29-04-2010 Beijing Rundschau
Geschichte Shanghais: Die Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
 

1904 hat die Stadt 651 000 Einwohner, von denen etwa 110 000 in den internationalen Konzessionen leben. Von den Bewohnern der Konzessionsgebiete sind 100 000 Chinesen und 10 000 Ausländer.

1920 überschreitet die Bevölkerung bereits die Millionengrenze, unter ihnen 26 000 Ausländer. Diese „Shanghailanders" leben oft jahrzehntelang in der Stadt, manche Familien seit mehreren Generationen. In den zwanziger und dreißiger Jahren kommen noch einmal rund 20 000 Russen und russische Juden auf der Flucht vor der Herrschaft der Bolschewiken nach Shanghai. 1932 ist Shanghai die fünftgrößte Stadt der Welt und hat eine ausländische Bevölkerung von 70 000 Menschen. Auf der Flucht vor den Nazis gelangen in den 30er Jahren rund 30 000 Juden nach Shanghai – unter ihnen 6 000 Juden aus Österreich - , für die meisten von ihnen bleibt Shanghai jedoch eine Durchgangsstation bis zur Einreise in die USA.

Zwar sorgt die Ansiedlung von Leichtindustrie (Baumwoll- und Seidenspinnereien, Papier- und Getreidemühlen) und Schiffswerften (auf dem heutigen Expo-Gelände) für das Entstehen eines industriellen Proletariats - was für das politische Schicksal der Stadt noch wichtig werden sollte -, vorherrschende „Wirtschaftszweige" waren neben dem Transportwesen jedoch nach wie vor Drogenhandel, Prostitution und Glücksspiel. Schillernde Figuren wie Du Yuesheng (1887-1951) haben das Bild Shanghais nachhaltig geprägt. Als Chef der „Grünen Triade" gelingt es ihm mit Hilfe von Huang Jinrong, dem Chef der chinesischen Polizei des französischen Konzessionsgebiets, den Opiumhandel, die Glücksspiel-Szene und die Bordellbetriebe unter seine Kontrolle zu bekommen und zum mächtigsten Gangsterboss Shanghais aufzusteigen. Die französischen Verwaltungsbeamten waren vom chinesischen Polizeichefs durch Geldzahlungen und Gunsterweisungen vollständig korrumpiert, so dass die Triaden in der Stadt frei schalten konnten. Du Yuesheng wird Mitglied des Stadtrates der französischen Konzession. Als Belohnung für seine Rolle beim Massaker an Arbeitern und Kommunisten im April 1927 wird er von Chiang Kai-shek zum Chef des „Büros zur Bekämpfung des Opiumshandels" ernannt, was ihm durch die Herstellung von Ersatzdrogen weitere umfangreiche Verdienstmöglichkeiten eröffnet. „Großohr Du", wie er genannt wurde, stirbt 1951 in Hongkong kurz vor einer Rückkehr nach Shanghai, die ihm von der Stadtverwaltung der Kommunistischen Partei Chinas in Aussicht gestellt worden war.

1921 findet auf Initiative der Komintern die Gründungsversammlung der Kommunistischen Partei Chinas in Shanghai statt. Die internationale Atmosphäre der Stadt und die teils unklaren Machtverhältnisse begünstigen die konspirativen Aktivitäten der Kommunisten, von denen viele zugleich Mitglieder der Kuomintang sind, der Partei Dr. Sun Yatsens. In der Folgezeit organisieren die Kommunisten eine Gewerkschaftsbewegung und mit deren Hilfe die ersten Streiks unter der Industriearbeiterschaft Shanghais. Am eindrucksvollsten geriet die so genannte „Bewegung des 30. Mai". Am 15. Mai 1925 hatten Wachen einer japanischen Textilfabrik in Shanghai einen chinesischen Arbeiter erschossen. Als Antwort darauf demonstrieren am 30. Mai in den Straßen der Stadt 2000 Studenten. Britische Einheiten eröffnen das Feuer und töten zehn Demonstranten. Die Folge: ein Streik von 160 000 Arbeitern und Unruhen im ganzen Land.

Am 12. April 1927 kommt es zum „Massaker von Shanghai". Truppen der Kuomintang unter Führung von Chiang Kai-shek stehen im März zur Eroberung der Stadt bereit, die sich im Herrschaftsbereich eines regionalen Militärmachthabers befindet. Die mit der Kuomintang verbündeten Kommunisten und Gewerkschafter organisieren einen Aufstand, um vor dem Einmarsch der Kuomintang-Truppen die Machtverhältnisse in ihrem Sinne zu regeln. Chiang Kai-shek hingegen verbündet sich mit den Triaden der Stadt gegen die Kommunisten. Einer Verhaftungswelle und Straßenkämpfen fallen am 12. April 1927 bis zu 5 000 linke Aktivisten zum Opfer. Auch in anderen Städten kommt es zur Verhaftung prominenter Kommunisten. Das Massaker bezeichnet den Bruch zwischen Kuomintang (Nationalisten) und Kommunisten und leitet die erste Phase des Bürgerkrieges ein.

Am 28. Januar 1932 bombardieren japanische Marineflieger Shanghai unter dem Vorwand, chinesische Studentenproteste zu zerstreuen, die sich nach dem Einmarsch der Japaner in die Mandschurei formiert hatten. Chiang Kai-shek nimmt den Kampf auf und sendet Truppen, die die Japaner in Straßenkämpfen verwickelt. Schließlich muss er seine Truppen jedoch zurückziehen. Im Mai wird ein Waffenstillstand vereinbart, der die Präsenz chinesischer Truppen in Shanghai verbietet. Die Stadt wird trotz eines kleines japanischen Truppenkontingents in der japanischen Konzession praktisch bis 1937 zu einer demilitarisierten Zone.

Nach Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges nach dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke am 7. Juli 1937 in Beijing versuchen Truppen Chiang Kai-sheks durch die Besetzung Shanghais und die Vertreibung der Japaner eine zweite Front zu eröffnen. Die von August bis November 1937 dauernde Aktion schlägt jedoch fehl und endet mit der Besetzung Shanghai und der Eroberung Nanjings durch die Japaner. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs im Pazifik durch den Angriff der Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 respektierten die Japaner die internationalen Konzessionsgebiete. Danach dehnten sie ihren Herrschaftsbereich auch auf diese Teile Shanghais aus und können sich bis zur bedinglosen Kapitulation aller japanischer Truppen am 2. September 1945 halten.

 

 

 


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