16-03-2012
Schwarzes Brett
Themenführung: „Nachtseiten – Ironie und Kritik im Bild“

Themenführung: „Nachtseiten – Ironie und Kritik im Bild"

Themenführung
23.03.2012, 14:00 – 16:00; 24.03.2012, 10:30 – 12:30
National Museum of China, Dong Chang'an Street No. 16, Beijing
Chinesisch


Anmeldung per Email an:
Mail Symbolticket@peking.goethe.org

Die von wechselnden Experten angebotenen Themenführungen orientieren sich an den neun Ausstellungskapiteln der „Kunst der Aufklärung" und bieten eine Vertiefung dieser Themenschwerpunkte. Sie werden in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Museen zu Berlin, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München und dem Goethe-Institut China entwickelt. Im März bei der letzten Themenführung liegt der Fokus auf dem Thema „Nachtseiten – Ironie und Kritik im Bild".

Im 18. Jahrhundert löste sich in Europa unter dem Eindruck der Aufklärung das vom christlichen Glauben geprägte einheitliche Weltbild auf. Die Menschen begannen, sich selbst als Wesen zu verstehen, die rational erfasst und interpretiert werden können. Zweifel und Kritik wurden systematisch eingesetzt, und die Vernunft avancierte zum einzigen Werkzeug der Erkenntnis. Aber dies erzeugte neue Sorgen und Probleme und brachte auch neue Gefahren mit sich: So wurde in erster Linie den materiellen Bedürfnissen der Menschen Beachtung geschenkt und die Vernunft von moralischen Zwängen befreit, was wiederum zu einer Enthemmung der Menschen und in der Folge zu moralischen Verfehlungen führte. Dies löste in den Menschen, die sich dabei auf sich selbst zurückgeworfen fanden, neue Ängste aus. Die Menschen erkannten die Abgründe ihrer Seele und begriffen, dass diese Aspekte ihres Selbst genauso Teil ihrer selbst sind wie die hellen, rationalen Seiten.

Die Hinwendung zu diesen „Nachtseiten" der menschlichen Seele hatte auch Auswirkungen auf die künstlerische Produktion. Der überkommene Schönheitsbegriff, der aufs Engste mit einer göttlichen Weltordnung und einer einheitlichen Ästhetik verbunden war, wurde durch diese neuen künstlerischen Auffassungen herausgefordert. Das Schöne wurde in Frage gestellt, das Hässliche und Groteske, das Unheimliche und das mit der Vernunft nicht zu verstehende Erhabene faszinierten die Künstler. Einer akademischen, doktrinären Kunst, die im Dienste des Schönen stand, stand nun ein künstlerischer Stil gegenüber, der alle Regeln durchbrach und dem Individualismus huldigte. In vielen Werken, die in diesem neuen Stil geschaffen wurden, dominierten angstbesetzte Sujets.

Diese Infragestellung der traditionellen Ästhetik, die bis zur Provokation reichte, bildete eine unübersehbare frische Kraft in der Kunst des 18. Jahrhunderts. Die Anerkennung der dunklen Seiten des Menschen, die sich hinter der Bejahung der Gesellschaft und einem optimistischen Blick versteckte, führte zu einer Befreiung der Kreativität, wie sie bis heute die Grundlage der modernen Kunst darstellt. Anlässlich der siebten Themenführung im Rahmen der Ausstellung „Kunst der Aufklärung" - „Nachtseiten", laden wir Kunsthistoriker ein, die dem Publikum einschlägige Werke und die dahinterliegenden Geschichten nahebringen.

Referenten:
Li JianQun, Professorin und Pädagogin im Lehrstuhl der Fakultät für ausländische Kunstgeschichte der China Central Academy of Fine Arts. Gleichzeitig fungiert sie als Beirat des Chinese Museum of Women and Children und ist u.a. auch im Verband der Beijing Women Professors' Association tätig. Ihr Hauptforschungsgebiet beinhaltet lateinamerikanische Kunst, mittelalterliche Kunst, britische Kunst, westliche feministische Kunst sowie zeitgenössische feministische Kunst aus China.

Shao YiYang, Associate Professor und Vorstand des Lehrstuhls für ausländische Kunstgeschichte an der China Central Academy of Fine Arts. Promovierte an der Sydney University (Kunstgeschichte) und lehrt am Institut für Kunstgeschichte der humanistischen Fakultät der China Central Academy of Fine Arts. Forschungsschwerpunkt: westliche Kunstgeschichte, Praxis und Theorie der abendländischen modernen Kunst.