Der Interviewpartner: Liao Zhijun, männlich, 26 Jahre alt, Ingenieur im U-Bahnbau
Geburtsort: Kreis Ningdu, Provinz Jiangxi
Aufenthaltsort: Hangzhou
Besuchte Städte: Ganzhou, Beijing, Shanghai, Hangzhou
Seine Vorstellung von „Better City, Better Life":Nach meiner Vorstellung soll die ideale Stadt nicht nur über möglichst gute Verdienstmöglichkeiten für seine Bürger verfügen, sondern auch die geistig-kulturellen Bedürfnisse des Volkes gut befriedigen können. Die klimatischen Verhältnisse müssen auch stimmen, und die Umwelt soll sauber sein.
Was Liao Zhijun erzählt:
In Hangzhou gibt es herrliche Berge und klares Wasser, die Verdienstmöglichkeiten sind zwar nicht so gut wie in Shanghai, aber schon nicht schlecht. Es gibt hier ein sehr reges Kulturleben. Die Stadt selbst ist durch eine Geschichte von über tausend Jahren geprägt. Die berühmte Legende der Weißen Schlange, die von der Liebesgeschichte einer Schlange in Menschengestalt und einem jungen Mann erzählt, verleiht der Stadt einen romantischen Touch. Der berühmte Xihu (Westsee) ist für alle Bürger kostenlos zugänglich, ein wichtiges Naherholungszentrum nicht weit vom Stadtzentrum entfernt! Am Wochenende fahre ich oft mit dem Fahrrad zum Westsee, jedes Mal lassen sich dort neue reizvolle Winkel entdecken. Das ist etwas ganz anderes als die Große Mauer bei Beijing oder der Yuyuan-Garten in Shanghai, an denen man sich nach nur einem Besuch satt gesehen hat. Die Nachbarstädte und Landschaften um Hangzhou herum sind ebenfalls sehr schön. Im Umkreis von drei Autostunden hat man eine riesige Auswahl für Besichtigungstouren. Am Qingming Fest habe ich mit meinen Freunden einen Ausflug unternommen, auf dem wir die Berge Putuo und Tianmu, den ehemalige Wohnsitz von Chiang Kai-shek etc. besichtigt haben. Auf dem Rückweg kamen wir am Bambusmeer von Anji vorbei, wo der Film „Crouching Tiger, Hidden Dragon" von Ang Lee gedreht worden ist. Ein bis zwei Stunden lang fährt man dort durch nichts als grüne Berge! Die Landschaft ist wunderschön, das hat mich sehr beeindruckt.
Ich habe mit dem U-Bahnbau in Hangzhou zu tun. Ich bin zuständig für die monatliche Planung der Bauarbeiten. Ich finde, dass die U-Bahn das Territorium einer Stadt erheblich vergrößert, durch die Verringerung der Distanzen kann sich die Bebauungszone über den Stadtrand hinaus ausdehnen. Die U-Bahn macht die Stadtbewohner viel mobiler, es ist für sie wesentlich einfacher geworden, sich durch die Stadt zu bewegen. Außerdem nehmen die Verkehrsstaus ab, weil weniger Menschen auf die Benutzung des Autos angewiesen sind. Die U-Bahn-Netze in Beijing und Shanghai decken schon fast das gesamte Stadtgebiet ab, aber in Hangzhou ist noch nicht einmal die erste Linie in Betrieb genommen worden. Am 15. November 2008 hat sich beim Bau nämlich ein schwerer Unfall ereignet. Deshalb geht man jetzt doppelt vorsichtig zu Werke, was den Zeitplan durcheinandergebracht hat. Aber Sicherheit geht vor.
Da die U-Bahn immer noch nicht in Betrieb genommen ist, gibt es in Hangzhou täglich gewaltige Verkehrsstaus. Für eine Strecke, die man Zu Fuß bequem in einer halben Stunde zurücklegen kann, braucht man mit dem Auto eine Stunde. Aber ich bin sicher, wenn erst einmal die U-Bahn eröffnet und die Stadt damit in ein Verkehrsnetz integriert ist, das aus Flug-, Bahn-, Bus- und U-Bahnverbindungen besteht, wird Hangzhou noch attraktiver werden.
Nicht weit von Hangzhou liegt Shanghai. Shanghai ist eine sehr vielfältige Stadt. Meiner Meinung nach ist dort der Lebensstandard noch höher als in Beijing. In Shanghai bekomme ich zum Beispiel die Spezialitäten aus meiner Heimat Ningdu, in Beijing leider nicht. Außerdem ist das Leben in Shanghai sehr bequem, man kann alles machen, überall kommt man leicht hin. Die Voraussetzung ist natürlich, dass man Geld hat. In Beijing hingegen sind die Straßen – vor allem im Winter - nach zehn Uhr abends wie leergefegt. Die Läden sind geschlossen, fast nirgends kann man was kaufen. In Shanghai gibt es viel mehr 24-Stunden-Läden, manchmal gibt es drei bis vier 24-Stunden-Supermärkte in einer Straße, die nur hundert Meter lang ist.
Ich habe in Beijing studiert, nach dem Examen arbeitete ich in einem Projektbüro in Shanghai. Zwar habe ich ein gutes Gehalt bekommen, aber ich mag Shanghai nicht, vielleicht fehlt es der Stadt an intellektueller Atmosphäre. Wenn wir uns zum Beispiel im Kollegenkreis treffen, können wir eigentlich nur zum Essen und in die Karaoke-Bar gehen. Wenn das zu häufig der Fall ist, empfinde ich eine gewisse geistige Leere. Meine geistigen Bedürfnisse konnten in Shanghai keine Befriedigung finden. Deshalb habe ich den Job gewechselt und bin nach Hangzhou gekommen. Als eine Touristenstadt hat Hangzhou natürlich auch jede Menge Probleme. Etwa hohe Immobilienpreise. Die öffentlichen Dienstleistungen sind nicht ausreichend entwickelt. Im Großen und Ganzen finde ich Hangzhou aber gut und ich beabsichtige, mich hier langfristig niederzulassen. Ich erhoffe mir, in den nächsten Jahren von meinen Ersparnissen eine Wohnung in der Innenstadt kaufen zu können. Ich möchte eine Familie gründen und für immer hier bleiben.
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