日本語 Français English 中 文
  • descriptiondescription
Startseite China International Wirtschaft Kultur Porträt Bilder Video
Startseite >> China

Man lernt nie aus: Seniorenbildung in China und Deutschland

Chen Yang und Zhai Wang*  ·   2025-09-25  ·  Quelle:cdd-online.com.cn
Stichwörter: Seniorenbildung;China;Deutschland
Druck
Email

Wie lässt sich der Ruhestand sinnvoll gestalten? Von Beijing bis Berlin entdecken immer mehr Senioren den Besuch von Universitäten oder anderen Bildungseinrichtungen als wertvolle Chance, um durch lebenslanges Lernen geistig fit zu bleiben. Und die Zielgruppe wächst: Laut UNO wird bis 2050 jeder sechste Mensch weltweit über 65 Jahre alt sein. Studien zeigen, dass kontinuierliche geistige Anregung die kognitiven Fähigkeiten schärft und altersbedingtem Abbauen entgegenwirkt. Die Teilnahme an Bildungsprogrammen im Alter fördert jedoch nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern trägt auch zum seelischen Wohl bei – durch soziale Integration und persönliche Erfüllung. Zudem nutzen manche Älteren Bildungsangebote gerne, um neue Freundschaften zu schließen und sich die Freude am Entdecken zu bewahren. Bildungsangebote für Senioren boomen weltweit. Kein Wunder: Sie tragen doch entscheidend dazu bei, das Wohlbefinden und die Lebensqualität im Alter zu steigern. 

 

Man lernt nie aus: Diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Seniorenuniversität in Hohhot in der Inneren Mongolei üben sich in Kalligrafie. 

Seniorenstudium in China: Institutionalisierung und kultureller Fokus 

Angesichts der rapiden Alterung der chinesischen Gesellschaft haben sich auch in China Bildungsangebote für Senioren zu einer zentralen Plattform entwickelt, um den geistigen Bedürfnissen älterer Menschen gerecht zu werden, allen voran Seniorenuniversitäten, vergleichbar mit deutschen Volkshochschulangeboten. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich China zu einem Vorreiter in der institutionalisierten Seniorenbildung aufgeschwungen. Mit über 100.000 solcher Universitäten und etwa 30 Millionen Lernenden – sowohl online als auch in Präsenz – verfügt das Land mittlerweile über das weltweit größte Netzwerk für Seniorenbildung. Die Gründung der Seniorenuniversität Shandong im Jahr 1983 markierte den Beginn dieser Entwicklung. Bis heute dient diese Universität immer noch als Modell für viele Einrichtungen solcher Art. 

 

Keine leisen Töne: Diese Älteren schlagen unter Anleitung eines jungen Musiklehrers an einer Chongqinger Seniorenuniversität kräftig in die Tasten. (Foto: 19. September 2024) 

Längst beschränkt sich das Kursangebot nicht mehr nur auf traditionelle Künste wie Malerei, Kalligraphie oder Gesang. Von praxisorientierten Kursen zu Smartphone-Bedienung und dem Umgang mit chronischen Erkrankungen über Hobbykurse wie Fotografie- und Videoproduktion bis hin zu fächerspezifischen Kursen wie deutsch-chinesische Lyrik oder die Grundlagen der künstlichen Intelligenz – die Kurspalette deckt ein breites Interessenspektrum ab. 

An der Chizhou-Seniorenuniversität in der Provinz Anhui findet gerade ein Smartphone-Kurs statt. Geduldig demonstriert eine Dozentin den Teilnehmenden, wie sich beliebte Apps wie WeChat und Alipay oder Navigationssysteme nutzen lassen. Auch lernen die rüstigen Rentnerinnen und Rentner, Videoanrufe zu tätigen, online einzukaufen und Nachrichten zu lesen, was ihr Leben enorm bereichert. Die 15-wöchige Lehrveranstaltung kostet lediglich 60 Yuan (etwa 7,50 Euro), was vier Yuan, also rund 50 Cent pro 90-minütiger Sitzung entspricht – ein symbolischer Beitrag, der den Bildungszugang bewusst niedrigschwellig hält. In den Kursen eignen sich die Teilnehmenden nicht nur Digitalkompetenzen an, sondern sie finden auch Gleichgesinnte und erfahren gesellschaftliche Anerkennung. 

An der Seniorenuniversität Shanghai erfreut sich Deutschunterricht besonderer Beliebtheit, da er Sprachvermittlung mit kulturellen Elementen verbindet, was das Lernen interessanter und praxisnäher macht. Der 72-jährige Sun Zhiqiang, einst Englischübersetzer, begeisterte seine Frau Lin Wenqin für das gemeinsame Sprachenlernen an der Universität. Nach mehr als drei Jahren intensiven Studiums haben die beiden Senioren großes Vertrauen in ihre Deutschkenntnisse. Letztes Jahr nahmen sie sogar an einer Exkursion teil und wagten sich auf eine Rheinreise. In Koblenz unterhielten sie sich mit Einheimischen auf Deutsch. Fast etwas gerührt erzählt Sun: „Ich war mein ganzes Leben lang mit Englisch beschäftigt und hätte nie gedacht, dass ich im Alter noch mal eine neue Sprache lernen würde, die mir ein Fenster in eine weitere fremde Kultur eröffnet.“ 

Neben Sprachkursen liegen auch Kultur- und Kunstkurse bei der betagten chinesischen Zielgruppe im Trend. Im Kalligraphie-Unterricht erproben die Teilnehmenden beispielsweise unter Anleitung des Lehrers minutiös und Strich für Strich die Feinheiten von Regel-, Kursiv- und Grasschrift, was die Magie der chinesischen Schriftzeichen hautnah erlebbar macht. Der Malereiunterricht reicht derweil von klassischer chinesischer Tuschetechnik bis hin zu modernen Stilen wie Öl- und Aquarellmalerei. Die Maltechniken bieten den Senioren ein Ventil, ihrer Innenwelt und Lebensfreude Ausdruck zu verleihen. Die Kurse sind für ältere Menschen nicht nur eine Chance zur künstlerischen Betätigung, sondern liefern auch ein Medium zum Selbstausdruck. 

Die betagten Schulbankdrücker schätzen die Senioren-Uni zudem als Plattform zum Knüpfen sozialer Kontakte. Hier lernen sie Gleichgesinnte kennen und tauschen sie sich über ihre Lernerfahrungen aus. Es ergeben sich aber auch spannende Gespräche mit der jüngeren Generation. Diese sozialen Interaktionen bereichern nicht nur das Geistesleben, sondern stärken auch das gesellschaftliche Zugehörigkeitsgefühl. Das bestätigt auch das Ehepaar Sun: „An der Seniorenuniversität erwirbt man nicht nur Wissen, sondern auch den Mut, die Welt zu erkunden.“ 

 

Auspowern beim Kampfsporttraining der Seniorenuniversität Hai’an in der Provinz Jiangsu (Foto: 24. März 2025) 

Seniorenbildung in Deutschland: Lebenslanges Lernen im gesellschaftlichen Wandel 

Der zunehmende Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung ist auch in Deutschland eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Mit der ältesten Bevölkerung Europas verfolgt die Bundesrepublik in Sachen Seniorenbildung einen ganzheitlichen Ansatz. Kern dabei bildet eine Politik des „aktiven Alterns“ durch Bildungsangebote, die Älteren gesellschaftliche Inklusion und Selbstverwirklichung ermöglichen, sodass sie bis ins hohe Alter geistig fit bleiben. 

Das deutsche Modell verankert die Seniorenbildung im Kontext des lebenslangen Lernens und fußt auf drei Säulen: Bildungszugang sichern, soziale Partizipation stärken und einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Ältere Menschen haben nicht nur einen Anspruch auf bildungsbezogene Selbstverwirklichung, sondern auch auf aktive Mitgestaltung der Gesellschaft. So führen die verschiedenen Fördermaßnahmen auch dazu, den Aufbau einer lernenden Gesellschaft voranzutreiben. 

 

Flusskrebs-Fotos: Diese Teilnehmerinnen der Seniorenuniversität in Xiangyang in der Provinz Hubei lichten ihre Kochergebnisse ab. (Foto: 13. Mai 2025) 

Deutsche Hochschulen und Universitäten verschaffen Senioren und älteren Erwachsenen Zugang zu reichhaltigen Studienangeboten und Bildungsformaten. Eine Möglichkeit ist das Studium als Gasthörender, ein Format, das gut ankommt und relativ niedrige Zugangsvoraussetzungen hat. Eine weitere Option ist ein Zertifikatsstudium, bei dem die betagten Studierenden nach Studienabschluss ein entsprechendes Abschlusszeugnis erhalten. Auch eine reguläre Einschreibung für einen Bachelor- oder Masterstudiengang ist möglich, hier können ältere Menschen einen offiziellen Abschluss erwerben. Zudem bieten Fernstudiengänge Senioren eine Fülle von Onlinebildungsangeboten mit flexiblen Teilnahmemöglichkeiten. 

Auch in Deutschland sind die Interessen und Bedürfnisse der Senioren breit gefächert, weshalb sich, wie in China, ein vielfältiges Angebot herauskristallisiert hat. Die Palette reicht von Geisteswissenschaften (Philosophie, Literatur) über Naturwissenschaften (Astronomie, Gerontologie) bis hin zu praxisorientierten Fächern wie Digitalkompetenz oder Gesundheitsvorsorge. Den größten Zulauf erhalten allerdings nach wie vor geistes- und sozialwissenschaftliche Kurse, insbesondere Unterricht in Philosophie, Geschichte und Literatur. 

Im Bereich der Naturwissenschaften bieten deutsche Seniorenbildungseinrichtungen Kurse in Astronomie, Psychologie und Medizin an, um aktuelle und alltägliche wissenschaftliche Kenntnisse zu vermitteln, Interesse an neusten Forschungsthemen zu wecken bzw. wachzuhalten und das Allgemeinwissen zu erweitern. In Sachen Praxiswissen stehen Gesundheitsvorsorge, Computeranwendungen und Sprachkurse im Fokus. Sie stärken das körperliche und seelische Wohlbefinden, verbessern die Lebensqualität und erhöhen die Selbstständigkeit in Zeiten des technologischen Wandels und bieten älteren Menschen so die Chance, mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten. 

Die deutsche Seniorenbildung legt besonderen Wert auf Interaktion und Praxisbezug, setzt auf flexible Lehrmethoden und innovative Formate. Beispielsweise bietet die Universität Erlangen-Nürnberg Senioren Zugang zu einer Fülle spezieller Programme ihrer Fachbereiche, darunter Vorlesungen, Gruppendiskussionen, Exkursionen und Praxisprojekte, wodurch die älteren Studierenden ihr Wissen erweitern oder neue Hobbys entdecken können. 

Besonders innovativ sind generationenübergreifende Projekte wie „Mehrgenerationenhäuser“, die Raum für Austausch und gemeinsame Aktivitäten zwischen Jung und Alt schaffen und dazu dienen, Generationenkonflikte zu mildern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Parallel dazu unterstützen berufliche Qualifizierungsprogramme die betagten Gasthörenden sogar beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, was hilft, die Leistungsfähigkeit im Alter auf Trab zu halten und gegebenenfalls auch finanziell zur Gesellschaft beizutragen. 

Divergente Zielsetzungen, gemeinsame Herausforderungen 

Während Deutschlands Seniorenbildung lebenslanges Lernen, gesellschaftliche Teilhabe und berufliche Weiterentwicklung in den Fokus rückt, legen die chinesischen Seniorenuniversitäten eher Wert auf kulturelle Bedürfnisse und Lebensqualität im Alter. Obwohl die Seniorenuniversitäten beider Länder jeweils eigene Besonderheiten und Schwerpunkte aufweisen, stehen sie doch auch vor gemeinsamen Herausforderungen. 

Ein gemeinsames Problem ist etwa der Mangel an qualifizierten Lehrkräften. Angesichts eines immer vielfältigeren Kursangebotes steigt zunehmend der Bedarf an Fachlehrkräften, die auf die Bedürfnisse älterer Lernender eingestellt sind. Zurzeit verfügen viele Lehrkräfte jedoch weder über ausreichende praktische Erfahrung noch über fundierte didaktische Kenntnisse, was die nachhaltige Motivationsförderung der älteren Lernenden erheblich erschwert. Ein weiteres Defizit zeigt sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung: Statt als ernstzunehmende Bildungseinrichtungen werden Seniorenuniversitäten häufig lediglich als Freizeiteinrichtungen betrachtet. Diese Fehleinschätzung drosselt bei vielen potenziellen Teilnehmern die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung.  

Dementsprechend schlagen einige Experten vor, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität und Reichweite der Seniorenbildung zu ergreifen. Hierunter fällt etwa eine Professionalisierung der Lehrkräfte und eine Entwicklung spezifischer pädagogischer Ansätze für ältere Lernende, was allerdings gezielte Fortbildungen für Lehrkräfte voraussetzt. Fachleute plädieren zudem für eine systematische Erforschung der positiven Effekte von Bildung im Alter auf die kognitive Gesundheit und das soziale Wohlbefinden mit anschließender Veröffentlichung der Forschungsergebnisse, damit Akteure aus allen Gesellschaftsbereichen die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile der Seniorenbildung besser erkennen. Auch Kooperationen zwischen Seniorenuniversitäten weltweit sind wünschenswert, um sich über bewährte Praxiserfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen. 

 

Gesangsunterricht vom Profi: Diese an das Kulturzentrum des Bezirks Hexi in der Stadt Tianjin angeschlossene Seniorenuniversität geht beim Unterricht bewusst auf den Musikgeschmack älterer Semester ein. 

„Man lernt nie aus“ 

In einer Welt, in der die Lebenserwartung stetig steigt, ist Bildung die beste Investition in einen erfüllten und aktiven Lebensabend. Viele Bildungsangebote unterstreichen die transformative Kraft der Seniorenbildung, da diese nicht nur Wissen vermittelt, die geistige Fitness stärkt und die kognitive Vitalität erhält, sondern auch neue Lebensperspektiven eröffnet, soziale Inklusion fördert und neuen Lebenssinn stiftet. Die Seniorenuniversitäten in China und Deutschland sind letztlich mehr als bloße Bildungseinrichtungen. Sie sind Labore gesellschaftlicher Innovation, die das Potenzial der älteren Generation sichtbar machen. Ganz wie ein chinesisches Sprichwort besagt: „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom – wer aufhört, treibt zurück.“ Die Seniorenuniversitäten zeigen, dass man nie zu alt ist, um neue Ufer zu erreichen. Es gilt mehr denn je: Bildung ist die beste Altersvorsorge. 

* Die Autorinnen sind von der School of European Studies an der Beijing International Studies University. Der Text enthält Ergebnisse eines Forschungsprojekts für Postgraduierte der Beijing International Studies University aus dem Jahr 2024 mit dem Titel: „Forschungsansätze zur Qualitätssteigerung chinesisch-deutscher Bildungskooperationen im Kontext des Aufbaus einer bildungsstarken Nation“. 

Die Meinung der Autorinnen spiegelt nicht unbedingt die Position unserer Website wider. 

 

 

LINKS:

Adresse: BEIJING RUNDSCHAU Baiwanzhuanglu 24, 100037 Beijing, Volksrepublik China


互联网新闻信息服务许可证10120200001 京ICP备08005356号-2 京公网安备110102005860号