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Erkundung neuer Modernisierungswege: Das Chongqinger Umland holt auf

Von Li Wuzhou  ·   2023-07-17  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Chongqing;Modernisierung
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Sollen die Wiederbelebung und Modernisierung des ländlichen Raums gelingen, liegt der Schlüssel in der Entwicklung nachhaltiger, groß angelegter Industrien. Schon zu Beginn von Chinas Kampf gegen die Armut stellte die Industrieentwicklung die größte Herausforderung für die lokalen Kader dar. Die Millionenstadt Chongqing in Chinas Südwesten war hier keine Ausnahme. Im Umland der Metropole findet sich das Wuling-Gebirge. Viele Orte liegen hoch über dem Meeresspiegel, die Bauern leben verstreut, die Böden sind wenig fruchtbar, ganz zu schweigen davon, dass die Ackerfläche pro Kopf nur 540 Quadratmeter beträgt. All dies hemmte die industrielle Entwicklung lange. 

Im Zuge der Armutsbekämpfung hat Chongqing dann dank kontinuierlicher Anstrengungen 56.000 industrielle Unterstützungsbasen im Verwaltungsbereich der Stadt aufgebaut. Und diese leisteten erfolgreiche Arbeit. Heute kann jedes Dorf mindestens mit einem führenden Produkt aufwarten, jede Gemeinde zählt gleich mehrere führende Produkte und jeder Kreis mehrere große Industrien. Dadurch entstand ein gewisser Größenvorteil. Alle Orte sind heute besser in der Lage, sich selbst zu versorgen. 

   

In traumhafter Landschaft: Ein Blick auf die Felder im Dorf Zhongyuan. (Foto: Dou Yi / China Heute)  

Ein gutes Beispiel für die Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre ist der Kreis Xiushan. Hier werden heute auf insgesamt 25.000 Hektar großflächig TCM-Heilkräuter angebaut. Weitere große Anbauflächen gibt es für Kamelien (16.000 Hektar), Zitrusfrüchte (13.000 Hektar) und Tee (13.000 Hektar). Hinzu kommen Flächen für die Zucht von zehn Millionen Stück Vieh und Geflügel. Allein die Teeplantagen werfen eine Jahresproduktion von 60.000 Tonnen ab und erwirtschaften so ein jährliches Einkommen von 1,5 Milliarden Yuan. 

Die Gemeinde Taiji im Bezirk Qianjiang setzt derweil auf den Maulbeeranbau und die Seidenspinnerzucht. Sie hat 580 Hektar Maulbeerplantagen mit einer Jahresproduktion von 300 Tonnen Seidenkokons angelegt. Gleichzeitig werden hier Tee und Nudeln aus Maulbeerblättern gewonnen, was den Maulbeeranbau und die Seidenraupenzucht zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Stadt gemacht hat. 

Das Dorf Jingzhu im Bezirk Wulong nutzte die idyllische Karstlandschaft und die Naturressourcen der Berge, um erstklassige Homestay-Cluster herauszubilden. Vor allem in den heißen Sommermonaten suchen viele Städter hier die Bergfrische. Die clevere Strategie hat das einst arme und verkehrsmäßig ungünstig gelegene Dorf in ein nationales Demonstrationsdorf für Landtourismus verwandelt. Es wird sogar von den Vereinten Nationen als Paradebeispiel der globalen Armutsbekämpfung aufgeführt. 

Auch in anderen Landstrichen der Gegend ist in den letzten Jahren viel passiert. Die Infrastrukturinvestitionen in den Zugang zu Verkehr, Internet, Wasser und Strom in jedem Dorf haben die Entwicklung der lokalen Logistik vorangetrieben. Express-Lieferstellen decken mittlerweile alle Dörfer ab und ermöglichen es so den Einheimischen, Bestellungen per Mobiltelefon aufzugeben und direkt geliefert zu bekommen. Agrarprodukte wie kleine Kartoffeln aus den Bergen, zarte Bambussprossen und duftender Speck, die die Einheimischen früher nur selbst aßen, finden heute als begehrte Bio-Lebensmittel guten Absatz unter den Stadtbewohnern und werden zu guten Preisen verkauft. Im Kreis Xiushan, der wegen seiner Unzugänglichkeit einst fast vollständig von der Außenwelt abgeschottet war, findet sich mittlerweile sogar eine nationale E-Commerce-Demonstrationsbasis, von der aus Waren in nur einem Tag zum Beispiel in das 900 Kilometer entfernte Guangzhou gelangen. 

Talente sind letztlich aber der Schlüssel zur Wiederbelebung des ländlichen Raums. Ohne sie rückt Entwicklung in weite Ferne. Zu Beginn des Kampfes gegen die Armut fehlte es in Chinas ländlichen Gebieten in erster Linie an technischem Personal, fähigen Menschen und Führungskräften für die industrielle Entwicklung. Der Grund: Viele junge und Menschen mittleren Alters suchten in der Vergangenheit ihr berufliches Glück außerhalb der Bergregionen. In den Dörfern zurück blieben hauptsächlich Frauen, Kinder und Alte. Bei unseren Interviews in Chongqing stellten wir jedoch fest, dass sich heute dank besserer Infrastruktur, verstärkter staatlicher Unterstützung und gezielter Fördermaßnahmen immer mehr fähige, finanziell gut gestellte Führungskräfte mit Bildungshintergrund auf dem Land niederlassen. 

Einer davon ist Liu Yi, der eine 47 Hektar große Teeplantage betreibt und dadurch 220 Arbeitsplätze für lokale Landwirte geschaffen hat, ein Unternehmer, der aus der Stadt aufs Land gezogen ist. Oder auch He Ran, die im Dorf Hejiayan ein Café und Gasthäuser betreibt. Einst studierte sie in der Stadt, bevor sie sich entschloss, sich in der alten Heimat eine Existenz als Unternehmerin aufzubauen. Yang Qiu, ein ehemaliger Wanderarbeiter, leitet heute ein Handelsunternehmen für Agrarprodukte in seiner Heimat, mit einem Jahresumsatz von 50 Millionen Yuan. Seine Arbeitserfahrung außerhalb des Dorfes hat es ihm ermöglicht, Geschäftsmöglichkeiten für den E-Commerce zu entdecken.  

Das Florieren von Maulbeer- und Pfefferanbau sowie der Seidenspinnerzucht im Dorf Zhongyuan wäre sicherlich ohne das unermüdliche Engagement von Li Quanhua, dem ansässigen Dorfkader des Büros für ländlichen Aufschwung des Bezirks Qianjiang, kaum denkbar gewesen. Nicht zuletzt aber ist der neuerliche Aufschwung auch untrennbar mit Instituten wie der Berufsfachschule für Tourismus in Chongqing verbunden. Sie setzt sich für die Förderung lokaler Talente in der Kultur- und Tourismusbranche ein. Überdies verfügt Chongqing auch über ein spezielles Reserveteam mit mehr als 10.000 lokalen Talenten, die abwechselnd in den Dörfern arbeiten. 

   

E-Commerce reicht bis in die Dörfer: Unser Bild zeigt das Lager eines Logistikparks im Kreis Xiushan. (Foto: Ye Kai / China.org.cn)  

Eine Voraussetzung für die Wiederbelebung des ländlichen Raums ist auch der Umwelt- und Naturschutz. So blieb das Ökosystem im Südosten Chongqings im Aufschwungsprozess nicht nur unberührt, sondern hat sich sogar immer weiter verbessert. Die Gegend gehört zum Gebiet des Drei-Schluchten-Stausees und ist von hohen Bergen und hügeligem Gelände geprägt, weshalb das lokale Ökosystem sehr empfindlich ist. Die Anforderungen an den Umweltschutz sind entsprechend hoch. 

Das ist auch der Grund, weshalb sich in den vier von unserem Interviewteam besuchten Bezirken und Kreisen so gut wie keine chemische Industrie findet. Auch umweltschädliche Zuchtindustrie unterliegt hier strengen Auflagen. Die lokale Entwicklung konzentriert sich vielmehr darauf, mithilfe der vorhandenen Umweltressourcen den Anbau und die Verarbeitung von Tee, Heilkräutern, Tabak, Pfeffer, Seidengarn und Mandarinen zu fördern. Darüber hinaus blüht überall der Tourismus auf. Hierfür werden die Karstlandschaften, die kulturellen Ressourcen der ansässigen ethnischen Minderheiten und die Naturressourcen der hohen Berge voll genutzt. Viele Landwirte konnten durch den Tourismus ihr Einkommen signifikant erhöhen. 

Doch nicht nur Chongqings Wirtschaft entwickelt sich, auch gesellschaftlich geht es voran. Die Dörfer im südöstlichen Umland der Metropole schließen in Sachen Lebenswandel und Gewohnheiten immer mehr zur Stadt auf. Materielle Fortschritte und das Aufbrechen alter Denkmuster gehen Hand in Hand. In dieser Hinsicht wurden bereits seit Beginn der Armutsbekämpfung institutionelle Konzepte formuliert. Beispielsweise wirbt die Politik für mehr Hygiene im Alltag und treibt die optische Aufwertung des dörflichen Lebensumfelds voran. Das verhilft den Einheimischen nicht nur zu einem modernen Lebensstil und beugt Krankheiten vor, sondern weckt auch den Wunsch nach einem besseren Leben. 

Als Beispiel hierfür ist die Toilettenrevolution zu nennen. Ursprünglich handelte es sich hierbei um eine interne Angelegenheit der Bauernfamilien. Aber die Regierung trieb, unter vollständiger Berücksichtigung der Wünsche der Dorfbewohner, die Toilettenrevolution in allen ländlichen Gebieten der Region voran. So können heute Dorf- wie Stadtbewohner moderne Wasserklosetts nutzen. Am 21. Juni veranstaltete Chongqing zudem einen „Toilettengipfel“ auf dem Lande. Ziel der Aktion: den Verbreitungsgrad von sanitären Haushaltstoiletten auf dem Land von 85,5 Prozent (Stand 2022) weiter zu erhöhen. Selbstverwaltungsorganisationen der Dorfbewohner wie Dorfräte oder Heirats- und Bestattungsräte propagieren derweil einen modernen, zivilisierten Lebensstil. Bestehende Dorfregeln werden hierfür aktualisiert und neue formuliert. Aktivitäten wie Wettbewerbe für einen gesitteten Lebensstil und örtliche Sportconteste stärken den familiären und nachbarschaftlichen Zusammenhalt. 

Laut Luo Yuanfa, ein ehemals verarmter Bauer, war es in der Vergangenheit Brauch, dass vor allem arme Menschen mit Vorliebe ausufernde Hochzeiten und Trauerveranstaltungen abhielten, denn diese galten aufgrund der Hongbao-Kultur (Geldgeschenke in roten Umschlägen) als lukrative Einnahmequelle. Früher sei er durchschnittlich alle paar Tage zu solchen Anlässen eingeladen worden, erinnert sich Luo, was ihn im Jahr über 20.000 Yuan gekostet habe, eine schwere finanzielle Belastung. Heute böten die neuen Dorfregeln solch altmodischen und rückständigen Bräuchen gezielt Einhalt. Im vergangenen Jahr habe Luo so nur noch drei- bis viertausend Yuan für die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen berappt, ein Betrag, den der Landwirt gut schultern kann. Denn mittlerweile besitzt er sogar ein eigenes Gasthaus in der Heimat. 

Fest steht: Im ländlich geprägten Chongqinger Umland sind in den einst stark verarmten Gebieten bahnbrechende Veränderungen zu beobachten. Es ist nicht nur gelungen, die Errungenschaften der Armutsbekämpfung effektiv zu festigen, sondern auch Probleme wie den fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung, Schulbildung und sicherem Trinkwasser und das einst niedrige Niveau der Sozialabsicherung nach und nach zu lösen. Darüber hinaus wird unter der Organisation und Führung der Regierung das Leben der Landwirte durch die Entwicklung nachhaltiger und groß angelegter Industrien, den Schutz und die Nutzung der Umwelt, die Anziehung von Talenten und Geldern aus allen Gesellschaftsbereichen und die Förderung zivilisierter Lebensgewohnheiten zunehmend an den modernen Lebensstil der Städte angeglichen. Der Modernisierungstrend ist hier vor den Toren Chongqings in der gesamten landwirtschaftlichen Entwicklung spürbar. Die Modernisierung des ländlichen Raums nimmt also bereits Gestalt an. 

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