17-08-2012
Chinas Anspruch auf Seltene Erden
Umweltrisiken durch den Abbau Seltener Erden

Dalahai ist ein kleines Dorf in der Inneren Mongolei. Es liegt in der zu Baotou gehörenden Gemeinde Haye Hutong. Früher war das Dorf von Landwirtschaft und Viehzucht geprägt. Im Sommer war es ein idyllischer Ort voll saftiger grüner Hügel und üppigem Weideland, auf denen Rinder- und Schafherden grasten. Aber heute ist es ein totes Dorf. Krebserkrankungen haben sich wie eine Epidemie verbreitet. Vor neun Jahren hat die örtliche Verwaltung Dalahai als „Verseuchtes, zum Leben ungeeignetes Dorf" bezeichnet.

Li Guirong, ein alter Mann aus diesem Dorf, führt die Umweltprobleme auf den Abbau Seltener Erden zurück.

Die Metalle der Seltenen Erden sind eine Gruppe von 17 Elementen des Periodensystems. Ihre einzigartigen magnetischen und phosphoreszierenden Eigenschaften machen sie zu unverzichtbaren Stoffen bei der Herstellung von Hightech-Produkten wie Autobatterien, Windkraftanlagen oder Legierungen für die Raumfahrt. In Baotou im Norden und Ganzhou im Süden Chinas liegen zwei der wichtigsten Vorkommen an Seltenen Erden. 1958 begann man in der Nähe von Dalahai mit dem Abbau der wertvollen Metalle. Nur zwei Kilometer vom Dorf entfernt wurden eine Staumauer und ein Auffangbecken errichtet, mit einer Fläche von elf Quadratkilometern entstand der weltweit größte „See für Seltene Erden".

Li erzählt, damals sei man völlig ahnungslos gewesen. Ende der 1980er Jahre zeigte sich dann, dass etwas nicht stimmte. Die Vegetation veränderte sich, das Gemüse wurde nicht reif, Früchte blieben klein und rochen unangenehm. Später wuchs das Gemüse überhaupt nicht mehr. Schließlich mussten die Bauern rund um Dalahai den Ackerbau einstellen. Nachforschungen der Umweltschutzbehörde von Baotou ergaben, dass die Vegetation durch den Abbau Seltener Erden geschädigt worden war. Regierung und Abbauunternehmen zahlen den örtlichen Bauern nun jedes Jahr Subventionen als Entschädigung für ihre Einbußen in der Landwirtschaft.

Aber die Situation verschlechtert sich weiter. Seit einigen Jahren sind Boden und Grundwasser mit chemischen Giftstoffen belastet. Fenster sind nur wenige Tage nach dem Putzen erneut mit grünbraunem Schimmelpilz bedeckt. Die meisten Rinder, Pferde, Schafe, Schweine und Hühner zeigen Vergiftungserscheinungen. Immer mehr Einwohner erkranken an Krebs.

Langjährige Forschungen, an denen auch Professor Cheng Xing'an vom Chinesischen Institut für Strahlenschutz beteiligt war, zeigten, dass das Einatmen von Thorium-Staub aus Seltenen Erden langfristig zu Lungenkrebs führen kann.

Außer an Krebs leiden die Dorfbewohner häufig an Osteoporose und halbseitigen Lähmungen. Immer mehr Bewohner verlassen aus Angst ihr Dorf. Von ursprünglich 2000 Einwohnern leben nur noch 100 ältere Menschen hier, weil sie ihre Heimat nicht verlassen wollen; die Häuser verfallen.

Diese Situation ging den chinesischen Beamten zu Herzen. Am 20. Juni präsentierte Su Bo, stellvertretender Minister für Industrie und Informatik, Fotos aus dem Brief eines Dorfbewohners auf einer Pressekonferenz. Ein Foto zeigte das verschmutzte Trinkwasser, ein anderes kahle Berghänge, deren Vegetation durch den Abbau Seltener Erden zerstört worden war.

„Die Verschmutzung kann nur zum Teil wieder behoben werden. Wie aber kann man Gesundheit und Leben der Bevölkerung in so einer Umwelt überhaupt bewahren?", fragte Su.

Im März machte sich Su Bo als Leiter einer Untersuchungskommission in Ganzhou ein Bild vom Abbau Seltener Erden. Er zeigte sich geschockt vom Ausmaß der Umweltverschmutzung und Ressourcenzerstörung. Allein für die Behebung der Umweltschäden seien Ausgaben von 38 Milliarden Yuan nötig, ganz zu schweigen von der Zeit, die es brauche, um die Umwelt wieder in einen besseren Zustand zu versetzen.

„China deckt 95 Prozent des weltweiten Angebots an Seltenen Erden ab, verschmutzt dabei aber seine eigene Umwelt immens", so Su.