und Zhao, auch immer wieder frischen Wind in ihre Aufführungen zu bringen und mit neuen Dingen zu experimentieren, um den Zuhörern einen noch größeren visuellen und auditiven Genuss zu bieten.
„Auf der Guzheng lässt sich letztlich alles spielen, nicht nur chinesische Klassiker“, räumt Peng mit manchem Vorurteil auf. Ob schnell oder langsam, laut oder leise, klassisch oder modern, Pop oder Techno - für sie gibt es keine stilistischen Grenzen. „Mein Ziel ist es, den Menschen hier im Ausland den Klangreichtum der Guzheng und ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten zu präsentieren“, beschreibt sie ihre Mission.
Peng sagt: „Mein großer Wunsch ist es, ein besseres Verständnis der Guzheng im Westen zu schaffen. Deshalb spiele ich oft auch Stücke, die den Leuten hier vertraut sind, um einfach den Charme des Instruments besser zu zeigen. Dabei bearbeite ich die Werke bewusst so, dass sie die einzigartigen musikalischen Merkmale der Guzheng voll zum Ausdruck bringen.“ Pengs neuester Coup: Sie plant gerade eine Zusammenarbeit mit einem bekannten französischen Elektro-Musiker. Guzheng plus Elektro - das verspricht eine funkensprühende musikalische Melange und ein weiteres Experimentierfeld für das Potenzial der chinesischen Kultur.
Musikalisches Experiment: Mit einem französischen Elektro-Musiker will Peng frischen Wind in ihr Guzheng-Spiel bringen. (Foto zur Verfügung gestellt von Peng Jingxuan)
Musik verbindet: Hier treffen Pipa- und Geigenklänge aufeinander. (Foto zur Verfügung gestellt von Zhao Yang)
Auch Zhao wagt musikalische Experimente, lotet immer wieder neue Möglichkeiten aus. Mit einem Gespür für Trends performte Zhao schon früh den chinesischen Song „Ab auf den Berg“ auf Frankreichs Straßen, der seit dem chinesischen Frühlingsfest breite Bekanntheit gewann und im Netz viral ging. „Wenn ich ein Lied auswähle, überlege ich stets zuerst, ob es für die Pipa geeignet ist. Dabei probiere ich auch immer wieder neue Spieltechniken aus, die ich mir etwa von Bass oder Gitarre abschaue, um das Pipa-Spiel noch ausdrucksstärker zu machen“, so der kreative Kopf.
Aktuell beschäftigt sich die chinesische Studentin damit, die Melodien der berühmten chinesischen Rockband „Second Hand Roses“ zu adaptieren. So will sie moderne chinesische Rockmusik mit dem klassischen Instrument verbinden. „Unsere traditionelle Kultur steckt für mich voller Vitalität, ebenso wie wir junge Leute. Ich finde, es ist an der Zeit, dass unsere traditionelle Kultur sich neue Bühnen erobert“, sagt sie mit Blick auf die Zukunft.
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