Differenzierte politische Maßnahmen
Medizinische Versorgung auf dem Land: Xie Yuhong, Arzt in einem Dorf in Shuishi im Bezirk Qianjiang in Chongqing, untersucht einen Patienten. Seit 2013 sind in dem Bezirk 16 neue ländliche Krankenhäuser entstanden
Den neuen Richtlinien zufolge sollen je nach Größe der Stadt unterschiedliche politische Strategien angewendet werden. Die Zentralregierung will die Anmeldebeschränkungen in Städten und Kleinstädten aufheben, in Städten mittlerer Größe allmählich lockern und für Großstädte vernünftige Grenzwerte setzen. In den Megacitys soll die Bevölkerungsgröße dagegen streng kontrolliert werden.
„In Kleinstädten kann jeder mit einer rechtmäßigen Aufenthaltsgenehmigung, sogar wenn sie nur befristet ist, auch einen dauerhaften Wohnsitz beantragen", erklärte Huang. Mittelgroße Städte mit 500.000 bis 1 Million Einwohnern können bei entsprechender Aufnahmekapazität auch einen unbeschränkten Zuzug erlauben, heißt es in den Richtlinien. Großstädte mit 1 bis 5 Millionen Einwohnern können vernünftige Grenzwerte festsetzen. So können sie von Hukou-Bewerbern verlangen, dass sie einen legalen und festen Arbeitsplatz haben, über legale und stabile Wohnverhältnisse verfügen und seit einem festgesetzten Zeitraum (nicht länger als fünf Jahre) in die Sozialversicherung eingezahlt haben.
Nach Angaben von Li Pumin, Generalsekretär der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform, lebt mehr als die Hälfte der Wanderarbeiter in Städten auf Kreis- und Bezirksebene. Daher sei es wichtig, die dortige Verkehrsinfrastruktur zu verbessern und das Wachstum der Industrie zu fördern, um die verkehrstechnische Anbindung zu verbessern und mehr Jobs für die Wanderarbeiter zu schaffen.
In Megacitys wie Beijing, Shanghai und Guangzhou wächst der Anteil der Wanderarbeiter jährlich um durchschnittlich 500.000 Menschen, dadurch entstehe ein enormer Druck, so Huang. Beijing hat für die Ausstellung von Hukous eine jährliche Obergrenze eingeführt. Die Mehrzahl geht an Uniabsolventen, die von qualifizierten Arbeitgebern, wie Regierungsministerien, öffentliche Institutionen und großen Unternehmen angestellt werden. Zurzeit lasse die Stadt jährlich rund 10.000 neue Hochschulabsolventen zu, so das Amt für Human Ressources und soziale Sicherheit. Wanderarbeiter erhalten nur selten einen Hukou, sie benötigen eine spezielle Genehmigung der Regierung.
Li Gaofeng, Mitarbeiter des Verwaltungskomitees für Wanderarbeiter in Balizhuang im Bezirk Chaoyang, ist einer der wenigen glücklichen Wanderarbeiter mit einem Beijinger Hukou. Er wurde als vorbildlicher Arbeiter von der Stadtverwaltung ausgezeichnet und im April als Anwohner mit dauerhaftem Wohnsitz registriert. Li kam 2001 mit seiner Ehefrau aus dem Kreis Fugou in der Provinz Henan nach Beijing. Im Laufe der Jahre hat er eine Menge Jobs gehabt, er war u.a. Postbote und Hausmeister. Er machte außerdem viel Freiwilligenarbeit, reinigte beispielsweise Flüsse von Müll.
Es ist geplant, dass Megacitys mit mehr als 5 Millionen Einwohnern ein Punktesystem einführen, um Hukou-Bewerber auszusieben. Tianjin und Shanghai sowie einige Städte in den Provinzen Guangdong und Zhejiang haben ein solches System bereits testweise eingeführt. In Beijing sei ein ähnliches System geplant, erklärte Huang.
In Guangdong gibt es das Punktesystem seit 2010. Bewerber mit mehr als 60 Punkten von 100 möglichen können sich für einen Hukou qualifizieren. Zu den wichtigsten Punktekriterien zählen Bildung, berufliche Kompetenzen, Einzahlungen in die Sozialversicherung und besondere Beiträge zur Gesellschaft. Ist ein Bewerber straffällig geworden, werden Punkte abgezogen.
Groß- und Megastädte sind attraktiver für Wanderarbeiter, dort gibt es mehr Arbeitsmöglichkeiten und bessere öffentliche Dienstleistungen, aber einen Hukou zu bekommen sei sehr schwer, erklärte Xu Jingyong, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Xiamen in der Provinz Fujian.
Die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbewohnern einzuebnen, sei keine endgültige Lösung, sondern erst der Anfang. Das Ziel sei die freie Wahl des Wohnorts sowie gleiche Sozial- und Versicherungsleistungen, forderte ein User im Internet.
Am Menschen orientierte Politik
Gleiche Schulbildung: Unterricht in einer Grundschule in Langfang (Provinz Hebei). Mehr als 200 Kinder von Wanderarbeitern gehen auf diese Schule
2010 befragte die CASS 110.000 Wanderarbeiter, ob sie einen städtischen Hukou bevorzugen würden. Rund 80 Prozent der Befragten, die in den 1960er und 1970er Jahren geboren wurden, verneinten dies, nur 25 Prozent der in den 1980er Jahren geborenen beantworteten die Frage mit „Ja". Auf die Frage, ob sie ihr gepachtetes Land gegen einen städtischen Hukou aufgeben würden, antworteten rund 90 Prozent mit „Nein", meldete die Yangcheng Evening News in Guangdong.
In jüngster Vergangenheit hat der städtische Hukou an Reiz verloren, da Städter in einem marktwirtschaftlichen System nicht mehr so viele Privilegien genießen und die soziale Absicherung auf dem Land verbessert wurde. Wanderarbeiter wollen ihren Wohnsitz und ihr Ackerland nicht verlieren. Das Ackerland stellt für sie eine wichtige Sicherheit dar. „Sollten sie bei einem Konjunktureinbruch ihre Arbeit in der Stadt verlieren, können sie in ihre Heimat und auf ihr Land zurückkehren", so Zhang.
Wohnraum und Boden befinden sich auf dem Land in Kollektivbesitz. Das Bodenverwaltungsgesetz definiert die Standardentschädigung für Grundstücke entsprechend den Regierungsvorschriften. In jüngster Vergangenheit sind die Immobilienpreise in die Höhe geschnellt, Bauern erhielten daher höhere Entschädigungen für die vom Staat aufgekauften Grundstücke.
Um die Angst der Wanderarbeiter, ihre Notreserve in der Heimat zu verlieren, zu lindern, legen die Richtlinien fest, dass „man zum gegenwärtigen Zeitpunkt von den Wanderarbeitern nicht fordern dürfe, das Nutzungsrecht für ihr Land und ihre Wohnung sowie ihren Anteil an den kollektiven Einnahmen aufzugeben, wenn sie sich in der Stadt niederlassen und einen städtischen Hukou bekommen wollen."
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