Erstmals wurden Medien und Kritiker im Jahr 1985 auf Mo Yan und sein Schaffen aufmerksam. Damals veröffentlichte Mo seine Novelle „Der kristallene Rettich".
Hunger ist ein Motiv, dass Mo Yan in seinen Werken nicht loslässt, es ist sogar eine der Quellen und in gewissem Sinne die Antriebskraft seines literarischen Schaffens. Schon als Kind fasste Mo den Entschluss, Schriftsteller zu werden. „Weil mir damals ein Student aus dem Nachbardorf, der zur Umerziehung aufs Land geschickt worden war, sagte, dass man als Schriftsteller jeden Tag drei mal Teigtaschen gefüllt mit fettem Schweinfleisch und Chinakohlen essen könne", erinnert sich Mo.
Mo Yan stammt aus einer einfachen Bauerfamilie. Er kam Mitte der 1950er Jahre in Gaomi, Provinz Shandong, zur Welt. Zwischen 1959 und 1961 erlebte die Region eine der größten Hungernöte ihrer Geschichte. Der Hunger veränderte alles. Jedes Kind in seinem Dorf glich einem hungrigen Hund, der den ganzen Tag auf der Suche nach Nahrung durch die Gegend streifte, erinnert sich Mo. Aus heutiger Sicht Ungenießbares wie Blätter, Baumrinde, Zikaden, Heuschrecken, sogar Erde und Kohlen, galten Mo Yan und seinen Freunden damals als wahre „Delikatessen".
„ ,Das rote Kornfeld' handelt meiner Meinung nach von Geschichte und Liebe, während ,Die Schnapsstadt' mein Bedauern über den moralischen Sittenverfall und meinen Hass gegenüber der Korruption spiegelt. Obwohl die zwei Romane ganz unterschiedlich sind, sind sie tief in ihrer Seele verbunden: Was ich formuliere, ist der Wunsch eines hungrigen Kindes, das immer Angst hat, nicht satt zu werden", erklärt Mo Yan im Exklusiv-Interview mit der Beijing Rundschau. „Als ich Schriftsteller wurde, habe ich begonnen, mich an das Gefühl der Einsamkeit aus meiner Kindheit zurück zu erinnern, es war, wie wenn ein Mann, den man an eine Tafel mit den köstlichsten Delikatessen setzt, sich an die Zeit des Hungers zurückerinnert."
In vielen Romanen spiegelt sich die Kindheit des Schriftstellers wider und Mos reale Heimat Gaomi dient ihm zweifellos auch als literarische Heimat, in der sich die meisten seiner Geschichten abspielen. Dabei gelangte Gaomi schon viel früher zu einer gewissen Berühmtheit. Das Dorf besitzt eine mehr als 2200 jährige Geschichte und hat vor Mo schon einige Berühmtheiten hervorgebracht. Traditioneller Scherensschnitt, Lehmbildhauerei und die Puhui-Frühlingsfestbilder, die in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden, gelten als die drei Schätze der lokalen Volkskunst. Noch heute kehrt Mo stets in seine Heimat zurück, um zu schreiben. Alle Themen seiner Werke stammen aus seinem Leben in Gaomi.
Während der "Kulturrevolution" (1966-1976) musste Mo Yan die Schule abbrechen und arbeitete mehrere Jahre auf dem Land. Fast den ganzen Tag verbrachte er draußen auf der Weide. „Ich verstehe bis heute Rinder besser als Menschen", sagt Mo. „Ich kenne ihre Launen, ihre Gefühlausdrücke, weiß sogar, woran sie denken, während sie mir gegenüber völlig gleichgültig ganz ruhig ihr Grass fressen und ich mit dem Rücken im Weideland liege und im Himmel den Bewegungen der Wolken zusehe..."
Mo begann immer öfter, Selbstgespräche zu führen und dabei leise vor sich hin zu sprechen. „Damals war ich tatsächlich außerordentlich talentiert, literarisch hochbegabt und von großer Eloquenz", sagt der heutige Nobelpreisträger über sich selbst. „Nicht selten kam es vor, dass ich in Reimen sprach."
Eines Tages sah ihn seine Mutter überrascht, wie er vor einem Baum so vor sich hin murmelte. Zuhause sprach sie Mos Vater darauf an und fragte: „Ist unser Kind krank?" Später, als Mo Yan etwas älter war, arbeitete er für die Produktionsbrigade. Dass er gerne sprach, galt dabei eher als Unzulänglichkeit und brachte Mos Familie viel Ärger. „Eines Tages kam meine Mutter völlig verbittert zu mir und sagte: ‚Kannst du nicht einfach aufhören, zu sprechen?' Von ihrem Gefühlausbruch war ich total bewegt und schwor, nicht mehr vor Publikum zu reden. Aber schon bei der nächsten Gelegenheit, als ich mit anderen zusammentraf und einmal den Mund aufgetan hatte, konnte ich förmlich nicht mehr aufhören zu reden. Im Nachhinein hatte ich ein richtig schlechtes Gewissen, dass ich meine Mutter wieder enttäuscht hatte", erzählt Mo. Als Mo mit dem Schreiben begann, ersann er deshalb den Künstlernamen „Mo Yan", was auf Chinesisch etwa „ohne Worte" oder „nicht sprechen" bedeutet. |