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China verdient mehr Anerkennung für seinen Einsatz im Zweiten Weltkrieg |
Von Kerry Brown · 2015-09-09 · Quelle:Beijing Rundschau |
Stichwörter: Weltkrieg;Jahrestag | ![]() |
Der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs ist eine Chance für uns, einem bislang fast übersehenen Helden Tribut zu zollen
Kerry Brown ist Kommentator bei der Beijing Rundschau und Direktor des Zentrums für Chinastudien an der Universität von Sydney
Chinesische Soldaten im Kampf gegen die japanischen Angreifer in Shanghai am 13. August 1937 (XINHUA)
Das Shanghai von heute aus der Vogelperspektive (XINHUA)
Im September wird in Asien der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs begangen. Wenige Monate nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa endete auch der Krieg gegen Japan, das nach dem Abwurf von zwei Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima seine bedingungslose Kapitulation erklärte. Der Krieg in Asien begann früher und endete später als in Europa. Im Hinblick auf die Opferzahlen war es eivonner der vernichtendsten Konflikte, die die Menschheit jemals erlebt hat. Vorsichtigen Schätzungen zufolge kamen dabei allein 20 Millionen Chinesen um, 50 Millionen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. (Wikipedia und anderswo im Internet: 13,5 Millionen)
Es wird oft vergessen, dass China während des Zweiten Weltkriegs eine der entscheidenden Fronten im Kampf gegen den Faschismus war. Während der Konflikt in Europa erschöpfend dokumentiert wurde und man sich offiziell an ihn erinnert, ist sein asiatisches Gegenstück weit weniger gewürdigt und analysiert worden, zumindest im englischsprachigen Teil der Welt. Das ist bedauernswert. Vor allem China brachte große Opfer, seine Menschen erfuhren ungeheures Leid. Erst in den letzten Jahren haben Historiker wie Rana Mitter aus Oxford zu einem besseren Verständnis der Geschichte in der englischsprachigen Öffentlichkeit beigetragen. Wie Mitters Arbeit zeigt, hätten die kaiserlichen Truppen Japans ihren deutschen Verbündeten problemlos zu Hilfe eilen können, wenn Chinas Armeen nicht so mutig gekämpft und derart kolossale Anstrengungen unternommen hätten. Die Folgen wären katastrophal gewesen. Tatsache ist, dass Japan seine taktischen Probleme während seiner Eroberungsversuche in China niemals lösen konnte und unfähig war, weit in die großflächigen ländlichen Regionen vorzustoßen. Es blieb von Anfang bis Ende an den Krieg in China gefesselt und von ihm beansprucht. Seine Versuche, den Kriegsschauplatz auf den Rest der Pazifikregion und Amerika auszuweiten, waren vor allem wegen dieser Auseinandersetzung zum Scheitern verurteilt.
Der Zweite Weltkrieg zeigte, zumindest aus Sicht Chinas, wie eine weitgehend agrarische und unterentwickelte Wirtschaft gegen eine modernisierte Industrienation ausgespielt wurde. Seit der Meiji-Restauration über ein Jahrhundert zuvor (in den 1860er Jahren) importierte Japan westliche Technologie und durchlief einen Modernisierungsprozess, so dass es in den 1930er Jahren über beachtliche militärische Ressourcen verfügte. Das Gefühl von technologischer Überlegenheit und Fortschrittlichkeit gepaart mit einer enormen nationalistischen Arroganz und Ambition waren die toxische Mischung, die es dazu ermutigten, zunächst Nordostasien und nach 1937 auch den Rest der Region in eine verheerende Schlacht hineinzuziehen.
China, das während dieser Zeit politisch und wirtschaftlich geteilt war und zunehmend schwächer wurde, trug die Hauptlast dieses Angriffs. Die erste Kriegsphase nach 1937 bestand aus Provokationen und gewaltigen Militärschlägen der japanischen Streitkräfte im Nordosten Chinas. Sie konnten erfolgreich ein Drittel des Landes annektieren und machten den Rest zum Kriegsgebiet. Japan nutzte Arbeitskräfte und wirtschaftliche Ressourcen Chinas, um seine Ambitionen in anderen Teilen Asiens verstärkt zu verfolgen. Seine Reaktion auf den anfänglichen Widerstand Chinas war brutal und gnadenlos, durch seine Taktik der totalen Vernichtung wurden ganze Gemeinden und Landstriche Chinas stark dezimiert.
Kriegsgräuel
Mit dem Massaker an mehr als 300.000 Zivilisten und entwaffneten Soldaten in Nanjing, der damaligen Hauptstadt Chinas, verübte die japanische Armee 1937 eins der ungeheuerlichsten und unmenschlichsten Kriegsverbrechen der modernen Geschichte. Augenzeugenberichte von Ausländern, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Stadt aufhielten, berichten vom allgegenwärtigen Abschlachten von Männern, Frauen und Kindern, Vergewaltigungen und dem unsäglichem Leiden der Bevölkerung, die den nach Nanjing einrückenden japanischen Streitkräften hilflos ausgeliefert war. Die Tatsache, dass einige Japaner bis heute das Ausmaß der Zerstörung in Nanjing verleugnen, sorgt für tiefgehenden Unmut und Zorn. Das ist verständlich. Das Ausmaß des Leidens abzustreiten, bedeutet, eine sowieso schon gigantische Ungerechtigkeit um weitere Verletzungen zu vergrößern. Es beleidigt die Erinnerung an diejenigen, die damals in der Stadt den Tod fanden, ihre Verwandten und diejenigen, die sich an sie erinnern.
In Shanghai errichteten die japanischen Streitkräfte eine Kriegsfront innerhalb einer dicht besiedelten Region der Stadt. Fotos aus dieser Zeit zeigen Kinder mit schweren Verbrennungen, die von ihren Eltern – selbst verwundet oder ermordet – verlassen worden waren. Andere Bilder zeigen, wie chinesische Kriegsgefangene in Gruben getrieben wurden, bewacht von japanischen Soldaten, die zusahen, wie sie lebendig begraben wurden.
In seiner einflussreichen Hitler-Biographie spricht der britische Historiker Ian Kershaw davon, wie Nazi-Deutschland, einst ein zivilisiertes und kultiviertes Land, durch die hasserfüllte und hetzerische Ideologie der Nazis den Zusammenbruch seiner Zivilisation und die Perversion seiner Werte erlebte. Gewalttätigkeit in Wort und Tat wurde beinahe zur Normalität während der Hitler-Zeit mit ihrer Verehrung roher Gewalt und ihrer Missachtung des Werts menschlichen Lebens. Im kaiserlichen Japan herrschte derselbe Mangel an Menschlichkeit. Der Ehrgeiz der Anführer des Tokioter Regimes bestand darin, eine gewaltige „Großostasiatische Wohlstandssphäre" zu schaffen, ein Programm, das eine geradezu unheimliche Ähnlichkeit zum nationalsozialistischen Konzept des Lebensraums aufweist. Im Kern verbarg sich dahinter einfach nur das Eigeninteresse eines Regimes, das allein auf Herrschaft ausgerichtet war und sich den Ideen der rassischen Überlegenheit verschrieben hatte, die die grausame Behandlung der Nachbarländer rechtfertigen sollte.
In den Jahren bis 1945 fand eine der großen Schlachten gegen die gefährliche imperialistische Weltsicht der Japaner und die brutalen Methoden, die sie zu ihrer Verwirklichung einsetzten, statt. Millionen von Chinesen zahlten dafür mit dem Leben. Viele wurden im Krieg getötet, eine erschreckend hohe Zahl starb infolge der Misshandlungen in Kriegsgefangenschaft oder sie wurden durch die kaiserlichen Truppen versklavt. Nehmen wir die Trostfrauen (ein japanischer Euphemismus für rund 200.000 Frauen, die während des Krieges in die Prostitution gezwungen wurden), ein tragisches Thema, das auch 70 Jahre nach dem Krieg noch bewegt und so viele Auseinandersetzungen und Verletzungen hervorruft wie in den Jahrzehnten zuvor. Dass so viele Frauen entführt und brutal missbraucht wurden und unter so harten Bedingungen leben mussten, ist kaum zu glauben. Und doch war es Teil der Kriegsrealität im Asien der 1940er Jahre.
Lernen aus der Vergangenheit
China durchlebte im Anschluss an die Invasion weitere Unruhen im Bürgerkrieg. Nach 1949 begann der lange Prozess des Wiederaufbaus. Heute ist China nicht mehr wiederzuerkennen, es hat mit dem Land, dessen Verkehrsinfrastruktur ab 1937 stark zerstört wurde, fast nichts mehr gemein. Der Traum von einem modernisierten China, der gegen Ende der Qing-Dynastie vor 1911 begann, Gestalt anzunehmen, ist mittlerweile in einigen Teilen bereits Realität. Städte wie Shanghai und Beijing, die noch vor 1945 Schlachtfelder waren, werden heute durch moderne Wolkenkratzer und eine aufstrebende Mittelklasse von globaler Bedeutung dominiert, die zu den ehrgeizigsten und wohlhabendsten in der asiatischen Region zählt.
Für moderne Chinesen mag der Zweite Weltkrieg heute nur eine entfernte Erinnerung sein. Nur wenige haben noch eigene Erinnerungen daran. Schauplätze der traumatischsten Kriegsereignisse wie Nanjing sind vollständig wiederaufgebaut worden. Japanische Unternehmen und Touristen besuchen China, beide Länder investieren ineinander und pflegen umfangreiche und vielseitige Verbindungen.
Dennoch lauert der Zweite Weltkrieg immer noch im kollektiven Gedächtnis des Landes. Er ist ein Ereignis, an das man sich weiterhin erinnert und über das in der Öffentlichkeit diskutiert wird, allgemein wird er als eine Zeit großer Verletzungen und Verluste wahrgenommen. Die meisten sind der Ansicht, dass man sich daran erinnern muss, damit sich der sinnlose Verlust von Leben und die Zerstörungen durch den Krieg nicht wiederholen. Noch stärker als vielleicht in Europa sahen die Chinesen ihr Land einem so bösartigen und erbarmungslosen Angriff ausgesetzt, dass viele sich fragten, ob es jemals in der Lage sein würde, sich davon zu erholen. Wenn sie sich am Ende durchgesetzt hätte, hätte die kaiserliche japanische Armee dieselbe unmenschliche Schreckensherrschaft ins Land gebracht, die sie vor ihrer Niederlage in China und anderswo bereits teilweise in die Tat umgesetzt hatte.
Daher ist der 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges nicht nur in Asien, sondern in der ganzen Welt ein Grund zum Feiern. Er markiert die Bezwingung einer der schlimmsten und grausamsten Kriegsmaschinerien, die die Welt jemals erlebt hat, nicht nur für die Chinesen, sondern für die gesamte menschliche Rasse. Die Chinesen standen den alliierten Streitkräften im gigantischen Kampf gegen den Faschismus zur Seite und zahlten einen genauso hohen – vielleicht sogar höheren – Preis wie viele andere. Dieser Beitrag zum Wohlstand und zur Stabilität der modernen Welt sollte niemals vergessen werden, der Heroismus und das Opfer der Chinesen sollten gefeiert und mit erhobener Stimme und voller Stolz anerkannt werden.
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