27-10-2014
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APEC-Gipfel: Asiatisch-pazifische Freihandelsvereinbarung im Mittelpunkt
von Shen Minghui und Liu Junsheng

Im November 2014 wird Beijing den 22. APEC-Gipfel begrüßen. Die APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) ist eine der drei wichtigen wirtschaftlichen Kooperationsorganisationen in Asien. Das alljährliche Gipfel-Treffen spielt nicht nur für die Region, sondern auch weltweit eine bedeutende Rolle. In diesem Jahr steht die Erzielung einer Freihandelsvereinbarung für den asiatisch-pazifischen Raum (Free Trade Agreement of the Asia Pacific, FTAAP) im Mittelpunkt. Das Ziel der Freihandelsvereinbarung ist die Liberalisierung des Handels, um einen Niedergang der APEC wie nach der Asienkrise zu vermeiden.

Das Konzept dafür besteht schon lange. 2004 gab der APEC-Beirat für Wirtschaftsangelegenheiten einen Planungsbericht heraus. 2006 stand das Thema wegen der veränderten Haltung der USA auf der Gipfelagenda und traf auf breite Zustimmung bei den Bündnismitgliedern. Während des APEC-Gipfels 2010 wurden Planung und Inhalte des FTAAP weiter vertieft. Die APEC wolle die regionale wirtschaftliche Integration weiter fördern, so dass der Aufbau der Freihandelszone im asiatisch-pazifischen Raum mit praktischen Maßnahmen vorangetrieben werden könne, hieß es in einer Erklärung nach dem Gipfel.

Grundlage und Perspektiven

Das wirtschaftliche Entwicklungsniveau und die politischen Systeme der Länder im asiatisch-pazifischen Raum sind sehr heterogen. Darüber hinaus hat die Begeisterung der USA für eine Freihandelsvereinbarung in dieser Region nach ihrem Beitritt zur Trans-Pacific Partnership (TPP) stark nachgelassen. Diese Faktoren wirkten sich auch auf den Aufbau der Freihandelszone aus. Durch die Gründung von Wirtschaftsbündnissen wie ASEAN+1, ASEAN+3 und ASEAN+6 und besonders der TPP sowie der im Jahr 2012 initiierten Regionalen umfassenden wirtschaftlichen Partnerschaft (Comprehensive Economic Partnership, RCEP), die als frühzeitige Versuche der wirtschaftlichen Integration im asiatisch-pazifischen Raum gelten, gibt es jedoch eine feste Grundlage für eine asiatisch-pazifische Freihandelszone. Möglicherweise wird die wirtschaftliche Integration auf zwei verschiedenen Wegen voranschreiten, mit der TPP und der RCEP als Hauptakteuren einer künftigen Freihandelsvereinbarung.

Die TPP steht für eine systematische und verbindliche Zusammenarbeit. Die RCEP zielt eher auf die Kooperation ostasiatischer Länder ab, und zwar eine freiwillige, flexible, offene, weniger systematische, aber funktionelle Zusammenarbeit. Darin spiegeln sich die langjährigen Kooperationserfahrungen in Ostasien wider, diese Art der Zusammenarbeit entspricht den Bedingungen und dem Charakter der Region und wird dort allgemein anerkannt und unterstützt. Im Hinblick auf eine Freihandelsvereinbarung könnten sich TPP und RCEP ergänzen. Bis 2025 sollen sich die jährlichen Handelseinnahmen durch die TPP auf 295 Milliarden Dollar und durch die RECP auf 500 Milliarden Dollar belaufen. Eine Freihandelsvereinbarung könnte insgesamt zu Jahreseinnahmen in Höhe von 1,9 Billionen Dollar führen. Die flexible Kombination beider Partnerschaften erhöht zudem die Wahlmöglichkeiten für Länder und Regionen.

Die künftige Freihandelszone ist systematisch auf Verbindlichkeit und wechselseitigen Nutzen ausgerichtet, um sich vom weniger formellen Vorgehen der APEC zu unterscheiden. Sie soll die WTO-Regularien noch übertreffen, angestrebt ist eine qualitativ hochwertige Freihandelsvereinbarung, die den gesamten asiatisch-pazifischen Raum abdeckt, um die jetzigen bilateralen und subregionalen Freihandelsvereinbarungen zu integrieren. Das FTAAP soll im Wesentlichen die Ziele von Bogor  erfüllen und zu einem wichtigen Instrument für die wirtschaftliche Integration werden.

Bessere Förderung der Handelsliberalisierung

Im Hinblick auf Handelsprobleme befinden sich Entwicklungs- und Industrieländer seit dem 21. Jahrhundert in einer sehr unterschiedlichen Position. Der Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 löste eine neue Welle des Protektionismus innerhalb des globalen multilateralen Handelssystems aus. Dessen Repräsentant, die WTO, war unfähig, diese Probleme zu lösen. Laut Statistiken von Global Trade Alert (GTA) haben Fälle von Protektionismus nach dem Ausbruch der Finanzkrise erheblich zugenommen, in mehr als der Hälfte der Fälle ließen sich verdeckte Ausweichmanöver beobachten, um Sanktionen durch die WTO zu entgehen. Auch politische Maßnahmen wie Hilfeleistungen, Exportsubventionen und Regierungsanschaffungen, die ausschließlich einheimische Erzeuger berücksichtigen, können eine Form von Protektionismus sein. Im Rahmen der WTO gibt es bislang keinen vernünftigen und wirksamen Lösungsansatz dafür.

Die Freihandelsvereinbarung der APEC kann bei der Lösung dieser Probleme nützlich sein. Durch die Liberalisierung und Vereinfachung von Handel und Investitionen sowie die Early Voluntary Sectoral Liberalization (EVSL), die noch über die Liberalisierungsmaßnahmen der WTO hinausgeht, leistete die APEC schon früher einen wichtigen Beitrag für die Verhandlungen in Doha und Uruguay. Da sich das FTAAP sowohl auf Nordamerika als auch Ostasien erstreckt und sich der globale Wirtschaftsschwerpunkt in den asiatisch-pazifischen Raum verlagert, kann eine umfassende Freihandelsvereinbarung nicht nur das Niveau der wirtschaftlichen Integration in der Region erhöhen, sondern auch die Liberalisierungsmaßnahmen der WTO weiter fördern. Noch wichtiger, das Abkommen prägt den Handel der nächsten Generation und geht auf einige sensible Punkte der WTO-Verhandlungen wie Landwirtschaft, die Regel zur gleichberechtigten Behandlung der Erzeugerländer und geistige Eigentumsrechte ein. Genau dort liegen die Schwächen der WTO, die eine Überwachung des unkonventionellen Handelsprotektionismus schwierig machen. Das FTAAP wird hier als Inkubator fungieren und ein Modell zur Verbesserung der WTO-Regeln liefern.  

Die APEC profitiert

In den letzten Jahren ist die Zahl der regionalen Handelsabkommen und Freihandelsabkommen erheblich gestiegen, von 70 im Jahr 2012 auf 257 Anfang 2013. Ihre Entstehung folgt einem Dominoeffekt. Sobald ein Land ein Handelsabkommen initiiert, nehmen Nachbarstaaten daran teil oder beginnen ihrerseits mit Verhandlungen, um Verluste aus Handelsverlagerungen zu vermeiden, so dass sich die Zahl der regionalen Handelsabkommen und Freihandelsvereinbarungen beständig erhöht.

Der Wust aus sich überschneidenden und miteinander verflochtenen Abkommen ist mittlerweile zu einem Hindernis für die Entwicklung der APEC geworden. Ein deutliches Zeichen dafür ist das so genannte Spaghetti-Schüssel-Phänomen. Die unterschiedlichen Abkommen setzen unterschiedliche Standards für ein und dasselbe Erzeugerland fest, ein und dasselbe Produkt wird zolltechnisch unterschiedlich behandelt, der internationale Handel zu einer komplizierten und chaotischen Angelegenheit, genau wie eine Schüssel Spaghetti. Infolgedessen steigen die Kosten für die regionale Zusammenarbeit und deren Überwachung. Das steht im Gegensatz zu den Zielen der APEC, Handel und Investitionen zu liberalisieren und zu vereinfachen. Zudem ist die Zahl der Unternehmen, die ihre Produkte mithilfe von Begünstigungen aus den verschiedenen Handelsabkommen exportieren, nicht gestiegen. Die große Anzahl der Abkommen lenkt außerdem die Aufmerksamkeit der Mitglieder von der APEC weg. Ressourcen, die eigentlich für APEC-Verhandlungen genutzt werden, wurden in die Verhandlung und Koordinierung von regionalen Handelsabkommen und Freihandelsvereinbarungen gesteckt.

Der Anstoß zum FTAAP soll eine weitere Zunahme dieser Abkommen unterbinden und die APEC wiederbeleben. So könnte einerseits der innere Zusammenhalt der APEC gestärkt werden, Industrieländer, die über die zu geringe Liberalisierung von Handel und Investitionen durch die APEC enttäuscht waren, bräuchten nicht mehr ihre eigenen Handelsabkommen zu treffen. Andererseits ist der Geltungsbereich des FTAAP deutlich breiter als dies auf andere bestehende Abkommen zutrifft. Das FTAAP wäre schwer zu kopieren, ein Dominoeffekt wie bei anderen Handelsabkommen nicht zu befürchten. Auf diese Weise könnten die wirtschaftliche Integration im asiatisch-pazifischen Raum und die Entwicklung der APEC stark gefördert werden.

 

Die Autoren sind Wissenschaftler beim National Institute of International Strategy an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften