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24-09-2009 Beijing Rundschau
Hu Fei und das Chongqing seiner Erinnerung
von Jin Duoyou

Stadterinnerung drei: Hohe Fabrikschlote

In Chongqing, einer Stadt der Schwerindustrie, standen früher zahlreiche hohe Schornsteine, die in Hu Feis Kindheit eine wichtige Rolle spielten.

„Als ich klein war, wurde ich tagsüber von meiner Großmutter versorgt, jeden Morgen, wenn ich meine Eltern mit dem Bus zur Arbeit fortfahren sah, weinte und schrie ich ganz erbärmlich. Die Großmutter deutete dann auf die Kamine in der Ferne und tröste mich: ‚Du musst nicht weinen, Papa und Mama sind doch nur dort drüben bei den Schornsteinen', erinnert sich Hu Fei. „Früh am Abend ging ich dann zur Bushaltestelle und hoffte bei jedem haltenden Bus, dass meine Eltern drinsaßen".

„Im Laufe der Jahre wurde die ‚Eiserne Reisschüssel', die den Menschen in der Fabrik bislang die Grundsicherung garantiert hatte, aber immer mehr zu einer ‚Schüssel aus Papier'. Heute haben viele Menschen gar keine ‚Schüssel' mehr, aber trotzdem müssen sie irgendwie überleben. Mein Vater wurde Geschäftsmann‚ meine Mutter verließ die Fabrik und kümmerte sich fortan um mich, bis ich die Oberschule absolviert hatte. So brauchte ich nicht mehr voller Sehnsucht auf die Schornsteine in der Ferne zu starren."

In den 80er und 90er Jahren verloren viele Arbeiter und Angestellte beim Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft ihre Arbeit, und mussten zuhause bleiben oder einen anderen Weg finden, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Geschichte von Hu Fei spiegelt die Geschichte einer ganzen Generation wider.

Mit der Modernisierung der Städte wurden in den letzten Jahren immer mehr Eigentumswohnungen gebaut, große Industriekomplexe wurden aus den Städten verlagert oder stellten ihren Betrieb ein. Industriebauten wurden abgerissen, die Fabrikschlote verschwanden aus dem Bild der Städte.

Hu Fei sagt, dass sich die Luftqualität von Chongqing sehr verbessert habe. Wenn man früher bei Nieselregen in der Nähe der alten Fabriken spazieren ging, kehrte man regelmäßig mit schwarzen Flecken auf dem Hemd zurück. „Dennoch fühle ich eine leichte Trauer, denn zu meiner Kindheit gehören nun einmal die Schornsteine, die ich immer voller Sehsucht angestarrt hatte."

 

Stadterinnerung vier: Shibati , die „18 Stufen"

Hu Fei, der in den 80er Jahren geboren wurde, kann sich noch sehr gut an das Leben mit den „Shibati", den „18 Stufen" erinnern. Shibati ist eine Steintreppe, die seit mehr als 100 Jahren die quirligen Stadtviertel Jiefangbei und Jiaochangkou in der Oberstadt mit dem heute heruntergekommenen Chuqimen-Viertel in der Unterstadt verbindet.

„Shibati bedeutet Leben. Die hier wohnenden alten Leute bewahren die ursprüngliche Lebensweise der Chongqinger. Sie leben in den Diaojiaolou, Gebäuden aus Bambus und Lehm. Sie stehen gähnend auf, wenn es noch dunkel ist, und bereiten ihre Morgenmahlzeit auf offenen Feuerstellen vor ihren Häusern. Nach dem Frühstück gehen sie in ihr bevorzugtes Teehaus, trinken starken Tuocha-Tee, spielen Karten und unterhalten sich."

Hu Fei meint, dass dieses gemütliche Leben inmitten der Hektik der heutigen Zeit durchaus sein Recht bewahren sollte, denn wie die Kultur der Hutongs, der traditionellen Wohnviertel Beijings, so ist diese Lebensweise ein Teil der Kultur von Chongqing. „ Die Shibati wird bald abgerissen werden, an ihrer Stelle ist ein Eingang zur U-Bahn geplant. Wenn immer mehr Hochhäuser in der Stadt gebaut werden, wird die alte Textur des Ortes verloren gehen. Ich hoffe, dass auch künftige Generationen noch wissen werden, dass „Shibati" früher in Chongqing Ausdruck einer ganz eigenen Lebensweise war."

Auf einer hohen Plattform auf dem Nanshan-Berg von wo man eine herrliche Aussicht über die ganze Gegend genießen kann, blickt Hu Fei auf das nächtliche Chongqing. Widerstreitende Gefühle werden in ihm wach: „Stand man vor zwanzig Jahren hier oben, war das Jiefangbei, das Befreiungsdenkmal, noch das höchste Gebäude der Stadt. Jetzt ist dieser Turm inmitten der Wolkenkratzer unsichtbar geworden. Natürlich verdanken wir der wirtschaftlichen Entwicklung ein viel besseres Leben als früher. Aber mit meinem Zeichenstift möchte ich protokollieren, was unwiederbringlich verloren geht. Die Erinnerungen aufzeichnen, die dir, mir und der ganzen Stadt gehören."

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