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Die Reisfischzucht: Ein Agrarerbe für die Welt |
Von Zhang Juan, Ma Li und Xia Yuanyuan · 2023-09-24 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Zhejiang;Reisfischzucht | Druck |
Der Kreis Qingtian liegt in der Provinz Zhejiang im Südosten Chinas. Die Gegend ist bergig und für die Landwirtschaft eigentlich wenig geeignet, möchte man meinen. Doch die scheinbaren geografischen Nachteile schrecken die Menschen hier nicht, im Gegenteil. Sie weckten schon in alten Zeiten ihren Erfindungsgeist. Vor mehr als 1300 Jahren entwickelten die Einheimischen ein spezielles Verfahren der Fischzucht auf den bewässerten Reisfeldern. Die clevere Anbauweise, die auf einer Symbiose zwischen Reispflanzen und Fischen beruht, beflügelte die traditionelle Landwirtschaft in der Region und wurde über Generationen weitergegeben.
Im Juni 2005 adelte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen die vorbildliche Bio-Anbauweise, indem sie sie in ihre Liste des weltweiten Agrarerbes (Globally Important Agricultural Heritage Systems, kurz GIAHS) aufnahm. Sowohl für China als auch für Asien war diese Anerkennung eine Premiere.
Goldene Tradition: Die Reisfischzucht setzt auf eine Symbiose zwischen Reis und Fisch und kann auf eine mehr als 1300-jährige Geschichte zurückblicken. (Foto: Yu Xiangjun)
Im Dorf Zhou'ao des Kreises ist Ye Lingmei, eine Neunzigjährige, die älteste Person, die diese traditionelle Technik beherrscht. Sie gab sie an ihren Sohn Lin Guoping weiter, der zum einzigen Fortführer des immateriellen Erbes der Reisfischkultur auf Stadtebene in seinem Kreis wurde.
Die Reisfischzucht, die früher eine ergänzende Nahrungsquelle darstellte, generiert heute ein zusätzliches Einkommen, was dazu geführt hat, dass sie in den letzten Jahren auch in anderen Ländern Verbreitung fand.
Alte Agrartradition mit neuen Möglichkeiten
2019 kehrte Lin Guoping aus der Tschechischen Republik, wo er geschäftlich tätig war, nach China zurück, um die traditionelle Technik der Fischzucht auf den Reisfeldern weiter zu popularisieren. In diese Entscheidung spielte auch der Wunsch hinein, sich besser um seine betagte Mutter kümmern zu können. Außerdem sah sich der Geschäftsmann in der Pflicht, das alte Kulturerbe in die Zukunft zu tragen.
Zhou'ao ist ein typisches chinesisches Dorf. Die meisten jungen und leistungsfähigen Menschen machen außerhalb der Gegend Geschäfte, jobben oder gehen ins Ausland. Daher ist das Dorf mit einer ernsten Überalterung konfrontiert. Nach seiner Rückkehr stellte Lin fest, dass nur noch sehr wenige Dorfbewohner die traditionelle Technik der Fischzucht anwendeten, obwohl das Dorf in der Kernschutzzone des Reis-Fisch-Anbausystems liegt. „Im ländlichen Qingtian wird die Fischzuchttechnik traditionell innerhalb der Familie weitergegeben. Ohne die Weitergabe an die Jugend drohte dieses Kulturgut zu verschwinden“, erinnert sich Lin mit Bedauern.
Lin verbrachte zwei Jahre damit, sich die Technik von seiner Mutter anzueignen. Dann gelang es ihm, mehr als drei Millionen Yuan aufzubringen, um eine Reisfischzuchtgenossenschaft zu gründen. Neben der Ausbildung von Technikern hat die Genossenschaft in Zusammenarbeit mit der Shanghai Ocean University eine Forschungsbasis aufgebaut. Ziel ist es, durch eine Kombination aus moderner Technologie und traditionellen Fischzuchtverfahren Fortschritte in Sachen Produktion und Qualität des Reisfisches (einer Karpfenart) zu erzielen.
Unter Lins Leitung ist die Fischzuchtfläche des Dorfes von etwa drei Hektar vor zwei Jahren auf heute mehr als 30 Hektar angewachsen. Sein Ziel ist es, noch mehr Menschen zu ermutigen, diese Technik zu erlernen, um durch die Förderung dieses Agrarsektors mit lokalen Besonderheiten und ökologischen Vorteilen gemeinsamen Wohlstand zu erlangen. „Mein Wunsch ist es außerdem, dass auch künftige Generationen den authentischen Geschmack des Qingtian-Reisfisches genießen können“, fügt er hinzu.
Doppelte Ernte
Am 7. Februar 2023 wurden in Hangzhou die Gewinner des „Goldenen Ochsen“ für das Jahr 2022 bekannt gegeben, einer jährlichen Auszeichnung, mit der Vorreiterprojekte bei der Wiederbelebung des ländlichen Raums und der Schaffung allgemeinen Wohlstands in Zhejiang gewürdigt werden. Xu Guanhong, CEO der Firma Qingtian Yugong Agricultural Technology, setzte sich zusammen mit neun anderen Preisträgern unter 97 Kandidaten aus der ganzen Provinz durch. Das Geheimnis seines Erfolgs liegt ebenfalls in der Reisfischzucht.
Hat gut lachen: Xu Guanhong, der CEO von Qingtian Yugong Agricultural Technology. (Foto: Yu Xiangjun)
Der heute 52-jährige Xu war früher Physiklehrer an einer Mittelschule und dann Geschäftsmann in Frankreich. Nach der Anerkennung der Reisfischzucht von der FAO setzte er alles auf eine Karte, nämlich die Reisfelder seines Heimatdorfes. 2007 kehrte er nach China zurück und pachtete und rodete 3,3 Hektar Land, um seinen ökologischen Bauernhof „Yugong“ zu gründen. Der alte Yugong ist eigentlich eine legendäre Figur der chinesischen Mythologie. Er soll seine Familienmitglieder dazu gebracht haben, die Berge rings um ihr Dorf mit Spitzhacken, Schaufeln und Körben abzutragen und sie so zu versetzen, um das Leben für nachfolgende Generationen einfacher zu machen. Der an diese legendäre Figur angelehnte Name seines Bauernhofs ist für Xu Programm. Sein Unternehmen soll so beharrlich und engagiert arbeiten, wie es in der alten Geschichte beschrieben wird.
In den ersten Jahren warf sein Investitionsprojekt keinen Gewinn ab. Doch Xu gab nicht auf. Er eignete sich weiter fleißig Wissen und Know-how von den Landtechnikern und den Ältesten an. Ein paar Jahre später zahlten sich seine Bemühungen schließlich aus.
Der Gründer entwickelte eine Bio-Methode auf Basis von Kreislaufwirtschaft für die Reisfischzucht, bei der die Landwirte weder Unkraut jäten noch Dünger oder Pestizide einsetzen müssen. Zudem baute er ein Zentrum für den Schutz der ursprünglichen Qingtian-Reisfischarten, für die Sammlung von Gebirgsarten in der Umgebung und die Einführung moderner Gewächshäuser und künstlicher Vermehrungstechniken. Durch seine Bemühungen konnte die Brutzeit von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt werden. Zur Erhöhung der Überlebensrate der Fische entwickelte er eine Technik zur Verzögerung der Fortpflanzung von Brutbeständen und richtete einen Raum zur Erkennung von Fischkrankheiten ein, um Fischzüchtern kostenlose Dienste anzubieten.
Als Experte für die Reisfischzucht hat der ehemalige Physiklehrer auf diese Weise mehr als 3000 Familien geholfen, die neue Anbautechnik anzuwenden, indem er Schulungen und Vorträge hielt. Er wollte, dass die Landwirte von einer doppelten Ernte profitieren.
Unter der Schirmherrschaft der lokalen Regierung schloss sich Experte Xu auch gezielten Hilfsprojekten im Rahmen der Koordinierung zwischen Ost- und Westchina an. Auf diese Weise gelang es ihm, die Reisfischtechnik von Qingtian auch im Kreis Gulin in der Provinz Sichuan einzuführen. Darüber hinaus fand sein Modell Eingang in elf weiteren Provinzen mit geeigneten Bedingungen, darunter Anhui, Hubei und Fujian. Er griff den örtlichen Landwirten technologisch unter die Arme und stand ihnen stets zur Seite.
Globale Resonanz
Das Dorf Longxian, ebenfalls im Kreis Qingtian gelegen, nutzt die Reisfischzucht für die Tourismusentwicklung. Agrartourismus lautet hier das Zauberwort. Wu Yongqiang war einer der ersten Dorfbewohner, der einen Gasthof eröffnete, der sich auf geschmorten Reisfisch spezialisiert hat. Sein Betrieb zieht heute Ströme chinesischer und ausländischer Touristen an und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von über 350.000 Yuan, umgerechnet rund 44.000 Euro. In der ersten Hälfte dieses Jahres empfing das Dorf bereits fast 200.000 Touristen.
Ebenso wie Wu ist auch Yang Xiao’ai daran interessiert, die alte Landwirtschaftstradition fortzuführen. Als erste Präsidentin der Qingtian Chinese Compatriots Association in Ecuador investierte Yang 20 Millionen Yuan (rund 2,5 Millionen Euro) in ihrem Heimatdorf. Geplant ist, ein Lernzentrum für Grund- und Sekundarschüler zum Thema Landwirtschaft zu errichten. Sie hofft zudem, ihre Verbindungen nutzen zu können, um chinesische und ausländische Jugendliche aus Übersee einzuladen, den Charme des Qingtian-Erbes zu erleben.
Ein Agrarerbe für die Welt: Die Reisfischzucht ist ein Beispiel für Chinas alte Weisheit in Sachen ökologische Landwirtschaft, traditionelle Anbaumethoden und Erhaltung des landwirtschaftlichen Erbes. (Foto: Yu Xiangjun)
Das chinesische Anbauprinzip findet auch über Chinas Grenzen hinaus Anhänger und bringt insbesondere vielen Menschen in Entwicklungsländern Hoffnung auf ein höheres Einkommen. Im Rahmen der Süd-Süd-Zusammenarbeit hat Nigeria die Reisfischzucht nach Qingtianer Vorbild als wichtiges Mittel zur Steigerung der Einkünfte der örtlichen Bauern übernommen. Mit Hilfe chinesischer Experten hat sich die nigerianische Reis- und Tilapia-Produktion fast verdoppelt. Neben Afrika wurde die Qingtian-Reis-Fisch-Polykultur auch in vielen Ländern und Regionen Süd- und Südostasiens eingeführt, ja sogar in Europa und Amerika.
In den letzten Jahren sprang der Kreis zudem auf den Zug der Seidenstraßeninitiative auf. Dadurch ist es ihm gelungen, Fischteichreis und getrockneten Reisfeldfisch auf ausländische Tische zu bringen, und zwar durch die mehr als 20.000 Restaurants, die von Einheimischen aus Qingtian im Ausland betrieben werden. Ganz nebenbei gelangt so auch Chinas landwirtschaftliche und kulinarische Kultur ins Ausland.
Das hochprofitable Bio-Anbaumodell, das viele ökologische Vorteile bringt, hat in Qingtian für einen wirtschaftlichen Boom gesorgt. 2022 wurde die Reisfischzucht im Kreis auf einer Fläche von 4000 Hektar betrieben. Der durchschnittliche Reisertrag lag bei 7,2 Tonnen pro Hektar, der Fischertrag bei rund 442,5 Kilogramm pro Hektar. Im selben Jahr erwirtschaftete der Sektor insgesamt 280 Millionen Yuan (rund 35,3 Millionen Euro) und steigerte so das durchschnittliche Pro-Hektar-Einkommen von 35.000 Landwirten um 69.000 Yuan (8850 Euro).
Das Reis-Fisch-System von Qingtian verringere maßgeblich die Abhängigkeit von chemischen Düngemitteln und Pestiziden, weshalb es im Ausland gefördert und geschätzt werde, so Luo Ming, der stellvertretende Direktor des Büros für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten des Kreises. Das System schütze die biologische Vielfalt und das ökologische Gleichgewicht der Felder. Langfristig werde so die Harmonie zwischen Mensch und Natur gewahrt. Und den Landwirten bringe es den greifbaren Vorteil zweier Ernten pro Jahr.
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