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Das Wunder von Hefei: Von der unbekannten Stadt zum Hightech-Hub |
Von Fu Zhaohuan und Hua Ming* · 2024-08-23 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Hefei;Innovation | Druck |
Junge Unternehmer aus der Luyang Economic Development Zone beim Besuch der Fusion Innovation Exhibition Hall am Institut für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Hefei
Industriemodernisierung und mehr Tempo bei der Entwicklung von Produktivkräften neuer Qualität – dies sind laut dem diesjährigen Tätigkeitsbericht der Regierung zwei der Hauptaufgaben Chinas für das laufende Jahr. Auf einem guten Weg, was diese Ziele anbetrifft, ist die Metropole Hefei. Die Hauptstadt von Anhui ist im Ausland weniger bekannt. In China allerdings hat sie sich einen Namen als landesweites Wissenschaftszentrum gemacht. In den letzten vier Jahrzehnten hat die Stadt bewusst darauf gesetzt, durch wissenschaftlich-technologische Innovationen eine moderne Industrie aufzubauen. Schon Ende der 1970er Jahre begann Hefei hierfür, aktiv die Haushaltsgeräteindustrie zu fördern und damit den Trends der technologischen Revolution und industriellen Transformation zu folgen. Das galt insbesondere in Bereichen wie Chips, Display-Panels, Elektrofahrzeuge, smart vernetzte Fahrzeuge, intelligente Fertigung und künstliche Intelligenz.
Innovationsmotor: Das „Silicon Valley“ der University of Science and Technology of China in der nationalen Hightech-Industrie-Entwicklungszone von Hefei
Das Geheimnis des Hefei-Modells
Hefei wurde erst nach der Gründung der Volksrepublik China im Jahr 1949 zur Hauptstadt der Provinz Anhui erklärt. Nach Jahren der Entwicklung hat sich die Millionenmetropole mit ihren fast zehn Millionen Einwohnern zu einer Tier-1-Stadt gemausert, deren BIP heute über einer Billion Yuan liegt.
Nun schlägt Hefei einen neuen Entwicklungspfad ein. Seit einigen Jahren versucht die Metropole, gezielt führende Unternehmen mit großen Investitionen anzuziehen und eine komplette industrielle Wertschöpfungskette in der Stadt aufzubauen. Schlüssel des Hefei-Modells ist es, durch den geschickten Einsatz von Marktkapital wettbewerbsfähige Industrien zu fördern.
Wer den Aufstieg der Provinzhauptstadt von einer unauffälligen Binnenstadt Ostchinas zu einem Zentrum für Hochtechnologie verstehen will, für den lohnt sich der Blick auf drei Unternehmensbeispiele, die exemplarisch für die beeindruckende Transformation der Stadt sind: nämlich BOE, ChangXin und NIO.
2008 investierte Hefei ein Drittel seiner Haushaltseinnahmen in die Firma BOE und half dem Unternehmen damit, eine Produktionslinie für LCD-Display-Panels der sechsten Generation aufzubauen. Heute ist BOE groß im Geschäft, der Jahresumsatz geht in die Milliarden Yuan. Und Hefei hat sich durch den Coup einen Namen als globales Zentrum der Display-Industrie gemacht. Vor acht Jahren dann wurde in Hefei das Unternehmen ChangXin Memory Technologies gegründet. Investitionssumme: 150 Milliarden Yuan. Die Firma befasst sich mit der Entwicklung und Herstellung von Speicherchips. Mittlerweile hat Hefei ein ganzes Industrie-Cluster zur Herstellung von Speicherchips aufgebaut. 2020 gelang es Hefei, sieben Milliarden Yuan an Risikokapital zusammenzubringen, um damit die Durststrecke des Smart-Car-Herstellers NIO zu überbrücken. Nachdem der E-Auto-Produzent seine Zentrale in Hefei aufgebaut hatte, richteten auch andere weltweit führende Elektrofahrzeug-Hersteller wie BYD und Volkswagen Niederlassungen in der Stadt ein. Dadurch bekommt Hefei heute ein ordentliches Stück vom Kuchen des boomenden E-Auto-Marktes ab.
Was wie scheinbar riskante Operationen aussieht, ist in Wirklichkeit bestens durchdacht und dient den Bedürfnissen der lokalen Industrien. Hefeis Haushaltsgeräteindustrie war die erste, die eine Produktionsleistung von 100 Milliarden Yuan erzielte. Heute ist Hefei die größte Produktionsbasis für intelligente Haushaltsgeräte in China. Bei der Gesamtproduktion von Klimaanlagen, Farbfernsehern, Waschmaschinen und Kühlschränken hat die Stadt seit 13 Jahren in Folge landesweit die Nase vorn.
Die boomende Haushaltsgeräteindustrie erzeugte auch eine massive Nachfrage nach LCD-Bildschirmen, wovon BOE profitierte. NIO entschied sich später nicht zuletzt auch deshalb für Hefei als Standort seines Headquarters, weil hier die lokale Marke Jianghuai Automobile und ein Automobilindustrie-Cluster zuhause sind.
Ein weiteres Erfolgsgeheimnis des Hefei-Modells ist es, auf institutionelle Innovationen zu setzen. Staatskapital wird zur Finanzierung strategisch aufstrebender Industrien verwendet. Auf diese Weise spielen sowohl Regierung als auch Markt eine effektive Rolle.
Laut Huang Hanquan, Präsident der Akademie für Makroökonomische Forschung, sollte man bei der Entwicklung von Produktivkräften neuer Qualität Management-Innovationen und institutionelle Neuerungen gleichermaßen berücksichtigen, da beide die wissenschaftlich-technologische Innovation in Fahrt brächten. Institutionelle Innovationen seien in der Lage, die Transformation traditioneller Industrien zu beschleunigen, strategische aufstrebende Industrien zu fördern und strategische Entscheidungen zur Unterstützung zukunftsorientierter Branchen auf den Weg zu bringen.
New Energy Vehicles, kurz NEV, sind ein weiteres Beispiel. In den letzten Jahren konnte Hefei hier komparative Vorteile bei Technologie, Markenbildung und Marktumfang schaffen. 2023 produzierte die Stadt 740.000 solcher Fahrzeuge und belegte damit den vierten Platz in China.
Darüber hinaus mischt Hefei auch bei der Entwicklung von Zukunftsindustrien wie der Low-altitude Economy, der Raumfahrt- und der Quanteninformation sowie Fusionsenergie mit. EHang, ein Hersteller von Drohnen, unterzeichnete jüngst eine Vereinbarung mit der Stadtregierung, um eine Zentrale für Ostchina in Hefei einzurichten und damit die Produktion, den Verkauf sowie den Einsatz seiner Drohnen zu fördern.
Heute hat Hefei auch ein eigenes Raumfahrt-Cluster mit über 100 Unternehmen, darunter bekannte Namen wie GEOVIS und PIESAT. Hefei verfügt zudem über Chinas ersten Wissenschafts- und Technologiepark für Quanteninformation, der die höchste Anzahl an Quantenpatenten im Land hält. Die kooperative Förderung der Fusionsenergietechnologie in Hefei treibt derweil die Anwendung dieser Spitzentechnologie gezielt voran.
Eine neue medizinische Plattform in Hefei beschleunigt die Anwendung und Umsetzung von wissenschaftlich-technologischen Errungenschaften vor Ort und fördert die Integration von Wissenschaft, Forschung, Innovation und Stadtentwicklung.
Ein aufstrebendes Technologiezentrum
In ihrem Tätigkeitsbericht 2024 hat sich die Stadtregierung von Hefei dazu verpflichtet, die intelligente Transformation weiter zu beschleunigen und mehr als 500 Projekte abzuschließen, um die digitale und intelligente Konnektivität zu verbessern.
Im Bereich künstliche Intelligenz wird Hefei als eine der ersten nationalen Pilotstädte für die digitale Transformation kleiner und mittelständischer Betriebe geführt. Derzeit setzt die Stadt eine Initiative zur Innovationsförderung im Bereich industrielles Internet um. Sie unterstützt die kollaborative Anwendung von SparkDesk, einem heimischen großen KI-Sprachmodell, und Antelope Cloud, einer branchenübergreifenden Plattform für das industrielle Internet. Die Antelope Industrial Cloud wird schon heute von rund 430.000 Unternehmen in Hefei genutzt.
Im Sinne der technologischen Transformation und der technologischen Aufwertung hat Hefei seine Subventionspolitik überarbeitet. Es wurde eine einmalige Subvention in Höhe von 20 Millionen Yuan für Einzelprojekte gewährt. 2023 wendete die Stadt alles in allem 940 Millionen Yuan an Fördermitteln auf, wovon 327 Unternehmen profitierten. Insgesamt erhielten 81 Projekte über 380 Millionen Yuan von der Provinzregierung für die digitale Transformation.
Blick auf den EAST – den experimentellen fortgeschrittenen supraleitenden Tokamak – in Hefei
Konkurrenz für das Silicon Valley
Im Juni stattete Wang Qingxian, Gouverneur von Anhui, dem „Silicon Valley“ der University of Science and Technology (USTC) eine Stippvisite ab. Bei seinem Besuch forderte er dazu auf, das USTC Silicon Valley zu einem Versuchsfeld für die Reform des Wissenschafts- und Technologiesystems und zu einem „ertragreichen Ackerland“ für Hightech-Industrien zu machen.
Den Aktionsplan zum Aufbau des USTC Silicon Valley hatte die Anhuier Provinzregierung im Jahr 2022 erlassen. Heute ist das Projekt zu einem Hightech-Zentrum mit hochqualifizierten Fachleuten und Spitzenabsolventen der USTC gereift. Immer mehr Unternehmen haben Hauptsitze oder Regionalbüros an der Universität eingerichtet.
In den letzten zwei Jahren haben sich hier gut 1400 innovative Unternehmen niedergelassen. Fast 43 Prozent der Quantenunternehmen, 55 Prozent der Raumfahrtinformationsunternehmen und die Hälfte der Bio-Fertigungsunternehmen in Hefei sind im USTC Silicon Valley präsent. Es wird erwartet, dass das Innovationszentrum bis 2025 mehr als 100.000 herausragende Fachkräfte anziehen wird, darunter Absolventinnen und Absolventen namhafter in- und ausländischer Universitäten und Forschungsinstitute.
Derzeit verfügt Hefei über zwölf großflächige wissenschaftliche Einrichtungen, was die Stadt zu einem umfassenden Wissenschaftszentrum Chinas macht. Die Tradition der Stadt, ein Magnet für Talente zu sein, lässt sich bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen, als die USTC von Beijing nach Hefei zog. In über einem halben Jahrhundert hat sich die einst unauffällige Stadt zu einem weltweit renommierten Standort für wissenschaftlich-technologische Forschung entwickelt. Und für die Zukunft hat die Stadt noch viel vor.
*Fu Zhaohuan und Hua Ming sind Reporter der „China Development and Reform News“.
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