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Dünger und europäische Rinder: Ein Belgier macht Karriere in Xinjiang |
Von Liu Ting · 2023-05-05 · Quelle:german.chinatoday.com.cn |
Stichwörter: Belgier;Xinjiang | Druck |
Futterreserven fürs Vieh: Mitarbeiter einer Rinderfarm legen Vorräte für den Winter an. (Foto: Bao Wei)
„Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens, ein Unternehmen hier in Xinjiang zu gründen“, sagt Decombel Danny Camiel. „Ich denke, kein anderer Ort hätte mir eine solche Chance geboten.“ Der 59-jährige Camiel stammt aus Belgien und betreibt seit einigen Jahren ein eigenes Düngemittelunternehmen und eine Rinderzucht, und zwar in Xinjiang, tief in Chinas Nordwesten. Hier lasse es sich gut leben, sagt der Wahl-Xinjianger. Für ihn ist die Gegend nicht nur Karrieresprungbrett, sondern auch wie ein zweites Zuhause fern der Heimat.
Die Anfänge in Xinjiang
An der belgischen Küste aufgewachsen, hätte Camiel sich nie träumen lassen, dass es ihn einmal nach China verschlagen würde, schon gar nicht ins entlegene Xinjiang. Alles begann im Jahr 1986. Camiel war damals frisch gebackener Hochschulabsolvent im Fach Agraringenieurwesen. Sein großer Traum: die Arbeit in einem Entwicklungsland. Gegen Ende seines Studiums rief ihn der Rektor seiner Universität in sein Büro und informierte ihn über eine Jobmöglichkeit in einem Unternehmen für Futtermittelzusatzstoffe im chinesischen Shenzhen. Camiel bewarb sich und bekam prompt den Zuschlag, musste zuvor aber noch eine Ausbildung absolvieren, die bis Januar 1988 dauerte. Danach konnte er endlich nach China reisen.
Die Volksrepublik stand damals gerade am Anfang ihrer Reform und Öffnung. Bei seiner Ankunft staunte der junge Belgier über den Bauboom. „Im Büro gab es damals noch nicht mal ein Telefon“, erinnert sich Camiel und lacht. „Autobahn und Flughafen waren Fehlanzeige. Und die einzige schmale Straße von Shenzhen nach Guangzhou war chronisch überlastet.“
In den Folgejahren veränderte sich die Stadt vor seinen Augen in atemberaubendem Tempo: IDD-Telefonleitungen (International Direct Dialing) und Internetanschlüsse wurden installiert, eine Autobahn nach Guangzhou eröffnet. Auch der Flughafen der Küstenstadt ging in Betrieb. „Aus dem einst kleinen Fischerdorf wurde die Weltfabrik, wie wir sie heute kennen. Eine so spektakuläre wirtschaftliche Entwicklung hatte ich noch nie gesehen“, sagt der heutige Unternehmer.
In den Jahren darauf war Camiel in mehreren chinesischen Städten tätig: Guangzhou, Quanzhou und Tianjin, stets im Agrarsektor. Diese Erfahrungen ermöglichten es ihm, China kennenzulernen und mehr über die Entwicklung des Landes zu erfahren. In der Provinz Fujian lernte er schließlich seine Frau kennen, eine Chinesin. Mittlerweile hat das Paar zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn.
Im Jahr 2000 wurde Camiel von einer Niederlassung von Kemira in Zhanjiang in Guangdong, einem europäischen Düngemittelhersteller mit Sitz in Finnland, eingestellt. Kemira war damals weltweit führend bei der Herstellung wasserlöslicher Säuredünger, die zur Bewässerung in trockenen Gebieten eingesetzt werden. Der Hauptabsatzmarkt in China für das Unternehmen war die Region Xinjiang, wo die Technik der Tröpfchenbewässerung bereits weit verbreitet war. Ab 2001 wurde Camiel mit der Leitung der Geschäfte in Xinjiang betraut.
Die Situation änderte sich 2005 schlagartig, als Kemira beschloss, sich aus dem Düngemittelgeschäft zurückzuziehen. Camiel stand mit einem Mal ohne Job da. Nach reiflicher Überlegung beschloss er, den Sprung zu wagen und in Xinjiang ein eigenes Unternehmen für wasserlöslichen Säuredünger zu gründen. „Die Anbauflächen in Belgien und ganz Europa sind begrenzt. Entsprechend eng sind die Möglichkeiten. Chinas Landwirtschaft hingegen hat noch immer ein riesiges Potenzial“, so Camiel. „Außerdem ist die Technik der Tröpfchenbewässerung in Xinjiang weit verbreitet, weshalb eine enorme Nachfrage nach wasserlöslichem Dünger besteht.“
Die richtige Mischung macht’s: Camiel und seine Kollegen führen ein Experiment durch. (Foto: Bao Wei)
Mit Dünger und Vieh zum Erfolg
2005 besuchte der Belgier viele Landwirte im Norden Xinjiangs, um sie mit der Wirkweise seiner wasserlöslichen Düngemittel vertraut zu machen. Er stellte fest, dass seine Ideen auf breite Zustimmung stießen. Bestärkt durch das positive Feedback gründete er 2006 seine eigene Düngemittelfirma im Kreis Shawan im Norden Xinjiangs.
Das Unternehmen bildete ein Team aus Agrarabsolventen und schulte sie im Hinblick auf die Verbesserung salzhaltiger Böden, Pflanzendüngung und Bewässerungsplanung. Die Kunden erkannten schnell den Nutzen wasserlöslicher Säuredünger und das Unternehmen machte sich im Norden Xinjiangs bald einen Namen. Im Süden der Region stieß Camiel jedoch auf Herausforderungen.
„Viele Bauern in Südxinjiang hatten noch nicht begonnen, Tröpfchenbewässerung einzusetzen, als ich 2011 mein Geschäft ausbauen wollte“, erzählt er. Zumal eigneten sich die Düngemittel für die Böden im Norden nicht für die Bodentypen im Süden. Doch nach langen und intensiven Laboruntersuchungen fand sein Team schließlich die richtige Düngerformel.
Neben einem optimalen Produkt legt Camiel auch großen Wert auf die Qualität der Dienstleistungen seines Unternehmens. Für viele Feldfrüchte bietet er eine schnelle Blattstielanalyse an. Mit deren Hilfe wird der Düngeplan optimiert, was dem Landwirt Kosten spart und zudem die Ernteerträge steigert. Dank seiner Bemühungen expandiert die Firma weiter, ist von einem auf vier Produktionsstandorte angewachsen und betreibt mittlerweile Geschäfte in ganz Xinjiang. Sie verkauft jetzt 20.000 Tonnen Dünger pro Jahr, die vor Ort auf rund 67.000 Hektar Ackerland zum Einsatz kommen.
2017 erweiterte Camiel sein Geschäft um den Bereich Viehzucht. Er führte die belgische Rinderrasse Weißblaue Belgier (WBB) in China ein und kreuzte sie mit lokalen Mastrindern. Die Nachkommen der beiden Rassen liefern einen deutlich höheren Fleischertrag. Bei der Einführung der neuen Rasse kamen Camiel die guten Beziehungen zugute, die er über die Jahre zu den lokalen Landwirten aufgebaut hat.
„Die WBB-Rinder sind ein Schatz unseres Landes. Wie bei jeder Innovation braucht es allerdings Zeit und Mühe, bis eine neue Rasse von den Züchtern akzeptiert wird. Doch die Machbarkeit und die wirtschaftlichen Vorteile der Verwendung von Bullen dieser Rasse in einem Kreuzungsprogramm liegen klar auf der Hand“, sagt Camiel. „Und ich bin mir sicher, dass WWB-Rinder ihren Platz in der rasanten Entwicklung des Fleischrinderhandels in China finden werden“, zeigt er sich zuversichtlich.
Gute Kommunikation als A und O: Camiel und seine chinesischen Kollegen führen gemeinsam Pflanzen- und Bodenforschung durch. (Foto: Chen Zhe)
Zeuge der landwirtschaftlichen Modernisierung
Camiel und seine Frau leben und arbeiten seit 2005 in Xinjiang und fühlen sich in ihrer Gemeinde pudelwohl. Ihre beiden Kinder haben die örtliche Grundschule besucht und gehen nun auf eine weiterführende Schule im Ort. Er und seine Kinder seien bestens integriert, sagt der 59-Jährige.
Dank seiner Neugier und Wissbegierde hat der belgische Entrepreneur die rasante Entwicklung der Region hautnah begleitet. „Meine Arbeit führt mich in die entlegensten Dörfer, wo ich miterleben konnte, wie die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung den Lebensstandard der Menschen erhöht hat“, sagt er.
Als Unternehmer im Düngemittelsektor hat Camiel auch intensiven Kontakt zu den lokalen Baumwollproduzenten und zeigt sich beeindruckt von der landwirtschaftlichen Modernisierung in Xinjiang. Die Falschmeldungen über vermeintliche „Zwangsarbeit“ in Xinjiang, die in vielen westlichen Medien kursieren, kann er nicht nachvollziehen.
Schon früh habe man mit der Mechanisierung des Baumwollanbaus in Xinjiang begonnen, bestätigt er. 2005 habe es bereits amerikanische Baumwollerntemaschinen der Hersteller John Deere und Case gegeben, obwohl die manuelle Baumwollernte noch weit verbreitet gewesen sei. Angesichts der ständig steigenden Arbeitskosten und der Schwierigkeit, große Gruppen von Baumwollpflückern zu managen, hätten immer mehr örtliche Landwirte auf den Einsatz von Maschinen gesetzt. 2012 verließ sich bereits das Gros von Camiels Düngemittelkunden im Norden Xinjiangs auf diese Erntemaschinen. Bis 2017 waren nur noch Felder, die zu klein waren oder deren Zugang durch Stromleitungen oder schmale unbefestigte Straßen eingeschränkt war, auf Handpflücker für Baumwolle angewiesen, was jedoch mit wesentlich höheren Kosten verbunden gewesen sei. Der manuelle Pflückbereich sei im Vergleich zum gesamten Ernteertrag in Xinjiang heute tatsächlich sehr klein, so Camiel. „Die Darstellung, dass die Baumwollernte in Xinjiang nach wie vor von Hand durch vermeintliche Zwangsarbeit erfolgt, kann ich null nachvollziehen. Das deckt sich einfach nicht mit dem, was ich hier über all die Jahre mit eigenen Augen gesehen habe“, so das Fazit des Unternehmers.
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