08-10-2011
Schwarzes Brett
Szenische Lesungen Reihe V: „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hat

Szenische Lesungen Reihe V: "Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hat"

Museumspädagogisches Begleitprogramm zur Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung"

Lesung
22.10.2011, 14.00 - 16.00
Theater des National Museum of China
Dong Chang An Str. Nr. 16
10 RMB
Veranstalter: Goethe-Institut China
                      Nationalmuseum China

Als Begleitprogramm der Ausstellung „Kunst der Aufklärung" wird das Goethe-Institut China am 22.10. die fünfte Szenische Lesung mit dem Titel „Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder die Stützen der Gesellschaft" von Elfriede Jelinek präsentieren.

Elfriede Jelinek gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautorinnen und erhielt 2004 als zehnte Frau den Nobelpreis für Literatur. "Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder die Stützen der Gesellschaft" ist das erste Theaterstück der aus Österreich stammenden Autorin und wurde 1979 uraufgeführt.

Das 1977 erschiene Schauspiel ist eine freie Fortschreibung der Frauenfigur aus Henrik Ibsens Werk Nora oder ein Puppenheim von 1879. Das Schauspiel - Zeit der Handlung sind die 1920er Jahre -  setzt beim Schluss der Ibsen-Version ein, der die Dramenfigur der Nora beim Verlassen ihres ehelichen Heimes darstellt.  Jelineks Figur findet sich als Angestellte einer Textilfabrik wieder. Die Perspektive ihrer Selbstbestimmung sowie die Ausbildung einer eigenen Persönlichkeit, wie sie Ibsen seiner Frauenfigur zuschreibt, bleibt Jelineks Nora verwehrt. Aus Verzweiflung heraus lässt sie sich auf eine Liaison mit dem Besitzer der Textilfabrik ein und wird schnell zum Instrument seiner ökonomischen Interessen. Nora gerät in einen Strudel aus kapitalistischen Machenschaften, erfährt brutale Abhängigkeit, sexuelle Ausbeutung und wird am Ende von ihrem Liebhaber verlassen und kehrt schließlich dorthin zurück, wo ihr Aufbruch in die gescheiterte Selbstbestimmung begonnen hatte – in die Arme ihres Mannes.

Jelineks Fortsetzung der Wege von Nora offenbart sich als eine klarsichtige, pessimistische Kritik idealistischer Vorstellungen des Feminismus. Damit entlarvt Elfriede Jelinek die weibliche Selbstfindung von Ibsens Frauenfigur als reine Utopie. Ihr Drama lässt in keinerlei Hinsicht Hoffnung auf eine Überwindung der dominierenden Männerwelt aufkommen und zeigt mit der auswegslosen Situation der Nora ihre drastische Kritik an der patriarchalischen Ordnung des Kapitalismus.