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Von den „eingefrorenen drei Spitzen“ zum „China Red“ |
Von Jin Zhixiao · 2019-04-22 · Quelle:Beijing Rundschau |
Stichwörter: Bus;Verkehr;Beijing | Druck |
Chang Hongxia (links), Busfahrerin des Busses Nr. 1 der Beijing Public Transportation Group mit Busbegleiterin Guo Yanting (rechts). (Foto: Beijing Rundschau/Liang Xiao)
„Liebe Gäste! Gerade sind wir an dem Tian’anmen-Platz vorbeigefahren. Der Tian’anmen-Platz ist der größte Stadtplatz der Welt… jeden Tag gibt es hier Zeremonien zum Hissen und Einholen der Nationalflagge. Heute um 17:58 wird die Flagge eingeholt und morgen um 6:01 wieder gehisst. Bei diesen Zeremonien ist jeder Zuschauer willkommen.“
Wer die freundliche und professionelle Vorstellung zum ersten Mal hört, könnte davon ausgehen, dass der Bus zu einer Touristenlinie irgendeines Reisebüros gehört. Fakt ist aber, dass Guo Yanting, Busbegleiterin an Bord des Busses Nr. 1 der Beijing Public Transportation Group, den Fahrgästen alle Stationen detailliert wie eine Reisebegleiterin ankündigt. Der Bus fährt auf dieser Linie entlang der berühmten Chang’an-Straße 26 Kilometer und ist tagtäglich rund um die Uhr in Betrieb. Seit der Aufnahme des Betriebs im Jahr 1950 entwickelt sie sich zu einer der wichtigsten Buslinien Beijings.
Der moderne öffentliche Verkehr in Beijing begann in den 1920er Jahren mit Straßenbahnen. 1935 wurde die erste Buslinie der Stadt eröffnet. Nach der Gründung der Volksrepublik China nahm die Anzahl der Busse und Straßenbahnen sowie der öffentlichen Verkehrslinien insgesamt zu, wodurch es zu einer deutlichen Verbesserung des öffentlichen Verkehrs in Beijing kam. Im Jahr 1952 rollte die Straßenbahn vom Typ 52 vom Fließband und im Jahr 1956 der erste von China selbst entwickelte Omnibus der Öffentlichkeit vorgestellt, was dazu führte, dass die Straßenbahn 1966 aus der Geschichte des öffentlichen Verkehrs abtrat und damit die Ära des Busses eingeläutet wurde. Was Busse angeht, wurde 1957 der Bus vom Typ 57 (BK640) mit dem Chassis-Design der inländischen Marke Jiefang hergestellt, wodurch die Abhängigkeit von importierten Bussen beendet und die vollständige Lokalisierung der Busproduktion in Beijing im Jahr 1987 realisiert wurde.
Chang Hongxia, heute selbst Busfahrerin des Nr. 1, wuchs selbst in dieser historischen Phase, in der sich der öffentliche Verkehr in Beijing rasant entwickelte, auf. Sie kann sich noch genau daran erinnern, wie beeindruckt sie war, als sie als Kind den „majestätischen Bus“ vom Rücksitz des Fahrrads ihres Vaters aus bewundern konnte. Von da an hegte sie im Herzen den Traum, Busfahrerin zu werden.
Doch als sie im Jahr 1995 die Arbeit in der öffentlichen Verkehrsfirma begann, stieß sie auf ein Hemmnis. „Im ersten Arbeitsjahr sagte mein Ausbilder mir, dass ich als junge Dame nicht wegen der Schönheit auf Wärme verzichten solle, sondern im Winter wegen der Kälte mehrere Schichten Kleidung tragen sollte, sonst würden die Nasespitzen, Fingerspitzen und Fußspitzen einfrieren – ein grausiges Phänomen, das unter den Busfahrern auch als ‚eingefrorene drei Spitzen‘—bekannt und gefürchtet war.“ Damals waren die Busse nicht mit Klimaanlagen ausgestattet, so dass es im Winter drinnen genauso kalt war wie draußen. Um sich aufzuwärmen, griffen die Busfahrer zu einem Trick, der von Generation zu Generation weitergegeben wurde. „Man sollte zuerst seine Socken mit einer Plastiktüte umhüllen und darüber noch ein Paar dicke Socken tragen. Deswegen brauchte man die Schuhe immer ein paar Nummern größer. Doch selbst mit solchen Gegenmaßnahmen konnten Erfrierungen oft nicht vermieden werden. Es war so kalt, dass ich fast weinte. Was für ein bitteres Leben zu dieser Zeit!“ Die Erinnerung an die harte Zeit zu Beginn ihrer Arbeit in den 90er ist für Chang Hongxia sehr emotional.
Im Jahr 1997 wurde die erste Buslinie (808) mit klimatisierten Fahrzeugen in Beijing in Betrieb genommen. Heutzutage sind die allermeisten Busse der Stadt mit Klimaanlagen ausgestattet, Busfahrer und Busbegleiter haben einheitliche Arbeitsuniformen. Die „eingefrorenen drei Spitzen“ sind seither Geschichte.
Neben den „eingefrorenen drei Spitzen“ gab es noch eine Sache, die die damals noch junge Chang Hongxia sehr beeindruckte. „Wenn der Fahrer morgens im Winter aufstand, musste er die Zylinder erhitzen, indem er heißes Wasser in das Lufteinlassgitter des Busses gießt. Ein hoher Eisenkübel musste mit insgesamt vier Eimern Wasser gefüllt werden und man musste sie über die Schulter heben. Damals dachte ich: ‚Wenn ich eines Tages Busfahrerin werde, muss ich das auch tun, aber wie soll ich das schaffen?‘“, erzählt Chang Hongxia mit einem leicht schüchternen Lächeln.
Bei diesem Fahrzeugtyp, der einen warmen Zylinder benötigt, handelt es sich um einen BK670-Dieselbus, der 1976 entwickelt wurde und in den 1980er bis Mitte der 1990er Jahre das wichtigste Fahrzeug des öffentlichen Nahverkehrs in Beijing darstellte. „Diejenigen, die diese Ära durchlebt haben, wissen, dass man einen Dieselbus vom Typ BK670 schon von weitem sehen und hören konnte, da dieser Fahrzeugtyp der ersten Generation extrem laut war und häufig tiefschwarzen Rauch ausstieß. Die Lenkung erforderte viel Kraft, und als Fahrerin musste man beim Abbiegen schonmal den ganzen Körper einsetzen, während ich heute den Bus auch mit einer Hand lenken kann.“
„Doch ich hatte Schwein. Im Jahr 1999, kurz vor dem 50. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China, wurden die ersten 300 Erdgasbusse des Typs BK6111 CNG in Betrieb genommen. Nachdem ich 2001 von einer Stelle als Busbegleiterin zu einer Stelle als Fahrerin gewechselt hatte, war das Aufwärmen der Zylinder nicht mehr nötig“, erzählt Chang Hongxia.
Im Jahr 2001 gab der Beijinger Buskonzern die Entwicklungsstrategie „Fahrzeuge mit hoher Kapazität, Pünktlichkeit und hoher Geschwindigkeit sowie sauberem und umweltfreundlichem Charakter“ für die Fahrzeugentwicklung vor, die eine neue Ära der Modernisierung in diesem Bereich eröffnet hat. Die Zeit vom Ende der 1990er Jahre bis zum Anfang des neuen Jahrhunderts war also die Zeit, in der Beijings Busmodelle am häufigsten modernisiert wurden. Inzwischen hatte man Doppeldeckerbusse und Busse mit Klimaanlagen auf dem Markt gebracht, danach folgte der 18 Meter lange Bus vom Typ „Jinghua-Kreuzer“ mit einer Belastungskapazität von 200 Passagieren. Im Jahr 2005 wurden reine Elektrobusse getestet und 2007 waren erstmals Hybrid-Elektrofahrzeuge in einer kleinen Stückzahl im Test. Ende 2008 besaß die Beijing Public Transport Group 4.158 Erdgasbusse und damit die weltweit größte Erdgasbusflotte. Das waren technologische Änderungen, die die alten Busangestellten, welche die Zeit der „eingefrorenen drei Spitzen“ noch erlebt hatten, in Staunen versetzten.
Seit 2017 hat die Buslinie Nr. 1 einen neuen Namen – „China Red“. Hauptsächlich mit rotem Lack dekoriert erhielt der 18 Meter lange, reine Elektrobus ein bionisches Delfinform-Design, was zur effektiven Reduzierung des Windwiderstandes dient. Das Fahrzeug ist leichtgewichtig konstruiert und das Steuersystem hochintegriert, wodurch effektiv Energie gespart und der Verbrauch reduziert werden kann. Darüber hinaus verfügt „China Red“ über eine Niederflur-Konstruktion mit großem Innenraum und breitem Durchgang. Die Fahrzeuge sind mit einem automatischen PM2.5-Filterreinigungssystem und einem 360-Grad-Frühwarnsystem ausgestattet. Der „China Red“ ist somit ein fahrender Triumph in Sachen Umweltschutz, Wissenschaft und Technologie auf der Chang’an-Straße.
Der reine Elektrobus „China Red“. (Archivfoto)
Von der Straßenbahn bis zum Neue-Energien-Fahrzeug hat der öffentliche Personen-Nahverkehr Beijings qualitativ einen großen Sprung gemacht. Die Leistung der Busse hat sich verbessert, die Arbeitsintensität der Busangestellten wurde reduziert und der Komfort der Passagiere verbessert. Was jedoch unverändert bleibt, ist der von Generation zu Generation weitergegebene Geist des Team-Services.
"Bei einem Team geht es normalerweise um Dutzende oder Hunderte Mitglieder, aber bei uns besteht ein Team aus zwei Leuten", sagte Chang Hongxia. Während der Fahrt ist der Busbegleiter das zweite Paar Augen des Fahrers, während der Fahrer dem Busbegleiter bei Verkauf und Kontrolle der Tickets helfen kann, indem er die Fußgänger vor und hinter dem Fahrzeug beobachtet. „In der Anfangszeit waren Monatskarten aus Papier üblich. Früher hatten wir Tickets im Bus von vorne bis hinten verkauft. Seit 2006 ist die Bezahlung per IC-Karte möglich. Heute können Passagiere Busticket bezahlen durch Bargeld, IC-Karte, per Handy oder durch Scannen von QR-Code. Ich mag diesen Job und die Zusammenarbeit mit meiner Fahrerin sehr“, sagt Guo Yanting, die seit 16 Jahren als Busbegleiterin arbeitet. „Nach so vielen Jahren Teamarbeit herrscht großes Vertrauen zwischen uns.“
Diese gegenseitige Vertrautheit ermöglicht es unzähligen Zwei-Personen-Teams, die große Verantwortung des öffentlichen Personennahverkehrs zu übernehmen, und es ist dieser Teamgeist, der die Modernisierung der städtischen Funktionen von Beijing, die Verbesserung des Straßentransportsystems und die Veränderungen der Lebens- und Arbeitsweise des Volkes trägt. Als Busfahrerin mit mehr als 20 Jahren Arbeitserfahrung liebt Chang Hongxia den öffentlichen Nahverkehr von Herzen. „Ich hoffe, dass durch unsere Anstrengungen mehr Menschen die Chance haben, bessere öffentliche Verkehrsmittel zu wählen und genießen zu können. Ich hoffe auch, dass die fortschrittlichen, umweltfreundlichen Busmodelle auch zum blauen Himmel und zur besseren Verkehrssituation in Beijing beitragen können."
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