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Japan verpasst Chance für Innovationen und Imagegewinn

Von Nils Bergemann  ·   2023-09-13  ·  Quelle:german.chinatoday.com.cn
Stichwörter: Japan
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Durch den jüngsten Beschluss der UN-Vollversammlung darf von heute an weltweit Hausmüll unkompliziert im Wald entsorgt werden. Auf Rückfragen hin wurde betont, dass der Verzehr gesammelter Waldpilze in üblichen Mengen unbedenklich bleibe und die Qualität des Grundwassers auch nicht beeinträchtigt werde. 

Ja, Sie haben Recht, diese Nachricht ist natürlich nicht wahr. Niemals könnten Umwelt- und Gesundheitsschutz so mit Füßen getreten werden und niemals würden Politiker das Startsignal geben für eine rücksichtslose Vergiftung des Ökosystems durch unkontrollierte Entsorgung von Abfällen. Oder doch?  

In unserem interdependenten Ökosystem verschmutzt dreckige Luft auch Gewässer und Grünflächen. Und vermüllte Meere „revanchieren“ sich – zum Beispiel mit Mikroplastik im Meeresfrüchtesalat. Dabei will ich an dieser Stelle betonen, dass nicht wir, die einfachen Menschen, bedenkenlos Plastikstrohhalme, Öl und anderen Müll in Seen oder Meeren verklappen, sondern dafür wenige besonders gierige und rücksichtslose Exemplare verantwortlich sind. 

Kommen wir zu Japan: Versuchen Sie bitte einmal, sich einen riesigen Würfel mit etwa 115 Meter Kantenlänge vorzustellen. Seine Wände sollen gut zwei Meter stark sein. Der Würfel ist aus einem extrem widerstandsfähigen Material und ist im Inneren in vier gleich große Einheiten unterteilt. Er hat ein Netto-Fassungsvermögen von etwa 1,34 Millionen Kubikmeter bzw. 1,34 Milliarden Liter.  

Entsteht dieses gigantische und ungewöhnliche Bauwerk gerade vor Ihrem geistigen Auge? Dann sehen Sie, welche Chance die japanische Regierung verpasst hat.  

Seit es vor mehr als zwölf Jahren im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi nach einem starken Erdbeben und einem verheerenden Tsunami zu Kernschmelzen gekommen war, werden die Reaktoren dort mit Wasser gekühlt, was ohne technische Innovationen noch lange so gehen kann. Japan hatte die bislang angesammelten 1,34 Milliarden Liter an radioaktivem Kühlwasser in rund 1000 Tanks gelagert, die zusammen also das Fassungsvermögen meines imaginären Würfels haben, und dann über Platzmangel geklagt: Plötzlich war für Japan die Verklappung im Meer zum einzigen Ausweg geworden. 

   

Stiller Prostest: Am 23. August protestieren Menschen in Seoul gegen Japans Entsorgung von radioaktiven Abwässern ins Meer. (Foto: Wang Yiliang/Xinhua)  

Die Internationale Atomenergieagentur IAEA hatte dem eigenwilligen Plan Japans schon Anfang Juli zugestimmt und verlautet, dass dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt „vernachlässigbar“ seien. Alternativen zur lässig beschlossenen Meeresverseuchung hatte sich wohl auch in der IAEA niemand vorstellen können.  

Eine Atomruine mit Wasser zu kühlen, potenziert natürlich das Problem, indem sekündlich die Menge an kontaminierten Material wächst. Japan hat die super Gelegenheit verpasst, an neuartigen wasserlosen Kühlungsmethoden zu forschen. Die japanische Zentralregierung hätte über das Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie hier Milliarden an Euro für entsprechende Forschungsprojekte bereitstellen können. Theoretisch hätte sich der Atomkonzern Tepco, der Betreiber des havarierten Kernkraftwerkes, auch finanziell beteiligen können. Dadurch hätte Japan zumindest sein Image verbessern können. 

Aber es scheint, dass es in der japanischen Regierung an Menschen mit Fantasie und Weitblick mangelt. Es reicht wirklich gesunder Menschenverstand aus, um vorauszusehen, dass der wirtschaftliche Schaden für Japan wegen der Verklappung das eingesparte Geld bei weitem übersteigen wird. Es war abzusehen, dass die chinesische Regierung und das chinesische Volk japanische Meeresprodukte boykottieren würden. In den chinesischen sozialen Medien war täglich der Ärger gewachsen, seit Japan seinen bequemen Schritt angekündigt hatte. Nicht verkaufte Krebse und Fische sowie ruinierte japanische Fischerfamilien sind wohl erst der Anfang.  

Ich habe kürzlich ein paar Deutsche und Chinesen gefragt, um einen besseren Eindruck von der Stimmungslage und dem Interesse an dem vieldiskutierten Thema zu bekommen. Die meisten meiner befragten Bekannten waren sofort bereit, ihre Meinung zu äußern und zeigten sich interessiert und gut informiert.  

Ein junger chinesischer Student aus Beijing sagte: „Ich bin schockiert über die Abwasseremissionen in Japan.“ Er wirft den Japanern vor, dass sie ihren Fehler nicht behoben hätten und das Ablassen des Abwassers ins Meer eine ernsthafte Umweltzerstörung darstelle.  

Mein chinesischer Freund Richard aus Dongguan, in der Provinz Guangdong erklärte: „Das ist so schädlich für die Menschen. Ich fühle mich traurig und enttäuscht.“ 

Dr. Katja Schmidt-Wistoff, Bibliotheksleiterin in Beijing hat sich auch einige Gedanken zum Thema gemacht: „Es wirkt zunächst erschreckend, und spontan fasst man sich an den Kopf, fassungslos, dass so etwas möglich ist. Wenn man aber nachliest, was die internationale Atomenergiebehörde dazu sagt, finde ich es im Moment dann schwierig, eine eindeutige Meinung zu formulieren.“  

Sie kenne sich aber nicht gut genug aus, um sich ein wissenschaftlich fundiertes Urteil zu erlauben. „Auf jeden Fall ist mir dabei mulmig. Gibt es keine anderen Möglichkeiten, als die Entsorgung ins Meerwasser?“  

Frau Yu aus Beijing, Angestellte im Bereich Finanzen, sagte, dass die chinesisch-japanischen Beziehungen seit langem sehr angespannt gewesen seien. „Deshalb war ich über eine solche Nachricht gar nicht überrascht. Anstatt sich über die internationalen Beziehungen zu sorgen, haben viele Chinesen größere Bedenken, dass wir in der Zukunft keine frischen Meeresprodukte essen dürfen. Und viele haben ihre Urlaubsreisen nach Japan ausfallen lassen. Die Wirkung wird vielleicht ein paar Monate oder Jahre anhalten.“  

Ein früherer deutscher Resident aus Shanghai hat eine klare Meinung: „Die Ableitung durch Japan sehe ich als unnötige Umweltverschmutzung an. War lang genug bekannt und hätte behandelt werden können.“ 

Nicht nur sehr viele Deutsche und Chinesen sind verärgert über den japanischen Alleingang und oft auch über die fehlende Transparenz. Umfragen zeigen, dass weltweit Bedenken und Entsetzen überwiegen. Und auch in Japan ist fast die Hälfte der Bevölkerung gegen die Meeresverseuchung. 

   

Am 24. August versammelten sich Japaner mit Slogans vor dem Hauptsitz der Tokyo Electric Power Company (TEPCO), um gegen die Pläne der japanischen Regierung und des Unternehmens zu protestieren, ungeachtet der öffentlichen Meinung nuklear verseuchtes Wasser ins Meer abzuleiten. (Foto: Yang Guang / Xinhua) 

Es sind vor allem die vielen offenen Fragen, die so viele Menschen stören. Zum Beispiel:  

Warum streckt Japan die Kühlwasser-Verklappung auf 30 Jahre, wenn schon jetzt angeblich fast alle radioaktiven Bestandteile herausgefiltert wurden? Und: Hofft man in Japan darauf, dass vielleicht bald neue Krisen die Aufmerksamkeit der Welt binden und sich niemand mehr dafür interessiert? 

Warum behält Japan dieses alle Grenzwerte unterschreitende „sichere“ Wasser nicht selbst, um es im eigenen Land zu nutzen, etwa zur Bewässerung? 

Andererseits könnten die Menschen auch ironisch fragen, warum man nicht fortan jeglichen Giftmüll, von Chemikalien bis hin zu Altöl, einfach billig in den Meeren verklappt. Denn in der scheinbaren Unendlichkeit der Ozeane kann doch offenbar jedes Problem bis zur Bedeutungslosigkeit verdünnt werden. 

Nun zum Schluss bitte ich Sie um ein weiteres Gedankenexperiment: Stellen Sie sich bitte vor, nicht Japan, sondern China wäre der Tatort. Wären die gleichen westlichen Politiker und Medien ebenso vorsichtig und nachsichtig gegenüber China wie gerade bei ihrem politisch Verbündeten? 

Der Mensch wird die Natur nie beherrschen, derzeit kann er nicht einmal Erdbeben langfristig voraussagen. Der Mensch kann aber viel tun, um schädliche Eingriffe in die Natur zu minimieren. Wir haben nur eine Erde und unser gemeinsames Schicksal ist von ihrem Zustand abhängig.  

Japan kann ein Zeichen setzen, die Verklappung beenden und mit der internationalen Gemeinschaft an einer sauberen, besseren Lösung arbeiten. 

*Nils Bergemann ist studierter Journalist mit langer Erfahrung als Redakteur und Kommunikationsexperte bei Verlagen und anderen Unternehmen. Zuletzt arbeitete er fünf Jahre für die China Media Group. Weiterhin in Beijing lebend unterrichtet er seit 2023 Deutsch, Sprachwissenschaften und Wirtschaft an der University of International Business and Economics. 

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