20-07-2015
Exklusivberichte
Lhasa hat mir zu einem neuen Anfang verholfen
von Ma Li

 

Shuangxi bei Tibet-TV

Shuangxi trägt kurzes Haar wie ein Junge, spricht kurz und prägnant und aus ihren Augen blitzt die Weisheit. Sie gehört der „Post-80er-Generation" an und arbeitet jetzt im Autonomen Gebiet Tibet.

„Im Autonomen Gebiet Tibet habe ich den reinen Klang der Berge und der Quellen gehört und bei einer Schale Buttertee dessen Reinheit gefühlt, erzählt Shuangxi bei einer Neuvorstellung des Tibet-TVs Anfang dieses Jahres in Beijing. Als Ehrengast der Vorstellung ist sie redegewandt und kennt viele Geschichten über Tibet.

Ende März traf sich der Reporter wieder mit Shuangxi in Tibet und hörte ihre Geschichte. So hat alles begonnen:

Shuangxi absolvierte im Juni 2012 ihr Masterstudium in Guangzhou. Danach fand sie, wie viele andere junge Menschen auch, die in großen Städten nach ihren Träumen jagten, mit eigener Kraft einen Job in Guangzhou. „Ich ging in eine Aktiengesellschaft und meinte, ich würde Büroangestellte werden, wie im Fernsehen und einen guten Start haben. Allerdings begann ich bereits am ersten Tag, die Arbeit zu hassen." Das Leben des Arbeitstages war sehr eintönig. Um halb sieben ging Shuangxi zur Arbeit, die um acht begann. Mittags hatte man eine halbe Stunde, um zu essen. Um acht machte sie Feierabend. Wenn sie in ihre Mietwohnung zurückkehrte, war sie sehr müde. „Mein Körper war wie eine Uhr." Nach drei Monaten kündigte sie.

Danach blieb Shuangxi lange zu Hause. Meist starrte sie nur an die Zimmerdecke und wurde depressiv. „Jeden Tag machte ich einfach nichts und ich wollte auch keinen Job finden. Einmal starrte ich an die Zimmerdecke, während ich Papier zerriss." Noch schlimmer war, dass ihr Freund sie verließ, was sie sehr bedrückte.

Trotzdem ändert sich etwas. Während im Oktober 2013 der Herbst in vielen Innenstädten begann, war es in Guangzhou noch sehr heiß, besonders im Mietshaus. Als Shuangxi an die Zimmerdecke starrte, stoppte der Ventilator über ihrem Kopf plötzlich. „Der Ventilator, der sich von morgens bis in die Nacht unermüdlich drehte, konnte auch stehen bleiben. Dieser Stopp bedeutet die Veränderung der ursprünglichen Richtung. Ich wollte mich auch verändern."

Shuangxi verließ Guangzhou am 27. Oktober 2013 und fuhr mit der Bahn nach Lhasa. Mit einem Rucksack und 4000 Yuan hoffte sie, nach zwei Monaten ihr neues Selbst zu finden.

Shuangxi bei ihrer Ankunft in Tibet

„Blauer Himmel, weiße Wolken, freie Vögel, ein Lächeln auf dem Gesicht wie eine Blume – all das ist Lhasa." Als sie den Boden in Lhasa betrat, war sie sehr entspannt. Es war ein Paradies für sie!

Als Shuangxi in Lhasa ankam, stellte sie sich sehr schnell auf das Leben ein. Hier fühlte sich alles neu und fremd an. Ursprünglich hatte sie vorgehabt mit 4000 Yuan im Autonomen Gebiet Tibet zu reisen und danach nach Guangzhou zurückzukehren. Aber in Lhasa hat sich alles verändert. „Ich lernte einige Freunde aus allen Landesteilen kennen, jeden Tag unterhielten wir uns, wir spielten und sonnten uns zusammen. Wir verabredeten eine Fußwanderung miteinander für den nächsten Frühling." Shuangxi bemerkte, dass der ursprünglich vorgesehene zweimonatige Aufenthalt zu kurz war, sodass sie sich entschied, mit ihren Freunden hier zu bleiben und erst im folgenden Frühling weitere Pläne zu machen.

„Die größte Veränderung in Lhasa war, dass ich keine Ängste mehr hatte", erzählt Shuangxi, „ Es ist anscheinend mein Schicksal, in Lhasa zu leben. In den Augen der Tibeter sehe ich Freundlichkeit und Güte, aber auch Wärme und Toleranz in der Menschlichkeit. Diese Wärme und Toleranz steckt in jeder Ecke der Stadt, wodurch ich mich sehr wohl fühle." In Lhasa hatte Shuangxi keinen Stress mehr und fühlte sich sehr frei, sie nahm die Stadt vom Herzen an und wollte hier bleiben.

Der warme Sonnenschein im Winter in Lhasa brachte die größte Zufriedenheit. Shuangxi traf sich mit Freunden oder sonnte sich jeden Tag. Die schöne Zeit vergeht so schnell und zwei Monate waren um. Sie gab ihre 4000 Yuan für Miete und Lebensunterhalt aus. „Damals geriet ich in eine sehr schwierige Situation und hatte fast kein Geld mehr, weshalb ich in einem Café arbeitete. Obwohl das Leben damals belastet war, sah ich es als sehr erfüllt an. Die größte Freude war, mich vormittags in der Ecke des Cafés zu sonnen."

Nach zweimonatiger Arbeit in diesem Café begann für Shuangxi ein neues Leben.

An einem Abend im Februar 2014 bediente Shuangxi wie gewöhnlich ihre Gäste. Als sie zu einem Mann mittleren Alters ging, der jeden Abend am selben Platz saß, bemerkte sie sein freundliches Lächeln. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich ansprechen würde. Er erkundigte sich nach meiner Heimat und wie lange ich schon hier war. Was war mein Bildungsweg? Ob ich mich an das Leben hier gewöhnen konnte?" Shuangxi sagte, er sei wie ein alter Freund gewesen, den sie seit vielen Jahren nicht gesehen hätte. Als er erfuhr, dass Shuangxi an der Universität Publizistik studiert hatte, schickte er Shuangxi eine Einladung, bei seinem Fernsehsender zu arbeiten. Die Tür sei jederzeit offen.

Shuangxi arbeitet seit dem 27. Februar 2014 bei Tibet-TV und war zuerst als Sekretärin in der Werbeabteilung tätig.

Shuangxi bei der Arbeit

„Am Anfang war ich nur für die Eingabe und Ausgabe der täglichen Dokumente und Texte verantwortlich. Die Arbeit war sehr einfach. Später erlangte meine schriftliche Ausdrucksfähigkeit und Planungsfähigkeit die Aufmerksamkeit meines Vorgesetzten und bald wurde ich von der Tippse zu Redakteurin und Planerin der Abteilung befördert." Shuangxi erzählt, dass sie in der Werbeabteilung ganz Unten arbeitete, sie musste hart arbeiten und hatte Respekt vor der Aufgabe. Sie brauchte den Job, um in der Stadt zu überleben.

Der neue Job brachte ihr neues Leben, so wie damals, als sie Guangzhou verlassen hatte und nach Lhasa gekommen war. „Alles ist vorherbestimmt. Nachdem ich so vieles erfahren habe, bin ich mir sicher, dass mein Traum hier liegt", sagt Shuangxi.

Als Shuangxi mit Schreiben und Planungsarbeiten befasst war, tat sich eine neue Chance auf: eine vollständige Neugestaltung des Tibet-TVs. Der Leiter des Senders wollte, dass die Werbeabteilung für die Vorstellungs- und Werbearbeit verantwortlich war und zugleich ein Werbekonzept in Einklang mit dem neu gestalteten Tibet-TV festlegen musste. Der Abteilungsleiter gab Shuangxi diese Aufgabe und sie nahm die Herausforderung gerne an.

„Damals dachte ich, dass man Tibet-TV neu positionieren müsste, um die Herzen der Menschen zu erobern, um meine eigenen Gefühle und Veränderungen, die ich in Tibet erfahren habe, weiterzugeben."

Als am 5. Februar die Vorstellung des Tibet-TVs in Beijing begann, stand Shuangxi als Ehrengast zum ersten Mal vor vielen Kameras und erzählte ihre Geschichte über Tibet. Eine Woche später wurde die gleiche Erzählung und Vorstellung in der internationalen Metropole Shanghai durchgeführt.

„Im Winter ist der Sauerstoff in Lhasa mangelhaft und es ist sehr trocken. Manchmal arbeite ich bis spät in die Nacht und kann nicht schlafen, weil mein Mund trocken wird und auch Wasser hilft dann nicht. Am nächsten Tag finde ich den Mund voller kleiner Risse. Auf der Straße weht der Wind und der Schmerz ist dann unvorstellbar", erzählt Shuangxi. Kommt man nach Lhasa, muss man meist Höhenkrankheit und die schwierigen Umweltbedingungen überwinden. Sobald man sich daran gewöhnt hat, kann man sich anpassen. Es beruhigt sie, dass sie die Zeit in Guangzhou hinter sich gelassen hat und sich von den Schatten befreit hat. Sie hat Hoffnung gefasst und ist glücklich nach einem neuen Anfang.