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Weg mit dem Einwegmüll: Hainan sieht Fortschritte beim Meeresschutz |
Von Chen Shumin* · 2024-10-25 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Einwegmüll;Hainan | Druck |
Als die dreieinhalbmonatige Zeit des Sommer-Fischfangverbots im Südchinesischen Meer am 16. August zu Ende ging, fuhren wieder über 13.000 Fischerboote in Hainan aufs Meer hinaus. Ke Jingwei ist einer der Bootsführer. Seit zwei Jahrzehnten fischt er in der Nähe des Sanlian-Hafens vor Haikou, der Hauptstadt der südchinesischen Inselprovinz. Am frühen Morgen des 17. August kehrte sein Boot mit dem Fang des ersten Tages in den Hafen zurück, wo bereits viele Foodies warteten, um sich mit frischen Meeresfrüchten einzudecken.
Neben frischem Meeresgut hatte Kes Boot aber auch einen weniger erfreulichen Fang dabei – mehrere Netzbeutel mit Plastikmüll. Denn Ke engagiert sich als Ehrenamtlicher beim Projekt „Plastikfreier Ozean“, das 2021 in Hainan startete und zum von der EU geförderten Projekt „Rethinking Plastics – Circular Economy Solutions to Marine Litter“ gehört.
Unerfreulicher Fang: Ke Jingwei (l.) übergibt einem Reinigungsarbeiter im Haikouer Hafen den Plastikmüll, den er aus dem Meer gefischt hat. Der Plastikmüll wird dann sortiert. (Foto: Shi Zhonghua / Haikou Daily)
Regionale Initiative mit globalem Einfluss
Laut einer aktuellen Gemeinschaftsstudie der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization Australiens (CSIRO) und der University of Toronto in Kanada lagern am Meeresboden drei bis elf Millionen Tonnen Plastikmüll. Diese Kunststoffe können nicht von Natur abgebaut werden und bedrohen somit die Existenz der biologischen Vielfalt in den Weltmeeren.
Zurückzuführen ist das Problem auf den massiven Gebrauch von Plastikgütern und Plastikverpackungen, was das Trinkwasser und die Nahrungskette verseucht. Hinzu kommen außerdem noch andere Abfälle, wie ausrangierte Fischernetze oder alte Boote.
Als Fischer lebt Ke Jingwei vom Meer. In den letzten Jahren hat er die negativen Auswirkungen der Plastikverschmutzung der Weltmeere folglich am eigenen Leib erfahren. Seine Fänge seien in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen, berichtet er. „Die Fische ersticken an Plastiktüten, verheddern sich in Netzen, Farbeimern und Einwegbechern, die achtlos ins Meer geworfen wurden“, schildert der Fischer die Misere.
Das Projekt „Plastikfreier Ozean“ hat sich der Lösung des Problems angenommen und der Verschmutzung der Gewässer vor der Inselprovinz den Kampf angesagt. Das Programm versteht sich dabei als überregionale und globale Initiative. Als Teil des Großprojekts „Rethinking Plastics – Circular Economy Solutions to Marine Litter“ setzten 2019 China und sechs weitere ost- und südostasiatische Länder eigene Programme auf, um Meeresmüll, vor allem Plastik, zu beseitigen. Das dreijährige Projekt wurde von der EU und dem deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Von 2019 bis 2022 stellten die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Expertise France etwa 20 Programmen aus sieben Teilnehmerländern technische Unterstützung bereit.
In Hainan ist das Hainan Research Academy of Environmental Sciences mit der Durchsetzung des Projekts betraut. Trotz großen Engagements und einer ausgeklügelten Strategie dauerte es jedoch fast zwei Jahre, bis ein wirksamer und nachhaltiger Sanierungsmechanismus in Gang gesetzt werden konnte. 2021 startete das Programm schließlich im Hafen Changhua, wo der zweitgrößte Fluss in Hainan ins Meer mündet.
An vorderster Front stehen vor allem Fischer, die ehrenamtlich Plastikmüll aus dem Meer fischen und an Land bringen. Dafür erhalten sie eine kleine Belohnung, die sich nach der Menge des gesammelten Mülls richtet. Entsorgt und recycelt wird der Unrat dann von der örtlichen Umweltschutzbehörde. Mittlerweile hat Hainan fünf seiner Häfen offiziell zur plastikfreien Zone erklärt. Alle folgen dem Vorbild Changhuas und beteiligen sich aktiv am Projekt „Plastikfreier Ozean“.
Neues Modell zur Behandlung von Meeresmüll
Der negative Einfluss der Plastikverschmutzung ist keineswegs begrenzt, die Initiative zur Bekämpfung des Problems ist es daher auch nicht. Schließlich kennen die Weltmeere keine Grenzen. Lü Shuguo, eine Forscherin der Hainan Research Academy of Environmental Sciences, die das Programm „Plastikfreier Ozean“ in Hainan leitet, sagt: „Da die Ozeane miteinander verbunden sind, ist es schwierig, bestimmten Akteuren die alleinige Verantwortung für die Meeresverschmutzung oder den Schutz zuzuweisen.“
Forscherin Lü Shuguo (m.) im März 2022 im Gespräch mit Ehrenamtlichen im Hafen Changhua (Quelle: Internationales Medienzentrum Hainan)
Die chinesische Regierung nimmt das Problem des Meeresmülls ernst. 2021 hat das Ministerium für Ökologie und Umwelt (MEE) das Problem in sein Sonderprogramm zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung aufgenommen. Die zentrale Rolle des Kampfes gegen Meeresmüll wird auch im 14. Fünfjahresplan (2021-2025) für den Schutz der Meeresumwelt unterstrichen.
Ähnliche Anstrengungen zum Einsammeln von Meeresmüll sieht man auch in den Provinzen Zhejiang und Fujian. Mit Unterstützung der lokalen Regierung helfen auch dort Fischer bei der Säuberung der Meeresgewässer. 2022 schaffte es die „Fishing-for-litter“-Initiative von Hainan in die Liste der institutionellen Innovationen des MEE. Nun soll das Projekt landesweit verbreitet werden.
Im April 2022 veranstaltete die Provinz Hainan ein Seminar über das Projekt „Rethinking Plastics“. Sébastien Paquot, Leiter der Abteilung für Klima und Umwelt der EU-Delegation in China, zeigte sich tief beeindruckt von den Erfolgen, die Hainan im Rahmen des Pilotprojekts „Fishing-for-litter“ bereits vorzuweisen hat. Als Inselprovinz sei Hainan der perfekte Ort für derartige Forschungs- und Pilotprojekte in China, sagt er. „Denn hier sind die Menschen am besten in der Lage, Probleme zu erkennen. Sie erleben, wie schwierig es ist, den Ozean sauber zu halten.“
Auch Dr. Liu Xiao, Projektleiter der GIZ, bewertet den von Hainan geschaffenen Mechanismus, der verschiedene Akteure miteinbezieht, als Erfolg. „Es handelt sich hier nicht um etwas Kommerzielles oder reines ehrenamtliches Engagement gefördert von Regierungsseite, sondern um eine echte Win-Win-Kooperation zwischen verschiedenen Akteuren“, lobt Liu.
Im April 2024 veröffentlichte Haikou einen Pilotplan, der als Verwaltungsleitfaden zur Übertragung des Projekts „Plastikfreier Ozean“ auch auf andere Fischereihäfen dienen soll. Statistiken des Amts für Ökologie und Umwelt Hainans zeigen, dass von 2021 bis 2023 die durchschnittliche Müllmenge der Inselprovinz weiter zurückgegangen ist, sowohl in Küstennähe (minus 83,2 Prozent) als auch im Meer (minus 81,7 Prozent) und an den Stränden (minus 22,2 Prozent).
„Unsere Gewässer werden immer sauberer, da Fischer und andere Einheimische sich immer mehr der Notwendigkeit bewusst werden, der Plastikverschmutzung rund um den Hafen Changhua Einhalt zu gebieten“, sagt Cai Jinsan, ein örtlicher Beamter für Fischerei.
Ansporn zu sozialem Engagement
Forscherin Lü Shuguo sieht den Schlüssel zum Erfolg der Kampagne am Changhua-Hafen in der Zusammenführung der Kräfte verschiedener gesellschaftlicher Akteure. Um das gesellschaftliche Engagement auszuweiten, haben Lü und ihr Team fast alle Fischereihäfen Hainans besucht und dort direkt mit den Fischern gesprochen. Darüber hinaus arbeitete Lüs Team mit dem China Blue Sustainability Institute (kurz: China Blue) zusammen, die erste NGO in China, die sich für eine nachhaltige Entwicklung von Fischerei und Aquakultur einsetzt. Gemeinsam entwickelte man einen Aktionsplan für die Sanierung des Meeres basierend auf den Ergebnissen ihrer Feldforschungen.
Doch der Meeresschutz soll sich nicht auf das Einsammeln von Müll und die Reinigung der Strände beschränken. Wichtig ist es auch, ein stärkeres Umweltbewusstsein in der Öffentlichkeit zu schaffen und die Menschen für den Schutz der Ozeane zu sensibilisieren. Seit September 2023 hat Lüs Team daher vier Aktionen zum Thema Meeresschutz an der zentralen Grundschule von Changhua organisiert. Dabei gab das engagierte Team den Schülern allerlei Wissen rund um die Meeresumwelt an die Hand, vermittelte Einblicke in den Fischereiberuf und thematisierte die Notwendigkeit des Meeresschutzes. Man lud auch Fischer, die sich als Ehrenamtliche engagieren, dazu ein, ihre Erfahrungen in Sachen Umweltschutz mit der Jugend zu teilen. „Durch die Interaktion mit den Fischern wollen wir die Schüler von klein auf zum Umweltschutz motivieren“, sagt Lü.
Die Saat des Umweltbewusstseins in die Zukunft tragen: Fischer geben ihre Erfahrung in Sachen Meeresschutz an die nächste Generation weiter. (Quelle: Projekt „Plastikfreier Ozean“)
Um mehr gesellschaftliche Akteure zu gewinnen, setzt sich Dr. Liu von der GIZ für ein Plastikgutschriften-System ein. Ein solches System verspreche, die unterfinanzierten Abfallmanagementsysteme in vielen Ländern der Welt rasch zu entlasten, sagt er. Das Prinzip ist denkbar einfach: Wer eine bestimmte Menge an Plastikmüll einsammelt, erhält dafür Plastikgutschriften. Diese Gutschriften sind übertragbar – ähnlich wie Kohlenstoffgutschriften – und können sowohl von Unternehmen als auch von privaten Verbrauchern erworben werden, um ihren „Plastikfußabdruck“ zu kompensieren.
Hainans Aktionsplan für ein plastikfreies Meer steht in Übereinstimmung mit dem EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft – ein Schlüssel zur Schaffung einer kohlenstoffneutralen und kreislauforientierten Wirtschaft. Gleichzeitig ist Hainans Programm ein wichtiger Schritt bei Chinas Bemühungen zur Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030, des Pariser Klimaabkommens und zur Erreichung seiner nationalen dualen Kohlenstoffziele, nämlich des CO2-Peaks bis spätestens 2030 und der Kohlenstoffneutralität bis 2060.
*Chen Shumin ist Journalist des Internationalen Medienzentrums von Hainan in Haikou.
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