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Wandel in den Köpfen: Zhejiangs Öko-Wende auf dem Land

Von Zhang Juan, Xia Yuanyuan und Ma Li  ·   2023-09-21  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Zhejiang;Umweltschutz
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Guyan Huaxiang, wörtlich „alte Wehranlage und malerische Stadt“, liegt rund 20 Kilometer vom Zentrum der Stadt Lishui entfernt. Das idyllische Gebiet in der Provinz Zhejiang ist bekannt für seine traditionellen Bauten, umrahmt von unberührter Landschaft. Der Fluss Oujiang teilt das Gebiet in zwei Bereiche. Guyan, am Nordufer, umfasst das Dorf Yantou in der Gemeinde Bihu. Hier findet sich inmitten der üppig wuchernden Kampferbäume eine über eintausend Jahre alte historische Kanalschleuse. Huaxiang am Südufer bezeichnet die Gemeinde Dagangtou, ein wunderschönes Städtchen, das in erster Linie für seine Malereien bekannt ist, genauer gesagt für die Barbizon-Schule. 

Guyan Huaxiang ist ein Paradies für Touristen, Hobbymaler und Fotografen. Das liege auch daran, dass man hier den Umweltschutz großschreibe, wie uns Zhang Weiwu, der Parteisekretär des Dorfes Yantou, erklärt. Bereits 2003, damals noch in seiner Rolle als Parteisekretär der Provinz Zhejiang, habe Staatspräsident Xi Jinping das Zhejiang Rural Green Revival Programme zum umweltfreundlichen ländlichen Aufschwung angestoßen. Die Initiative habe maßgeblich zum ökologischen Fortschritt in der Region beigetragen, so Zhang.  

„Rückblickend betrachtet war dieses Programm, das mit einer Aktion für saubere Dörfer begann, ein Wendepunkt für die Entwicklung hier vor Ort“, sagt er. Es schwingt Begeisterung in seiner Stimme. Der Mann, der seit 25 Jahren Dorfvorsteher ist, hat die Veränderungen, die das Projekt mit sich brachte, hautnah miterlebt. 

In den letzten 20 Jahren hat sich der Umfang des Programms von 10.000 Demonstrationsdörfern auf alle Verwaltungsdörfer in Zhejiang ausgeweitet. 2018 wurde das Projekt mit dem „Champions of the Earth Award“ ausgezeichnet, der höchsten Umweltauszeichnung der Vereinten Nationen. 

   

Traditionelle Architektur vor malerischer Kulisse: Im Dorf Yantou, das zur Gemeinde Bihu zählt, steht, eingerahmt von alten Kampferbäumen, eine eintausend Jahre alte Schleuse. (Foto: Yu Xiangjun)  

Laut Huang Zuhui, Chefexperte des Forschungszentrums für ländliche Entwicklung der Universität Zhejiang, hat das besagte Programm das Erscheinungsbild des ländlichen Raums in der Provinz völlig verändert. „Das sieht man in erster Linie am verschönerten ländlichen Wohnumfeld. Wir haben die Einheimischen mobilisiert, eine aktive Rolle beim Betrieb und der Instandhaltung aller ländlichen Einrichtungen zu spielen. Zudem ist es uns gelungen, das Geschäftsumfeld zu verbessern. Auf diese Weise haben wir unser Dorf erfolgreich zu einem Naherholungsziel für Städter aufgebaut. Durch ein Zusammenspiel verschiedener Industrien und eine integrierte Stadt-Land-Entwicklung haben wir die örtliche Wirtschaft wirksam angekurbelt.“ All dies habe neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die örtlichen Landwirte geschaffen und ihnen ein höheres Einkommen beschert, so das Parteimitglied. Beim ausgegebenen Ziel, allgemeinen Wohlstand für alle zu erreichen, sei man somit auf einem sehr guten Weg.  

Umweltschutz das A und O  

Einen Meilenstein markierte das Jahr 2005. Damals wurde der Ort Yantou, der aufgrund der Schweinehaltung von Sickergruben übersät war, in die erste Reihe von Dörfern aufgenommen, die im Rahmen des Projekts zum ländlichen Aufschwung saniert werden sollten. „Der erste Schritt war damals, das Dorf zu säubern“, erinnert sich der Dorfvorsteher.  

Unter Leitung der örtlichen Beamten tat sich der ganze Ort bei der Sanierung von Straßen, Toiletten und Häusern sowie der Wasserversorgung  zusammen. Insgesamt wurden mehr als 200 Schweine- und Kuhställe sowie Freiluftkläranlagen abgebaut bzw. entfernt. Eine Aktion, die anfangs nicht bei allen Einheimischen auf Gegenliebe stieß. Insbesondere diejenigen, die von der Schweine- und Rinderzucht lebten, hatten zunächst wenig Verständnis.  

Zwar seien auch sie mit der schmutzigen Umwelt unzufrieden gewesen, erinnert sich Zhang, noch größer aber sei die Sorge um die eigene Existenzgrundlage gewesen. Um das Problem zu lösen, beantragte das Dorf einerseits staatliche Hilfen, andererseits spornte man die Menschen an, einen neuen Entwicklungsweg einzuschlagen, und zwar weg von der Schweine- und Rinderzucht und hin zum Anbau von Tee und Gemüse sowie zur Gründung eigener Gasthäuser. Dies waren Wirtschaftszweige, die sich schon andernorts bewährt hatten und auch zu den lokalen Voraussetzungen passten. Noch wichtiger: es handelte sich dabei um umweltfreundliche Entwicklungsalternativen, deren Erzeugnisse obendrein eine höhere Wertschöpfung versprachen.  

„Der Schlüssel zur Gewinnung der Unterstützung der Einheimischen liegt darin, ihnen greifbare Vorteile zu bringen“, ist Zhang fest überzeugt. Fakt ist: Mit der Umweltsanierung ging auch eine Aufwertung des Dorfantlitzes einher. Das bescherte dem Ort einen Boom des Landtourismus, was das Einkommen der Bewohner beachtlich steigerte. Schlussendlich brachte das dem neuen Entwicklungsweg viel Lob und Anerkennung. 

Die ersten Veränderungen entfachten den Arbeitselan der Menschen, ihr Lebensumfeld durch ein Maßnahmenpaket von Grund auf zu erneuern. Straßen wurden neu gepflastert, die Müllentsorgung verbessert, die Abwasserentsorgung modernisiert und alte Gebäude renoviert. Das hat nicht nur die Lebensqualität der Menschen gesteigert, sondern ihnen auch neue Geschäftsmöglichkeiten beschert.  

   

Atemberaubendes Panorama: Ye Lifang genießt den Ausblick in ihrem Gasthaus im Dorf Yantou. (Foto: Yu Xiangjun)  

Ye Lifang, die zuvor über zehn Jahre im Hotel- und Gaststättengewerbe in der nahegelegenen Touristenmetropole Hangzhou tätig war, baute 2017 das erste Gasthaus in Yantou auf. Ihre Herberge, von der aus man einen traumhaften Blick auf das Panorama des Songyin-Flusses hat, grenzt direkt an das 1500 Jahre alte Tongjiyan-Bewässerungssystem. Die malerische Landschaft zog schnell scharenweise Gäste an. Dank des guten Starts streckte Ye ihre Fühler auch in andere Bereiche aus, eröffnete im Dorf einen Buchladen, eine Galerie für Ölgemälde, ein Café und ein Teehaus. Sie hat damit 30 neue Jobs für Einheimische generiert. Und die Investitionen zahlen sich aus. Heute erwirtschaftet die Jungunternehmerin jährlich rund 2,6 Millionen Yuan im Dorf, umgerechnet rund 330.000 Euro also.  

Die Einkommenssteigerung hat den Dorfbewohnern die greifbaren Vorteile des Umweltmanagements vor Augen geführt. Immer mehr Menschen sprangen auf den Zug auf, begannen ihre Höfe zu reinigen, die Umgebung zu verschönern und Gasthöfe zu eröffnen. Heute zählt Yantou mehr als 30 Herbergen und empfängt jährlich über 300.000 Touristen, die dem Ort einen Jahresumsatz von über zehn Millionen Yuan (rund 1,28 Millionen Euro) und ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 46.000 Yuan (rund 5900 Euro) bescheren.  

Guyan Huaxiang ist nur ein Beispiel unter vielen für die bemerkenswerte Entwicklung der hiesigen Dörfer. 2019 erhielt Zhejiang als erste chinesische Provinz den Titel einer „Öko-Provinz“ und gilt seitdem als landesweiter Vorreiter bei der Entwicklung des ländlichen Raums. Im Hinblick auf den Schutz und die Schaffung schöner Landschaften zählte die Provinz bis Ende 2022 über 70 Modellkreise, 724 Modellstädte, 743 malerische Orte, 2170 besondere Dörfer und mehr als drei Millionen schöne Häuser.  

„Die Verbesserung des ländlichen Lebensumfeldes bildet die direkteste und sichtbarste Veränderung, die das Programm zum Aufschwung des ländlichen Raums in Zhejiang bewirkt hat“, sagt Lan Hai, stellvertretender Direktor der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Lishui. Dieser Wandel habe die grüne Entwicklung gefördert und es den Dorfbewohnern ermöglicht, eine Win-Win-Situation zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischem Fortschritt zu erreichen.  

Industrieller Wandel  

Doch es hat sich nicht nur die Umwelt verbessert. Das Programm führte auch einen positiven Wandel bei der Entwicklungsweise der ländlichen Industrie herbei. Am anderen Ufer des Oujiang-Flusses liegen die Dörfer Dagangtou und Hebian. Sie zählen beide zur Gemeinde Dagangtou und sind wichtige Teile von Guyan Huaxiang. Dank ihrer traumhaften Landschaft ziehen die beiden Orte schon seit den 1980er Jahren Maler an. Es gibt zahlreiche Museen, Galerien und Malereiinstitute der Schule von Barbizon. Bekannt sind die beiden Orte zudem für ihre üppig sprießenden Kampferbäume, ihre pittoresken Docks und Gässchen sowie die mit Pflanzen und Blumen geschmückten Häuserzeilen darunter Gasthäuser, Restaurants und Geschäfte. Die wunderbare Szenerie bezaubert die Besucher, die von nah und fern in den Ort kommen.  

   

Wo gehobelt wird, fallen Späne: Yang Xiangjun zeigt in seiner Werkstatt im Dorf Hebian einem Kind, wie man kleine dekorative Holzgegenstände herstellt. (Foto: Yu Xiangjun)  

Yang Xiangjun hat in Hebian einen Laden für Holzhandwerk eröffnet, in dem er Holzornamente verkauft. Das Geschäft befindet sich auf dem Gelände einer alten Holzverarbeitungsfabrik, die mehr als 20 Jahre lang in Betrieb war. Das kleine Lädchen scheint auf magische Weise Geschichte und Gegenwart der Malerstadt zu verbinden, ist wie ein Scharnier, das diese zwei unterschiedlichen Welten zusammenhält.  

Um auf den Zug des raschen Wirtschaftsaufschwungs aufzuspringen, stiegen in den 1990er Jahren zahlreiche Einheimische in die holzverarbeitende Industrie ein, sodass mehr als 140 Holzfabriken in der Gemeinde entstanden. Auch Yangs Familie gehörte dazu. Seiner Erinnerung nach waren die Straßen damals gesäumt von Holzstapeln, und die Abwässer aus den Holzkochgruben sickerten über die Straße. Es gab damals keine modernen Entstaubungsanlagen, sodass die Menschen gezwungen waren, ihre Türen und Fenster das ganze Jahr über geschlossen zu halten. „Es war eine recht dunkle Zeit“, erinnerte sich der heutige Ladenbesitzer. 

Nach dem Start des staatlichen Programms zum ländlichen Aufschwung begann die Region schließlich damit, die Umwelt zu verbessern. Die Holzverarbeitungsbetriebe wurden verlagert. Stattdessen setzte man auf die Entwicklung des Tourismus vor Ort. 

Trotz des Aufrufs der Regierung zur Umstrukturierung hatten Yang und viele andere Einheimische anfangs große Bedenken. „Ist das gut oder schlecht fürs Geschäft?“, fragten sich viele. Doch letztlich sollte sich der Coup für sein Unternehmen als Chance erweisen. 2015 verlegte Yangs Familie ihre Fabrik in das Industriegebiet Bihu im Bezirk Liandu von Lishui. Um sich dem Trend der grünen Entwicklung anzupassen, verzichtete man auf die Herstellung von Möbeln und produzierte stattdessen Biomassepellets als Brennstoff. Da die Produkte grün und umweltfreundlich sind, stieg die Marktnachfrage rasch an. Die Jahresproduktion kletterte von zehn auf 110 Tonnen.  

Mittlerweile ist die Barbizon-Ölmalerei zum wichtigsten wirtschaftlichen Zugpferd des Ortes geworden und hat damit die Holzverarbeitung abgelöst. Seither boomen neue Geschäftsformen wie Herbergen, Kultur- und Kreativläden sowie Cafés. 2017 verwandelte Yang die ehemalige Fabrik in eine Unterkunft und eröffnete eine Holzwerkstatt, die sich längst zu einem beliebten Treffpunkt in Guyan Huaxiang gemausert hat. „Mittlerweile erwirtschaften wir mit dem Gasthaus zwischen 200.000 und 300.000 Yuan pro Jahr“, sagt er. Das sind umgerechnet rund 25.000 bis 38.000 Euro. Auch das Geschäft der Holzwerkstatt laufe immer besser, erzählt der Gründer zufrieden. „Außerdem müssen unsere Kinder nun nicht mehr in staubigen Verhältnissen leben.“ 

Ein Umdenken hat eingesetzt  

Die tiefen Veränderungen, die sich im Zuge des ländlichen Aufschwungs vollzogen haben, treten immer deutlicher zutage. „Bei den Einheimischen hat ein Umdenken eingesetzt“, sagt Lan Xiaoqing, der Parteisekretär von Hebian.  

   

Früher Arbeiterin, heute Malerin: Lei Chunying bei der Arbeit in ihrem Atelier im Dorf Dagangtou. Zu ihren beliebtesten Sujets gehören örtliche Landschaftsmotive. (Foto: Yu Xiangjun)  

Lei Chunying ist die beliebteste Malerin im Dorf Dagangtou. Unter ihren Pinseln verwandeln sich die Kieselsteine, die sie am Flussufer eingesammelt hat, in niedliche Marienkäfer. Früher war Lei eine einfache Arbeiterin in einer örtlichen Holzfabrik. „Viele Maler kamen in unser Dorf, um das wirkliche Leben zu zeichnen, und ich habe es geliebt, ihnen zuzusehen und von ihnen zu lernen“, erzählt sie uns. Sie lässt sich bei ihren Entwürfen von der lokalen Landschaft inspirieren. Inzwischen verkaufen sich ihre Bilder für 200 Yuan (rund 25 Euro) pro Stück. Immer häufiger erhält sie auch Bestellungen über das Internet. In ihrem gerade einmal zehn Quadratmeter großen Atelier skizziert sie die Schönheit ihres Dorfes und den unbeschwerten Alltag der Einheimischen.  

Dass es hier so beschaulich ist, dazu trägt auch das eigens gegründete Flussschutzteam der Dorffrauen bei. Jeden Morgen begrüßt Lan Xiaoqing am Oujiang-Fluss die bunt zusammengewürfelte Truppe, die aus 20 Helferinnen im Alter von 20 bis 60 Jahren besteht. Die fleißigen Helferinnen sind dafür zuständig, Gefahren zu erkennen und Müll einzusammeln. Bereits seit sieben Jahren engagieren sich die Frauen dafür, das Wasser sauber zu halten. 

„Früher waren Umweltsäuberungen nur ein passives Reagieren auf Inspektionen. Mittlerweile ist den Menschen diese Arbeit in Fleisch und Blut übergegangen. Die Menschen achten nun ganz bewusst darauf, dass die Umwelt sauber bleibt“, sagt Parteisekretär Lan.  

Huang Xiaohua dachte eigentlich, dass er die Tradition seiner Familie fortführen und in vierter Generation als Fährmann auf dem Oujiang-Fluss arbeiten würde. Doch als die Barbizon-Kultur in Guyan Huaxiang Wurzeln schlug, schlug er den Weg des Kunsthandwerks ein. Heute hat er sich als Maler einen Namen gemacht und eigens einen Kunstverein in Guyan Huaxiang gegründet, um Malbegeisterten kostenlos theoretisches Wissen und Maltechniken zu vermitteln. „Gemeinsamer Wohlstand bedeutet nicht nur materielles Wachstum, auch die innere Zufriedenheit muss steigen. Ich setze deshalb darauf, die künstlerische Bildung der Dorfbewohner zu verbessern“, sagt er.  

Der durch das Programm zur grünen Wiederbelebung des ländlichen Raums herbeigeführte Wandel in den Köpfen habe der Schaffung einer schönen und lebensfreundlichen Umgebung auf dem Land eine tiefere Bedeutung und dauerhafte Dynamik verliehen, sagt Gu Yikang, leitender Experte des Instituts für ländlichen Aufschwung in Zhejiang. „Mit der Sensibilisierung des Umweltbewusstseins erkennen die Menschen auf dem Land zunehmend, dass eine schöne Landschaft letztlich zu einem glücklichen Leben führt.“ 

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